Arbeitgeber-Verantwortung in Ländern ohne soziales Netz

vom 19.05.2013, 12:58 Uhr

Vor einiger Zeit erfuhr ich von einem Fall aus Ägypten in dem ein ehemalige Mitarbeiter eines touristischen Unternehmens Geld von dem Unternehmen erpressen wollte und dafür auf illegale Aktionen zurückgriff. Dabei schadete er vermutlich weniger dem Unternehmen selbst, als den Gästen und den anderen Mitarbeitern. Das Problem des Unternehmens war es, dass die örtliche Polizei und die Behörden erst einmal wenig unternommen haben.

Ein Gespräch darüber mit einem Bekannten von mir, der selbst ägyptische Wurzeln hat, verwunderte mich jedoch schon. Er war der Meinung, dass der Mann wohl gar keine andere Wahl hatte und die Bedingungen nun einmal nicht so sind wie in Deutschland. In Deutschland gibt es das soziale Netz, was dafür sorgt, dass man auch ohne Arbeit eine angemessene Unterkunft, Nahrung und Geld zur freien Verfügung hat. Ebenso gibt es Arbeitsgerichte, usw.

Allerdings gab es von dem Unternehmen auch eine Stellungsnahme, in der sie erklärten, dass sie die gesetzlichen Kündigungsfristen selbst höher ansetzen und der Mitarbeiter einer von wenigen ist, dessen Vertrag nicht verlängert wurde. Und dies nicht aus wirtschaftlichen Gründen, wie es zur Zeit in Ägypten auch verständlich wäre, sondern aufgrund seiner Arbeitsleistung. Er wusste lange Zeit vorher davon und auch in Deutschland hat man bei einem nicht verlängerten Arbeitsvertrag nun kaum Chancen dagegen vorzugehen.

Wobei ich durchaus verstehen kann, dass jemand verärgert ist und auch eine Arbeitslosigkeit in Ägypten mag härter sein, als in Deutschland. Doch gibt dies einem als Arbeitnehmer das Recht auf illegale Mittel zurückzugreifen? Und kann man wirklich von Arbeitgebern aus einer sozialen Verantwortung verlangen jeden durchzuziehen unabhängig von der Arbeitsleistung?

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» Trisa » Beiträge: 3272 » Talkpoints: 21,36 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Gibt es denn da wirklich kein soziales Netz, also gar keines oder ist es so, dass es auch eine Art Arbeitslosengeld gibt, aber dass das nicht so hoch angesetzt ist wie bei uns? Ich kann mir das gar nicht so richtig vorstellen, denn Ägypten ist doch ein halbwegs modernes Land. Bestimmt haben die auch irgendwelche Unterstützungsformen, nur die werden vielleicht anders aussehen.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Es gibt nichts, was ein solchen Verhalten rechtfertigen würde. Er hätte ja genauso auch Leute bestehlen können und das ist im Endeffekt genauso strafbar wie die Erpressung. Ein schlechtes soziales Netz ist keine Entschuldigung für strafbares Verhalten.

Eigentlich ist auch nicht das soziale Netz unbedingt entscheidend, sondern auch die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt. Ein theoretisches Land mit Vollbeschäftigung und hohen Löhnen bräuchte kein soziales Netz, da die Leute schnell wieder Jobs finden können und selbst für die Vorsorge sorgen könnten. Aber ein solches Land gibt es nicht. Es gibt zwar Länder, die nahe daran kommen, aber sie leisten sich dann trotzdem ein gutes soziales Netz, weil es nicht viel kostet und es die wenigen Betroffenen ganz gut abfängt.

Die Arbeitgeber können auch nur begrenzt Verantwortung übernehmen, egal in welchem Land. Jemand, der schlechte Arbeitsleistung abliefert oder gar schlechte Stimmung verbreitet, ist ein erheblicher Kosten- und Risikofaktor für ein Unternehmen. An Stellen mit Kundenkontakt, was im Tourismus ja kaum vermeidbar ist, gilt das noch viel mehr. Im schlimmsten Fall könnte das Unternehmen pleite gehen und damit würden noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen. Und die wenigen Verursacher würden wahrscheinlich noch nicht einmal wahrnehmen, dass es ihre Schuld war. Von daher muss das Unternehmen solchen Leuten auch kündigen können, gerade weil das soziale Netz schlecht ist.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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