Bekannte bricht das Studium nicht ab

vom 22.05.2013, 15:05 Uhr

Eine Bekannte die ich ab und zu treffe scheint ein Problem vor sich herzuschieben, ohne es angehen zu wollen. Sie gehört zu denen, die eigentlich ein "behütetes" Zuhause hatten und die als Einzelkind tatsächlich von den Eltern alles ermöglicht bekommen hat. Leider war sie als Jugendliche daher nie gezwungen, sich mit ihrem Leben und ihren Plänen auseinander zu setzen. So wusste sie nicht, wie es nach dem Abitur weitergehen sollte. Das war damals noch das Abitur nach der 13. Klasse. Jedenfalls war sie dann für ein paar Jahre im Ausland - zunächst als Au Pair, dann im Rahmen eines Praktikums und anschließend ohne eigene Anstrengungen (weil die Eltern geholfen haben), weil sie in dem Fall in den Irland Freunde und Freude gefunden hatte.

Anschließend kam sie nach Deutschland zurück und hat dann mit 26 ein BWL-Verzweiflungs-Studium begonnen. Sie hat sich immer noch nicht überlegt, was sie aus ihrem Leben machen sollte. So wie ich das verstanden habe, hat sie sich dann lockere drei Jahre durch das Studium "gemogelt" und mehr schlecht als recht die Scheine bestanden. Aber nun ist sie seit drei Semestern praktisch ohne zu studieren noch eingeschrieben und sie ist offenbar sicher, BWL nicht mehr machen zu wollen.

Jetzt das Problem: ich kann sie nicht überzeugen, dass sie das Studium schlicht abbricht und sich entweder um eine neue Richtung oder eine Ausbildung bemüht. Sie wohnt in einer netten WG und ist weder an BAföG noch an Studienkredite gebunden, weil sie immer noch voll von Zuhause unterstützt wird. Ich kann nicht verstehen, wieso die sonst so klug wirkende junge Frau nicht aufsteht und ihr Leben ordnet. Im Gespräch zeigt sie sich einsichtig. Aber es folgt einfach keine Tat. Mir fällt das jetzt seit einem Jahr (also jetzt das zweite Semester) auf und ich dachte, dass die Uni hier schon "tätig" werden würde (Exmatrikulation auf Grund fehlender Leistungsnachweise). Doch von der Seite passiert scheinbar nichts.

Ich würde ihr tatsächlich gerne helfen, weil sie als Person sehr nett ist und es mir schon leid tut, dass sie sich so in eine Sackgasse manövriert - ohne Not. Zumal, so glaube ich, sie keine existenzielle Angst haben muss. Ihre Eltern mögen nicht vermögend sein - würden sie wohl aber weiter unterstützen (machen sie ja auch). Zugang zu ihren Freundinnen habe ich keinen, weil die noch mal jünger sind und selbst eher schwierige Fälle darstellen. Aber, gemessen an bürgerlichen Werten, einen akzeptablen Plan verfolgen. Was könnte ich für sie tun? Mir geht es ja nur darum, dass sie erkennt, dass sie was tun muss und es dann auch macht. Oder soll ich warten, bis die Uni sie doch mal rausschmeißt?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ehrlich gesagt hat sie doch keine Not um ihr Leben zu ordnen. Die Eltern zahlen und sie kann sich ein schönes Leben machen. Hier müssten die Eltern halt handeln, damit sie in die Gänge kommt. Immerhin ermöglichen sie ihr ja das sorgenfreie Leben. Dass sie sich im Gespräch einsichtig zeigt, heißt noch gar nichts. Vielleicht tut sie das nur, weil sie darauf hofft, dass du dann Ruhe gibst.

Ändern kannst du gar nichts und sofern sie noch Studiengebühren bezahlt, wird auch die Universität vermutlich nicht handeln. Immerhin nehmen sie auch mit solchen Studenten Geld ein. Wer wird das freiwillig aufgeben?

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich fürchte auch, dass hier mal wieder die alte Weisheit greift, dass man seine Mitmenschen nicht ändern kann, wenn die das nicht selber wollen. Deine Bekannte scheint sich ganz ordentlich in ihrem aktuellen Lebensstil eingerichtet zu haben, Mama und Papa blechen brav, also wieso sollte sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen? Wer seiner Tochter einen Auslandsaufenthalt finanziert, einfach, weil ihr Irland so gut gefällt, kann schon mal so arm nicht sein und fördert noch dazu beim Nachwuchs eine gewisse Naivität und Bequemlichkeit im Sinne von: Hauptberuf Tochter funktioniert doch prima! 8)

Aber natürlich geht das nicht ewig gut: Man muss wahrhaftig kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Dame schlimmstenfalls mit Ende 20 ohne Studienabschluss oder mit einem schlechten Abschluss in einem Bereich, der sie nicht interessiert, dasteht und praktisch ganz von vorne anfangen muss. Dazu kommt noch das Risiko, dass die Eltern den Geldhahn zudrehen. Daher verstehe ich gut, dass du deine Bekannte am Liebsten so lange in den Allerwertesten treten würdest, bis sie selbst in die Gänge kommt, im Idealfall noch vor dem unausweichlichen Absturz in die Realität.

Aber manche Erfahrungen muss man eben am eigenen Leib machen bzw. mal so richtig auf die Schnauze fallen. Das wirkt oft besser als alle Ratschläge, die man ja immer als Geschwätz abtun kann. Ich glaube nach deiner Beschreibung ehrlich gesagt nicht, dass kluge Argumente und aufrichtige Besorgnis irgendeine Verhaltensänderung auslösen, solange das Elternhaus da ist und mitspielt.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Das ist echt eine miese Situation, aber nicht weil sie das Studium nicht schaffen wird, sondern weil sie nicht einsieht sich abzukapseln und ihr eigenes Leben anzufangen und sich zu finanzieren. Sie sieht ja gar nicht wie schwer das Leben sein kann und wird daher auch nicht bestrebt sein etwas zu ändern. Es funktioniert ja so und sie muss wohl kaum jemanden Rechenschaft ablegen.

Wenn du die Eltern gut kennen solltest, kannst du hier ja mal ein Gespräch führen. Gemeinsam findet man vielleicht eine Lösung und kann den Eltern auch vermitteln, dass dieses ewige unterstützen nichts für die Tochter bringt. Immerhin könnten sie das Geld sicherlich auch selber benötigen.

Sie wird dir aber mit Sicherheit bei gemeinsamen Gesprächen nur das sagen, was du hören willst. Immerhin wird sie nicht auf Streit aus sein und es sicherlich aber auch nicht einsehen. Es ist eben auch so, dass sie ja keine finanzielle Nöte hat.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Habe mich vermutlich falsch ausgedrückt: sie ist eine attraktive, liebenswerte und auch intelligente junge Frau. Sie ist auch nicht eine, die ausdrücklich auf Kosten der Eltern ein wildes Leben verlebt. Viel mehr bekommt sie ihren hübschen Allerwertesten nicht hoch um wenigstens abzustecken, was sie will. Im Moment ist sie seit drei Semestern wohl nicht mehr an der Uni gewesen oder hat was für die Uni getan. Das mag noch nicht mal verwerflich sein, wenn es als "Warteoption" gesehen wird, weil sie auf eine andere, gegebene Option warten muss. Aber leider gibt es keinen Plan B.

Mit tut sie aufrichtig leid, weil ich das Gefühl habe, dass sie im Moment nicht merkt, wie ihr hippes, cooles und junges Umfeld (also ihre Bekannten und Freunde) um sie herum mit ihr das Leben genießen aber parallel dazu sehr wohl die bürgerlichen Zwänge mitmachen. Sie wird dann bald über 30 sein und dann dürfte es aus sein mit eben den Bekannten, die dann alle ihr Studium abgeschlossen haben und ins Berufsleben starten.

Sie ist nicht nur das "Töchterchen", wie es wirken mag. Aber sie macht einfach "nichts". Und ja, ich weiß auch das es schwer vorstellbar ist, wirklich nichts zu machen und im Grunde in den Tag hinein zu leben. Ich glaube aber auch (eigentlich bin ich fest davon überzeugt), dass das sie innerlich auch zerreißt und sie eben weiß, das was zu ändern ist. Nur - wie könnte ich ihr helfen, dass sie den Antrieb findet? Über ihre Freunde und Freundinnen kann ich nicht gehen. Denen gefällt ihre Situation bzw. sie sehen darin kein Problem. Und über ihre Eltern kann ich nicht gehen, weil ich diese nur 2-3x getroffen hatte und sie wohl falsche Annahmen von mit hatten (und noch haben), was meine Interessen an ihrer Tochter angeht.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


derpunkt hat geschrieben:Ihre Eltern mögen nicht vermögend sein - würden sie wohl aber weiter unterstützen (machen sie ja auch).

Ein Vermögen muss ja doch bestehen, wenn sie über so viele Jahre das Leben der Tochter finanzieren. Denn ob nun bei einem Leben im Ausland oder in Deutschland durch Studiengebühren, Unterkunft, Versicherungen, Alltäglichkeiten und zudem einen gewissen Betrag zum Feiern dürften schnell 1000€ zusammenkommen. 12000€ im Jahre über viele Jahre hinweg zahlt man in der Regel nicht aus der Portokasse.

Auf der anderen Seite denke ich auch, dass ein abgebrochenes Studium, Auslandsaufenthalte in denen sie vermutlich ziemlich perfekt Englisch lernte, sowie Tätigkeiten mit Verantwortung (Au-Pair) einem schon gewisse Möglichkeiten bieten. Und auch in den letzten Jahren wird sie sich mit irgendetwas beschäftigt haben.

Das andere Menschen ihre Jobs und ihr Studium ernster nehmen, wird ihr zudem vermutlich auch schon aufgefallen sein. So etwas bemerkt man meistens auch beim Feiern. Und wer weiß, ob sie nicht doch Pläne hat, die sie nur nicht jedem gleich auf die Nase bindet? Denn gerade auf manch unkonventionelle Idee reagiert nicht jeder begeistert.

Sie wird vermutlich auch wissen, dass sie ihr Studium nicht bis zur Rente durchziehen kann. Doch warum sollte sie es jetzt hinwerfen? Weil eine flüchtige Bekanntschaft dies für sinnvoller erachtet?

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» Trisa » Beiträge: 3297 » Talkpoints: 31,17 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Der Dreh- und Angelpunkt wird das Geld sein. Denn wenn sie einfach nur nichts macht, dann bekommt sie doch ihr Leben auch ohne eigene Arbeit finanziert. Solange das die Eltern mitmachen, ist sie auch nicht gezwungen zu handeln. Ob und wann sie dann mal mitbekommt, dass ihr Zug schon lange abgefahren ist, das liegt am Elternhaus.

Ich kenne viele Eltern, wo die Kinder studieren und die finanzielle Situation so ist, dass die Kinder nicht mal Bafög bekommen. Da gibt es aber klare Absprachen, bis wann die Eltern zahlen. Nämlich die Regelstudienzeit und wenn sie die Zeit sinnlos verfeiern, dann ist irgendwann der Geldhahn eben zu. Die mir bekannten Kinder haben ihr Studium alle in der besagten Zeit gemeistert und haben trotzdem auch genug Freizeit mit Freunden genießen können.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



@Trisa: Was das "Vermögen" der Eltern angeht, ist es schlicht so, dass sie ein Einzelkind ist (also die Eltern sich nur um sie "kümmern" müssen), beide Eltern berufstätig sind und die Wohnung wohl schon abbezahlt ist. Sie zahlen der Tochter monatlich 800 Euro, von denen sie aber die Krankenversicherung NICHT zahlen muss. Sie ist auch nicht mehr familienversichert sondern allein für sich (noch als Studentin - aber die Beiträge zahlen die Eltern und kümmern sich um den "Papierkram"). Zusätzlich bekommt sie wohl auch 100-200 Euro unregelmäßig von Zuhause zugesteckt.

Schwierig wird wohl bloß die Zeit gewesen sein, die sie im Ausland mit "Nichtstun" verbracht hat. Sowohl als Au-Pair als auch während des Praktikums hat sie ja fast allein für sich gesorgt (finanziell). Danach war sie eben zu 100% vom Elternhaus abhängig.

Richtig ist, dass ich nur ein "Bekannter" bin. Aber es gab Zeiten, da habe ich sie täglich getroffen. Ein gewisses Vertrauensverhältnis ist da schon da (zumindest gewesen). Ich bin praktisch so eine Art "Großer-Bruder-Ersatz". Von daher glaube ich schon, dass sie "keinen Plan" hat.

Wenn ich mit ihr rede, dann macht sie auch tatsächlich den Eindruck, dass sie sich über ihre Lage bewusst ist. Auch verspricht sie regelmäßig, sich was zu überlegen. Aber ihre Unzufriedenheit mit dem Studium äußert sie schon sein Studienbeginn. Und seit den letzten drei Semestern macht sie wirklich nichts mehr und ich verstehe diese Selbstblockade nicht. Was sie regelmäßig macht, ist das Ausgehen mit ihren Freunden und Freundinnen. Aber die Erfüllung ist es wohl für sie nicht - und kann es nicht sein. Und es geht nicht darum, "alles hinzuschmeißen", sondern endlich was anzufangen.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich frage mich, ob es so einfach damit getan ist, wenn der Bekannten irgendwann von ihren Eltern der Geldhahn zugedreht werden sollte, was vermutlich bald geschehen wird, wenn doch einmal Konsequenzen seitens der Universität folgen sollten, was bei einem Bachelor-Studiengang eigentlich nicht mehr lange dauern dürfte. Wenn ich die Schilderung richtig deute, dann scheint das Problem nicht vorrangig darin zu liegen, dass die junge Frau faul ist oder das Leben auf Kosten ihrer Eltern genießt, vielmehr scheint es so zu sein, dass sie schlichtweg nicht weiß, was sie will. Dass sie sich das irgendwie überlegen muss, wenn es kein Geld mehr gibt, ist mir auch klar, aber vermutlich wählt sie in diesem Falle nur irgendeine Beschäftigung und wieder nicht ihre Herzensangelegenheit, das sollte doch nach Möglichkeit vermieden werden.

Als ich langsam gemerkt habe, dass mir mein jetziges Studium nicht liegt, wurde ich für eine gewisse Zeit auch ziemlich lethargisch und machte nicht mehr viel für die Uni, außer mich mehr oder minder aufnahmefähig in die Vorlesungen zu setzen. Der Aufschwung und der zugehörige Motivationsschub kamen erst, als mir klar wurde, was ich stattdessen gerne machen würde und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Dieser Antrieb scheint zu fehlen. Könntest du der Bekannten nicht ein paar Praktikumsstellen vermitteln oder empfehlen, in denen sie sich austoben und ihr Interessengebiet finden kann? Oder könntest du ihr dabei helfen, Bewerbungsschreiben dafür aufzusetzen? Es geht nicht darum, dass man ihr alles abnehmen sollte; aber wer so lange nichts getan hat, der benötigt vielleicht doch einen kräftigen Tritt in den Hintern.

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


@Anemone: Danke für den Beitrag. Da steht im Grunde drin, was ich ausdrücken wollte. Das Problem ist wirklich nicht, dass sie die "Gutmütigkeit" der Eltern bewusst für ein wildes Leben ausnutzt. Die Partys genießt sie zwar auch, wird aber auch dazu eher von den Freunden und Freundinnen "animiert". Das Wort "lethargisch" trifft die Sache schon eher. Sie weiß wohl definitiv, dass sie in Sachen BWL nichts mehr machen wird. Schon seit wirklich langer Zeit. Aber nur zu wissen, was man nicht will, reicht manchmal nicht. Aber selbst wenn sie sich endlich AKTIV aus der Uni zurückziehen würde, wäre das ein erster Schritt. So wartet sie praktisch, bis die Uni sie exmatrikuliert. Und ich wundere mich auch, dass das noch nicht passiert ist.

Der kräftige Tritt wird es sein, den sie braucht. Aber ich bin hier wohl nicht in der Position, ihr den zu verpassen. Ich kann im Grunde nur appellieren und Vorschläge unterbreiten. Nur kann ich nicht eine Richtung für ihr Leben bestimmen. Was ich übrigens von den Eltern mitbekomme ist es so, dass sie wohl die Tochter bis zur Rente "aushalten" würden. Aber das kann es schlicht nicht sein. Der Vorteil ist aber: sie muss sich mittelfristig keine Sorgen bzgl. ihrer Existenzsicherung machen und ist in der komfortablen Situation, sich voll und ganz auf das zu Konzentrieren, was SIE will. Ich selbst finde schon, dass sie dies nutzen sollte - und sich ihren Luxus vor Augen führen muss!

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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