Übertriebene Moralisierung bei der Hochwasserhilfe
Ich gehe morgen auf eine Festveranstaltung und befinde mich aber in einer Stadt, in der ein außen gelegener Stadtteil auch Hochwasserprobleme hat. Und und nun wurde schon von verschiedenen Leuten bemängelt, dass man doch wegen der Flut nicht feiern gehen sollte, sondern lieber den Betroffenen helfen sollte usw. Ich muss sagen, dass mich solche Kommentare richtig nerven. Nur weil irgendwo am Ende der Stadt ein paar Leute einen nassen Keller haben sollen also alle anderen Bewohner des Ortes auf jegliche Freude verzichten? Und warum soll ich fremden Menschen helfen, die ich gar nicht kenne?
Ich finde diese Moralisierung total übertrieben, wenn manche sich so aufspielen, so nach dem Motto: „Ich gehe jetzt los und helfe, wo ich gebraucht werde“. Bei solchen Aussagen läuft ja richtig der Schleim raus, weil das suggeriert, als würde da sonstwas passieren. Ich bin heute selber in dem Stadtteil gewesen und es steht zwar der Fluss, der hier entlang fließt etwas hoch, aber ich habe weder eingeschlossene Menschen noch überflutete Häuser vorgefunden; nur manche Keller mussten wohl ausgepumpt werden. Aber das passiert ja irgendwie jedes Jahr. Zudem halte ich es ohnehin für keine gute Idee, wenn Menschen ihr neues Eigenheim in einem Überflutungsgebiet an den Fluss bauen, da braucht man sich nicht wundern, wenn mal die Enten im Keller planschen.
Darum finde ich wird einerseits total übertrieben, was die drohende Gefahr betrifft, da droht nicht viel und andererseits ist es auch eine Unverschämtheit Leuten das Feiern verbieten zu wollen oder die Personen als unmoralisch darzustellen, nur weil sie sich nicht noch als Hundertster an einer ohnehin schon übervollen Sandsack-Weitereich-Schlange beteiligen wollen. Was soll also dieses übertriebene Moralisieren? Gibt es das bei Euch auch?
Das wirst du immer erleben, dass manche sich als Moralapostel aufspielen. Ich habe solche Diskussionen in den letzten Tagen bei Facebook viel beobachtet. Das kuriose an der Sache ist aber, dass die Leute die auffordern zu helfen, meist selbst nur als Gaffer unterwegs sind. Bei uns wollten manche Leute wissen, wo Hilfe gebraucht wird. Eine Person hat dann den Kontakt zur Berufsfeuerwehr hergestellt und mitgeteilt wann und wo Leute gebraucht werden.
Hier in Plauen war es dann so, dass die Helfer Sandsäcke befüllt haben und die ausgebildeten Retter haben sie dann dort verbaut, wo sie gebraucht wurden. Somit hat man auch die Laien aus den Gefahrenzonen raus gehalten. In anderen Orten, wie Dresden oder Halle, war man froh, dass es viele Helfer gibt.
Es kommt eben auch auf die gesamte Situation an. Wenn da bei euch wirklich nur ein paar Keller mit Wasser sind, dann ist das noch kein Notstand oder eine Krisensituation. Warum sollten dann Feste abgesagt werden? Dies hat man in Halle gestern gemacht. Aber dort ist auch wirklich Land unter und die halbe Stadt geflutet.
Den Gedanken hatte ich eben auch gerade. Im Moment ist ja draußen wieder ein super Wetter eingekehrt, was natürlich nicht heißt, dass das Wasser schon komplett verschwunden ist. Nun gilt es den Pegelstand weiter zu senken und die massiven Schäden zu beseitigen. Gestern habe ich bei Facebook gelesen, dass ein Rennfahrerkollege trainiert hat. Dazu gab es ein Foto, was eine überschwemmte Straße zeigte. Hier kamen dann natürlich ein paar Kommentare, die darauf anspielten, dass er doch lieber sein Hab und Gut schützen sollte, anstatt draußen in der Gegend herumzufahren. Das war aber eher spaßig gemeint, weil es von seinen Freunden kam.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass dies manch einer nicht so spaßig sieht und hier eine fehlende Hilfskraft sieht, aber man muss es ja nicht übertreiben. Bei mir im Ort ist es zum Beispiel so, dass auch sehr viel überschwemmt war, aber man nicht viel machen konnte. Mein Haus war nicht betroffen und ich musste lediglich ein wenig Wasser aus den Keller pumpen, was aber angesichts anderer Schicksale mehr als lachhaft war. Man konnte hier nur abwarten, also warum soll ich auf Bereitschaftsperson machen und in Gummistiefeln vor der Haustür sitzen und darauf warten, dass ich was tun kann?
Ich kenne solche Geschichten auch und finde sie ebenso gruselig wie du. Es ist sicher gut, wenn Menschen helfen wollen, aber das sollte jeder für sich entscheiden, ob er das tun möchte. Wäre ich vor Ort, würde ich auch gerne bei der Rettung von Tieren oder der Evakuierung von Tierheimen helfen und vorübergehend ein oder zwei Tiere aufnehmen. Da werden scheinbar auch immer noch Leute gesucht, weshalb ich es gut finde, wenn man vor Ort hilft. Das sollte aber ohne Eigennutz geschehen und auch ohne diese schmierige Selbstdarstellung, die manche da betreiben.
Beim Auspumpen von irgendwelchen Kellern würde ich auch nicht mithelfen wollen. Die meisten Menschen werden das auch ohne Hilfe von Laien schaffen, entweder alleine oder mit Hilfe der Feuerwehr. Um Leib und Leben geht es in vielen Fällen ohnehin nicht und der Sachschaden wird von der Versicherung getragen. Wer keine Versicherung abgeschlossen hat, ist dann eben selbst verantwortlich und darf sich über seinen Geiz anschließend ärgern. Ich sehe in sehr vielen Fällen einfach keine Notwendigkeit dafür, dass fremde Leute helfen. Allgemein finde ich es blöd, wenn zehn Leute an einer Aufgabe sitzen, obwohl diese auch von ein oder zwei Leuten in der gleichen Zeit bewältigt werden kann. Wenn dann direkt zehn ankommen, ist klar, dass die das vor allem für das Gefühl tun, gebraucht zu werden.
Das Leben läuft weiter, ganz unabhängig von dem, was draußen vor sich geht. Ich finde es falsch, irgendwelche spaßigen Veranstaltungen abzusagen, nur weil gerade irgendwo etwas vorgefallen ist. Jeden Tag sterben unzählige Tiere und Menschen. Es gibt immer irgendwo auf der Welt eine Katastrophe, die gerade aktuell ist. Dennoch wird gefeiert und die Leute haben ihren Spaß. Ich finde es übertrieben, auf Feierlichkeiten zu verzichten, nur weil eine Katastrophe (was auch immer man darunter verstehen mag) das eigene Umfeld erreicht hat. Vor allem löst man das bestehende Problem auch nicht, indem man auf solche Festlichkeiten verzichtet. Diejenigen, die sich da als Moralapostel aufspielen, kann ich nicht ernst nehmen.
vde hat geschrieben:Und warum soll ich fremden Menschen helfen, die ich gar nicht kenne?
Vielleicht, weil du auch für jede Hilfe dankbar wärst, wenn du in so einer Situation wärst? Man muss hier natürlich ganz klar unterscheiden, wer wie stark betroffen ist. Wenn in deiner Stadt nur ein paar Leute nasse Keller haben, dann ist es ja nicht so schlimm und um die Keller auszupumpen, braucht man ja nicht gleich hunderte Helfer. Trauerstimmung muss wegen des Hochwassers meiner Meinung nach auch niemand aufsetzten, soll heißen, dass geplante Feste ruhig stattfinden können, wenn sie nicht aus bekannten Gründen "ins Wasser fallen". Das Leben geht schließlich weiter.
Dass in den wirklich stark betroffenen Städten viele Menschen beim Sandsäcke füllen und aufschichten helfen, finde ich aber nur gut und richtig. Da geht es schließlich nicht mehr nur um nasse Keller, sondern darum, dass viele ihre Existenz verlieren könnten. Niemand verlangt, dass man als selbst nicht betroffener tagelang dabei hilft. Wenn man sich 1-2 Stunden Zeit nimmt, ist das doch schon in Ordnung.
Wer heute sein Haus direkt an einen Fluss baut, ist natürlich irgendwo selbst schuld, das ist schließlich ein voraussehbares Risiko. Aber was ist mit den vielen Altstädten, die überflutet sind? Sollen die Leute da auch alle wegziehen und ihre Geschäfte schließen, weil erhöhte Hochwassergefahr besteht? Das geht ja irgendwie nicht.
Mal abgesehen davon, dass es nicht in jedem Ort nur "ein bisschen Wasser im Keller ist", teilweise sind ganze Existenzen schon zum dritten Mal vernichtet, wenn man so will, der Schaden geht in unglaubliche Höhen, die Leute, bei denen es noch nicht passiert ist, haben verständlicherweise Angst, ihr Hab und Gut zu verlieren - mal abgesehen von der tatsächlich vorliegenden Dramatik, die man sich wohl einfach nicht vorstellen kann, wenn man nicht da gewesen ist, halte ich es auch für richtig, trotzdem feiern zu gehen und Spaß zu haben.
Ich denke, es ist auch keinem geholfen, wenn man aus Solidarität zu Hause sitzen bleibt und Trübsal bläst. Ich denke, dass es neben tatkräftiger und finanzieller Hilfe tatsächlich auch wichtig ist, seinen Frohsinn nicht zu verlieren. Optimismus und Lebensfreude haben noch keinem geschadet, also sollte man das Leben nach wie vor auch feiern gehen.
Aber ich möchte nicht sagen, dass die vielen Helfer blöde Moralapostel sind, das möchte ich auch nicht hören und lesen, weil das falsch ist. Die Hilfe wird tatsächlich gebraucht, denn vom Staat ist bisher nicht viel gekommen, unsere Soldaten kämpfen an anderen Fronten, das Geld ist in Griechenland. Niemand muss herkommen, wenn er nicht will, das erwartet keiner. Aber die Freude und Dankbarkeit sind sehr groß, wenn sich doch jemand in die entsprechenden Gebiete verliert zum mit Anpacken. Und das sollte auch entsprechend gewürdigt und nicht verurteilt werden. Das finde ich nicht okay.
So schlimm ich das alles finde, ich kann dich trotzdem verstehen und es nervt mich ebenfalls! Es ist für mich völlig selbstverständlich zu helfen wenn es benötigt wird, gerade wenn es Menschen in der unmittelbaren Umgebung sind. Und da mache ich auch keinen Unterschied ob ich sie kenne oder nicht! Man weiß nie ob man nicht einmal selbst in eine solche Situation kommt und über jede Hilfe dankbar ist! Allerdings finde ich es absolut unnötig, dass alle Menschen der ganzen Stadt unter dem Pech von ein paar einzelnen leiden sollen.
Das letzte mal als ich mich furchtbar darüber aufgeregt habe war z.b nach den Ereignissen des 11. September. Natürlich war es schrecklich, furchtbar und nicht in Worte zu fassen. Aber tagelang dafür das Fernsehprogramm NUR darauf auszulegen und den Menschen keine Chance mehr zu lassen ihr Leben normal weiter zu leben finde ich schon ziemlich krass. Zumal man hier von Deutschland aus ja ohnehin nicht helfen konnte. Da werden alle Filme gecancelt, Feiern abgesagt, Straßenfeste verschoben... Und ich fragte mich echt was das soll. Nur weil andere etwas schlimmes erleben muss ich jetzt auch mein Leben einschränken und darf nur noch trauern? Das kann es doch echt nicht sein!
Ich finde, dass es keinen Grund gibt jemanden zu verurteilen der nicht hilft. Allerdings sollen sich die Leute dann von den Orten auch fern halten. Was ich schlimm finde, ist wenn Leute Fotos machen während andere sich bemühen die Städte zu retten. Da finde ich durchaus dass die ruhig zum helfen gezwungen werden können (was nach dem Gesetz auch möglich ist). Aber sonst muss es jeder für sich wissen.
Für mich wäre es zwar selbstverständlich zu helfen wenn ich in der nähe wohnen würde, aber wie gesagt jeder muss es für sich selber wissen. Ich finde nur wer nicht hilft, hat auch kein Anrecht auf Hilfe, wenn bei demjenigen selber mal das Wasser bis unters Dach steht. Aber einen Grund nicht zu feiern gibt es definitiv nicht. Immerhin passieren immer irgendwo schlimme Sachen, deswegen kann man nicht jedes mal jede Party absagen.
Bei uns scheinen die Leute das irgendwie anders zu sehen, denn hier wurde wegen der Flut gefeiert. Der Rhein hatte bei uns ein Freibad überschwemmt und dort gab es eine Aufräum-Party. Ich habe auch nicht mitbekommen, dass sich irgendjemand als Moralapostel aufgespielt hat, der Konsens von allen war eigentlich, dass man das beste aus der Situation machen soll und, dass ein bisschen Bewegung an der frischen Luft doch jedem gut tut. Es ist hier im Moment ja warm und sonnig.
Viele Geschäfte und Privatleute habe ein bisschen was gespendet, so, dass für Getränke und Verpflegung gesorgt war und Musik gab es auch, und ich denke, dass man so wesentlich mehr Menschen zum helfen bewegt hat als mit erhobenem Zeigefinger.
Ich finde durch deine Wut argumentierst du nicht vernünftig. Ob man die Leute kennt oder nicht, das hat damit nichts zu tun! Es braucht viel mehr Hände um gegen eine solche Naturkatastrophe anzukommen. Der Post ist sicher schon alt. Auch in unserem Ort stand erst das Wasser nur am Fluss hoch. Gerade in diesem Moment ist es wichtig vorzusorgen. Die Voraussagen waren dieses Jahr ziemlich genau, also wusste man , dass da noch Wasser folgt. Allein aus den Medien. In so einer Situation heißt es nicht "das Wasser hat doch noch platz" zu sagen, sondern tatkräftig mit anpacken, dass die Straßen und Häuser so trocken bleiben.
Das Feiern darf man den Menschen natürlich nicht verbieten. Ein viel schöneres Gefühl als zu Feiern ist jedoch der Zusammenhalt, den man beim Helfen spürt. Wer nicht will, kann jedoch nicht dazu gezwungen werden. Ich konnte mir die Bilder in den Medien nicht mit reinem Gewissen angucken, ohne etwas zu tun. Du hast es ja selbst Live gesehen.
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