Lesbisch werden ohne je einen Partner zu haben?
Meine gestellte Frage hört sich vielleicht etwas wirr an ist aber aus dem echten Leben gegriffen. Meine Nichte hat sich mit 16 Jahren als lesbisch geoutet. Sie hatte vorher nie einen Freund. Ich habe in keiner Weise etwas gegen Homosexuelle, aber ich frage mich wie man dies feststellen kann ohne vorher beides zumindest mal ausprobiert zu haben. Nun gut, ich habe auch nicht vorher beides ausprobiert um fest zu stellen, dass ich hetero bin, aber ich hoffe ihr wisst was ich meine.
Ihr Outing ist nun 4 Jahre her und sie hat immer mal diese oder jene Liebschaft. Oft ist von großer Liebe und Verlobung die Rede, aber die Partnerschaft zerfällt ebenso schnell wieder, wie sie kam. Vielleicht ist meine Nichte einfach noch nicht an ihrem Ziel angekommen? Weiß noch nicht was sie will? Wie seht ihr das?
Ich denke, dass man durchaus wissen kann, was man will ohne beides ausprobiert zu haben. Man sieht doch beides und wenn man sich dann zu Frauen mehr hingezogen fühlt, dann kann man eben auch wissen, dass man lesbisch ist ohne einen Partner gehabt zu haben. Das heißt ja aber auch nicht, dass sie es nicht irgendwann mal mit einem Mann versuchen kann. Vielleicht kommt die Neugier irgendwann und sie testet es mal. Sicherlich findet sie aber noch die passende Frau oder den passenden Mann und man sollte sich da über die Länge der Beziehungen keine Gedanken machen.
Wie du selbst und Ramones es schon sagten: man muss nicht beides ausprobieren. Du hast es selbst wahrscheinlich nie in Erwägung gezogen, lesbisch sein zu können. Das ist ja auch keine Entscheidung. Man setzt sich nicht hin und geht Pro und Contra durch. Es ist ein Gefühl, das einfach irgendwann erwacht, wenn man 12, 13 oder etwas älter ist. Ich verstehe nicht, warum es ihr anders gehen sollte als es dir ging.
Sicher denken homosexuelle Menschen intensiver über ihre Orientierung nach als heterosexuelle, die einfach der "Norm" entsprechen. Aber ändern lässt sich das dadurch ja auch nicht. Wahrscheinlich wird sie es auch nie mit einem Mann ausprobieren. Warum auch? Sie steht nun mal auf Frauen. Ich weiß auch ohne es auszuprobieren, dass ich nicht auf SM stehe und da ich schon weiß, dass es mir nicht gefallen würde, geht meine Neugierde auch gegen Null.
Dass sie mit 20 Jahren noch wechselhafte Beziehungen hat und anfangs immer himmelhochjauchzend verliebt ist, hat doch auch gar nichts damit zu tun, dass sie lesbisch ist. Das gibt es auch unter heterosexuellen und ist in dem Alter nichts außergewöhnliches. Dass sie immer gleich heiraten will, könnte aber auch damit zusammenhängen, dass sie das Gefühl hat, die Ernsthaftigkeit einer Beziehung mehr beweisen zu müssen. Sie ist bereit eine Frau zu heiraten, damit alle sehen, dass sie wirklich kein Interesse an Männern hat. Vielleicht merkt sie, dass ihr Umfeld noch reagiert als wäre es nur eine Phase.
Homosexualität ist keine Phase. Man kann bisexuell sein und mal mit einem Mann und mal mit einer Frau zusammen sein. Aber wenn man homosexuell ist, dann ist man das von Anfang bis Ende seines Lebens. Allein dein Titel ist deswegen schon falsch. Deine Nichte ist nicht lesbisch "geworden". Sie kam so auf die Welt. Nur, dass es bei Kindern noch keine Rolle spielt, wie ihre Sexualität aussieht. Es zeigt sich erst in der Pubertät. Aber gewesen sind sie es schon immer. Und deine Nichte war auch schon immer lesbisch und wird es auch bleiben.
Wie alle anderen auch schon gesagt haben, muss man nicht beides ausprobiert haben, um zu wissen, auf was oder auf wen man steht. Immer hin hast du auch nicht erst die Frauen ausprobiert und dann die Männer ausprobiert, um dann herauszufinden, dass du auf Männer steht. Sondern, du stehst nur auf Männer, ohne die Frauen ausprobiert zu haben.
Im Großen und Ganzen habe ich auch nichts gegen Lesbische, ich bin mir aber in deinem Fall nicht ganz sicher, ob man mit sechzehn Jahren nicht noch etwas zu jung ist, um zu wissen, was man will oder, worauf man steht. Ich denke, dass das jetzt irgendwie nur eine Phase von deiner Nichte ist und sie sich jetzt noch mehr zu Frauen hingezogen fühlt und sich das eventuell noch ändern kann. Vielleicht fühlt sie sich momentan so zu Frauen hingezogen, weil sie sich beispielsweise mit ihrer besten Freundin richtig gut versteht und mit ihr alles teilen, kann und desgleichen, sodass sie vielleicht das Gefühl der Zuneigung und der Liebe vertauscht. Ich bin eh der Meinung, dass man mit sechzehn Jahren noch gar nicht wissen kann, was Liebe ist, deshalb denke ich auch, dass sie die Zuneigung zu ihrer Freundin mit der Liebe verwechselt.
Natürlich kann es auch wirklich sein, dass sie lesbisch ist und das einfach nur früh genug erkannt hat. Aber, dann finde ich es richtig toll, dass sie sich getraut hat, sich zu outen. Immer hin hört und liest man ja sehr oft, dass sich die Leute nicht trauen sich zu outen, aus Angst vor ihrer Familie und desgleichen.
@Lythliar: Ich verstehe nicht, wie du darauf kommst, dass man erst "ausprobieren" muss, bevor man sich seiner sexuellen Präferenz sicher ist. Da stellen sich mir die Fragen, wie viele gleichgeschlechtliche Partner du hattest, um festzustellen, dass du nicht homosexuell bist. Bzw. wie viele Geschlechtspartner des anderen Geschlechts notwendig waren, um festzustellen, dass du homosexuell bist. Und man könnte diese Frage weiter spinnen: wie hast du herausgefunden, dass du kein Anhänger oder Anhängerin der sexuellen Nutzung von Tieren?
Ich denke, deine Nichte wird sich mit 16 Jahren schon im Klaren darüber sein können, dass sie keinen Mann erregend findet bzw. sich von Frauen angezogen fühlt, ohne vorher in der einen oder anderen Richtung "Erfahrungen" gesammelt zu haben. Und das "Phänomen", dass die Nichte immer wieder neue Liebschaften hat, die als große Liebe gesehen werden und dann doch zerbrechen, ist sicher ein unheimlich weit verbreitetes Phänomen. Egal ob homo- oder heterosexuell.
Lesbisch wird man nicht, sondern man ist es. Viele merken es vielleicht erst später, weil sie es sich selber nicht eingestehen wollen. Aber im Prinzip ist es einem in die Wiege gelegt, ob man homosexuell oder heterosexuell ist. Deswegen kann es doch durchaus sein, dass deine Nichte dies schon lange weiß und eben mit 16 ihr Outing war. Warum sollte man ausprobieren müssen, welche sexuelle Gesinnung man hat und wem man sich hingezogen fühlt. Ich habe noch nie etwas mit einer gleichgeschlechtlichen Person gehabt und weiß dennoch, dass ich heterosexuell bin. Und warum sollten homosexuelle Leute dann unbedingt was mit einem gegengeschlechtlichen Partner was haben müssen um das festzustellen?
Meiner Meinung nach gibt es Abstufungen beim menschlichen Sexualverhalten, die zwischen praktisch 100% homo- und absolut heterosexuell angesiedelt sein können. Manche Menschen wissen von Vornherein, dass sie nur auf Frauen/Männer stehen, andere sind da flexibel oder unterliegen irgendwelchen Zwängen, sodass sie nicht von Anfang an souverän zu ihren Präferenzen stehen können.
Deiner Nichte war halt von Vornherein klar, dass sie Frauen attraktiv findet. Vielleicht bleibt das ihr Leben lang so, vielleicht entdeckt sie das Singledasein oder vielleicht(!) schleppt sie auch mal einen Mann an. Ob sie vielleicht doch aus bloßer "Verwirrung" und Unerfahrenheit jetzt schon seit Jahren, bildlich gesprochen, im falschen Becken fischt und schon noch zur heterosexuellen Seite wechseln wird, können nur Menschen beurteilen, die sie kennen. Aber da sie jetzt 20 sein müsste, glaube ich kaum, dass sie noch auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität ist.
Die Vorstellung, man müsse zumindest mal was mit dem anderen Geschlecht angefangen haben, um sicher schwul/lesbisch zu sein, halte ich für ebenso absurd wie meine Vorredner. Wenn jemand hetero ist, zieht das ja auch niemand in Zweifel.
Lythliar hat geschrieben:aber ich frage mich wie man dies feststellen kann ohne vorher beides zumindest mal ausprobiert zu haben. Nun gut, ich habe auch nicht vorher beides ausprobiert um fest zu stellen, dass ich hetero bin, aber ich hoffe ihr wisst was ich meine.
Ehrlich gesagt verstehe ich das nicht. Ich verstehe nicht, warum für Homosexuelle irgendwelche anderen Regeln als für Heterosexuelle gelten sollen. Wenn du weißt, dass du nichts von Frauen willst (ich nehme mal an, dass du eine Frau bist), ohne jemals mit einer Frau eine Beziehung oder Sex gehabt zu haben, kann sie doch auch wissen, dass sie nichts von Männern will.
Und die Tatsache, dass sie mit zwanzig jetzt noch nicht die Frau fürs Leben gefunden hat, ist jetzt auch nicht weiter verwunderlich und ist sicher kein Beweis für deine These, dass sie doch mal einen Mann "ausprobieren" sollte. Es gibt auch genug Heterosexuelle, die in dem Alter noch am Suchen sind oder sich auch bewusst noch nicht festlegen wollen.
Ich verstehe auch nicht ganz, wie du auf diese Frage kommst und davon ausgehst, dass Homosexuelle erst irgendwas ausprobiert haben müssen. Es gibt sicher Homosexuelle, die erst das andere Geschlecht "ausprobiert" haben und dann fest gestellt haben, dass sie damit nichts anfangen können. Aber ich zum Beispiel wusste auch schon immer, dass ich Männer/Jungs anziehender finde, auch ohne eine Beziehung gehabt zu haben. Hast du mal eine Beziehung mit einer Frau (wenn du selbst eine bist) gehabt, um ausschließen zu können, dass du nicht lesbisch bist? Wie kannst du dir denn da sicher sein, wenn du nie etwas mit einem gleichgeschlechtlichen Partner hattest? Du sagst doch selbst, dass du beides vorher nicht ausprobiert hast, warum erwartest du dass denn dann von Homosexuellen?
Und solche unbeständige Beziehungen sind doch bis zu dem Alter noch total normal. Wie viele (heterosexuelle!) Paare ich kenne, die ewig zusammen waren, verlobt waren und so weiter und dann ist alles auseinander gegangen. Oder die, die eben nur mal hier und da Liebschaften haben. Ich fände es toll, wenn sich meine Nichte so früh darüber im Klaren ist und auch öffnen würde, ohne jahrelang ein Geheimnis daraus machen zu müssen. Muss man das echt noch hinterfragen?
Auch ich verstehe den Zusammenhang nicht wirklich. Auch nicht jeder Mensch der heterosexuelle orientiert ist, hat mal eine schwule oder lesbische Beziehung gehabt und weiß trotzdem, dass er heterosexuell ist.
Kann es einfach sein, dass sich da zu viele gesellschaftliche Grunderwartungen manifestiert haben? Das man, auch wenn man das eigentlich gar nicht möchte, doch Vorurteile gebildet haben, die man an sich nicht wirklich wahr haben will? Denn die gesellschaftliche Grunderwartung ist nun mal, dass Männlein mit Weiblein eine Beziehung haben. Die Strukturen weichen zwar immer mehr auf. Wenn man aber selbst nicht wirklich betroffen ist, sieht man die gleichgeschlechtlichen Beziehungen anderer doch noch mit den konservativen Augen der Gesellschaft.
Lesbisch oder schwul sein sucht man sich nicht aus. Aber man entscheidet sich irgendwann dazu. Ich finde es sinnvoller, klar dazu zu stehen, wenn man sich lieber gleich geschlechtlich orientieren mag, als wenn man, um den gesellschaftlichen Ansprüchen zu entsprechen, erst mal mit dem anderen Geschlecht eine Beziehung einzugehen.
Das ich dazu bekennen, ohne den Umweg über eine "normale" Beziehung zu machen, ist in meinem Augen auch ehrlicher und fairer allen Beteiligten gegenüber. Klar denkt man bei jeder zerbrochenen Beziehung darüber nach, ob der Ex-Partner einen überhaupt geliebt hat. Als Ex-Beziehung eines Menschens, der sich zur Homosexualität erst später bekannt hat, wird man immer das Gefühl haben, zusätzlich zu den generell Gefühlen, die man nach einer beendeten Beziehung hat, dass der Partner einen nur als Testobjekt wollte.
Je mehr Menschen sich von dem Gedanken verabschieden (können), dass nun mal Männlein und Weiblein zusammen gehören, um so weniger Alibi - Beziehungen müssen geführt werden.
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