Bewundern Anwohner in Urlaubsregionen noch ihre Natur?

Als ich kürzlich im Gebirge war, habe ich mich gefragt, ob die Einwohner dort überhaupt noch ihr Gebirgspanorama bestaunen. Ich selbst stand ständig in der Unterkunft am Fenster und habe die Berge und Täler bewundert. Ich hatte mir echt gewünscht, die Berge für immer bei mir zu haben, so fasziniert war ich davon. Die Leute, die dort wohnen, beneide ich daher schon ein Stück.

Ich frage mich allerdings, ob die Einheimischen in Urlaubsregionen überhaupt noch ihre Natur bewundern. Sie haben die Berge oder das Meer ja quasi jeden Tag vor den Augen. Wird der traumhafte Blick irgendwann Routine, so dass man gar nicht mehr so hinschaut oder erfreuen sich diese Leute jeden Tag aufs Neue an ihrer Natur?

Ich komme aus dem Voralpenland, das auch regelmäßig von staunenden Touristen überrannt wird. Aber die Menschen, die dort leben, wissen ganz genau, was sie daran haben. Meine Mutter freut sich immer wieder über den Anblick der Berge bei Föhn als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Meine Freunde sind alle begeisterte Radler, Wanderer oder Skifahrer, die nie im Leben woanders hinziehen würden. Sie können gar nicht verstehen, dass ich weggezogen bin. In eine Gegend, in der alles so flach ist. Das ist für sie sehr ungewohnt und fast schon hässlich.

Trotzdem machen sie natürlich auch mal Urlaub auf einer Mittelmeerinsel oder ähnliches. Aber es kommt immer wieder der Spruch: Zuhause ist es am Schönsten. Das einzige das stört, sind die vielen Touristen.

Die Frage kannst du dir doch selber beantworten, weil die subjektive Wahrnehmung doch nicht von Urlaubsregionen abhängig ist. Bewunderst du denn noch die schönen Dinge, die es in deiner Umgebung gibt? Die barocken Häuserfassen in der Innenstadt, an denen die jeden Tag vorbei fährst? Die blühenden Bäume im Stadtpark, die dir jeden Tag in der Mittagspause auf dem Weg zum Essen begegnen? Oder den kleinen Bach, der sich neben deiner regelmäßigen Laufstrecke befindet?

Ich denke es ist immer eine bewusste Entscheidung, ob ich mir die Zeit nehme um meine Umwelt wahrzunehmen oder nicht. Ich kann mich dafür entscheiden durch den Stadtpark zu hetzen oder im Laufen auf mein Handy zu starren um irgendwelche banalen Nachrichten zu lesen oder ich kann mich dafür entscheiden mir ein paar Minuten mehr Zeit zu lassen und mich umzuschauen.

Ganz davon abgesehen musst du dir aber auch vor Augen führen, dass du als Tourist ja ganz andere Voraussetzungen hast. Du hast Urlaub und kannst den ganzen Tag am Fenster stehen, wenn du das möchtest, die Leute, die dort leben, haben aber bessere Dinge zu tun. Und wenn sie dann die gleichen Voraussetzungen haben wie du, also wenn sie Urlaub haben, werden sie genau wie du auch wahrscheinlich gerne etwas neues sehen wollen, eine Umgebung, die sie noch nicht kennen oder, die sie so nicht zu Hause vorfinden.

Ich habe aber schon von Leuten, die auf Sylt leben und im Tourismus arbeiten, gehört, dass sie es total genießen am Strand spazieren zu gehen, wenn die Saison zu Ende ist und wenn die Touristen weg sind. Sprich, sie wissen durchaus, dass sie einen schönen Strand haben, aber in der Saison fehlt ihnen einfach die Zeit um diesen ausgiebig zu bewundern.

Ich selbst wohne am Bodensee, also auch einer Region die häufig von vielen Touristen besucht wird. Ich bin hier aufgewachsen und sehe den See daher täglich. Sogar wenn ich in der Uni sitze, habe ich in manchen Räumen einen fantastischen Blick auf den See.

Ich muss sagen, dass ich immer noch absolut fasziniert vom See bin. Ich liebe es über alles, am See zu spazieren oder mir einfach eine Bank zu suchen und dort zu sitzen. Es ist einfach wunderbar entspannend für mich, am See zu sein. Zusätzlich muss ich immer anfangen, zu träumen, wenn ich den See sehe. Gerade dann, wenn man noch die Alpen im Hintergrund sieht, ist die Landschaft einfach atemberaubend. Von daher verbringe ich so viel Zeit wie nur möglich am See, da ich es einfach genieße, dort zu wohnen, wo andere Urlaub machen. Deshalb bin ich gerade auch im Sommer sehr oft zum Schwimmen am See.

Für mich ist der See immer etwas besonderes, da das Panorama je nach Wetter immer unterschiedlich ist. Zudem liebe ich die Atmosphäre und ich finde die Gegend einfach klasse.

Ich denke, dass man durchaus die Landschaft immer noch sehr genießen kann, auch wenn man in einer für Touristen beliebten Region ist. Zwar ist die schöne Gegend irgendwann selbstverständlich für einen, was jedoch nichts daran ändert, dass man sich hin und wieder trotzdem gerne die Zeit nimmt, um die Landschaft zu genießen.

Ich denke schon, dass ein großer Teil der Bewohner schon noch ein Auge für ihre schöne Landschaft haben, auch wenn man es selbst vielleicht nicht so erkennen mag. Ich kann mich noch gut an meinen letzten Urlaub auf Mallorca erinnern. Dort habe ich mich auch mit einem Angestellten des Hotels unterhalten und er meinte, dass er sich jedes Jahr riesig freut, wenn er wieder auf das Festland kann, wo er und seine Familie verschiedenes anbaut. Er liebt dieses Tal und dessen Umgebung, aber auch das Meer will er nicht missen. Er hat mir schon gezeigt, dass man diese Gegend auch ans Anwohner noch lieben kann, auch wenn man diesen Anblick gewöhnt ist.

Es ist aber ganz normal, dass mit der Zeit gewisse Sachen nichts besonderes mehr sind. Für die meisten Leute ist das Meer etwas faszinierendes, was auch auf mich zutrifft. Wenn man jetzt aber in die Nähe eines Meeres ziehen würde, könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass auch dieses Meer mit der Zeit seine Faszination verliert. Ich will nicht sagen, dass es einem dann langweilt, aber es ist halt doch etwas anderes, wenn man direkt dort wohnt und es nicht nur alle paar Jahre zu Gesicht bekommt.

Ich wohne ja auch etwas ländlich. Hier gibt es keine faszinierenden Gegenden, wo die Natur etwas ganz besonderes geschaffen hat, aber auch hier ist es schön. Manchmal fällt einem das nicht so auf, aber in gewissen Momenten wird einem doch klar, dass man in einer schönen Gegend wohnt, wo die Natur noch sehr stark vertreten ist und noch nicht vollkommen zum Opfer der Industrie geworden ist.

Ich denke, da gibt es solche und solche Menschen. Ich wohne sehr ländlich, im Sauerland. Am Fuße des höchsten Berges Nordrhein Westfalens und in unmittelbarer Nähe der Quelle des Flusses, welcher dem Ruhrgebiet seinen Namen gibt. In dieser Region wimmelt es vor heilklimatischen Kurorten und gerade im Winter wird meine Wohngegend vor allem bei den Niederländern aber auch bei den Nachbarn aus dem Rheinland und dem Ruhrpott als schönstes Skigebiet nördlich der Alpen deklariert. Jährlich machen viele hundert Tausend Menschen Urlaub in meiner Heimat, nutzen die vielfältigen Angebote zum Wandern, Rad fahren, Ski fahren oder genießen einfach die gute Luft.

Unsere Landschaft ist atemberaubend schön, dennoch zieht es die Jugend in die großen umliegenden Städte Köln, Düsseldorf, Dortmund oder Kassel. So sehr meine Heimat ein Touristenmagnet ist, so langweilig empfinden sie viele einheimischen. Und auch ich selbst bin hier noch nie mit Ski die Piste heruntergefahren, obwohl ich unsere Landschaft im Sommer auf ausgiebigen Wandertouren durchaus genieße und zu schätzen weiß. Und genauso wird es sich in allen Urlaubsregionen unserer Welt zutragen. Ich bin mir sicher, dass sich Bewohner der Karibik ihrer einzigartig schönen Natur voll und ganz bewusst sind und auch jeder Küstenbewohner das Meer liebt, aber auch diese Leute wird es an andere Orte ziehen, da die Heimat zur Gewohnheit eines jeden wird.