Welcher Prozess findet statt, wenn man Gänsehaut bekommt?

In diesem Thread klick fragte ich ja, wann man Gänsehaut bekommt. Mich würde ja mal interessieren, welcher Prozess im Körper statt findet, wenn man Gänsehaut bekommt. Bei Kälte ist es ja so, dass ich mir vorstellen kann, dass sich eben die Haut irgendwie schützt und zusammenzieht. Aber da man ja auch in anderen Situationen Gänsehaut bekommt, muss ja irgendwas im Körper statt finden, was diese Gänsehaut auslöst.

Warum bekommt man also in manchen Situationen Gänsehaut und was geschieht da mit uns? Warum zieht die Haut sich bei gefühlvollen Dingen zusammen oder auch dann, wenn man was schreckliches hört oder sieht? Was bewirkt dann die Gänsehaut an unserem Körper?

Gänsehaut entsteht durch das Zusammenziehen der Muskeln, an denen die Haare sitzen, den Haarbalgmuskeln. Sie ziehen sich zusammen und dadurch richtet sich das Haar auf. Bei Kälte ist dies einigermaßen sinnvoll, da so mehr Luft zwischen den Haaren festgehalten wird, was etwas wärmt. Sicher war es früher sinnvoller, als der Mensch noch sehr viel behaarter war.

Warum es bei guter Musik oder schrillen Geräuschen passiert, ist mir aber auch ziemlich schleierhaft. Bei Geräuschen, die Gefahr bedeuten könnten, würde ein sehr behaarter, nackter Körper größer und damit gefährlicher aussehen, so dass ein möglicher Angreifer Reißaus nimmt. Bei guter Musik ist es vielleicht einfach die Spannung, die jeden Muskel im Körper dazu bringt, sich anzuspannen und das betrifft eben zufällig auch diese Haarmuskeln.

Jedes Woll- oder Lanugohaar, und das sind die Körperhaare des Menschen, ist mit einem kleinen Muskel ausgestattet, dem Haarbalgmuskel, Musculus arrector pili. Kontrahiert dieser, richtet sich das Haar auf, nimmt quasi ein Stückchen Haut mit in die Höhe und dadurch entstehen auf der Haut die kleinen Hubbel (medizinisch: Pseudopapeln). Für uns Menschen hat das keine Funktion mehr, aber ursprünglich bewirkt das Aufrichten der Haare (so die Haut gut behaart ist) einerseits eine Isolation der Körperoberfläche bei Kälte und anderseits wird das Lebewesen optisch vergrößert, es wirkt dadurch auf sein Gegenüber imposanter. Deshalb sträuben beispielsweise Hunde unwillkürlich bei Stress ihr Fell auf dem Rücken und Katzen u.a. die Schwanzhaare.

Auch wenn das Aufstellen der Haare für uns keine Bedeutung mehr hat, ist es immer noch genetisch verankert. Dadurch wird es vererbt, aber wie das bei Vererbung so ist: Bei dem einen mehr, beim anderen weniger. Deshalb ist die Ausprägung einer Gänsehaut von Mensch zu Mensch verschieden. Willkürlich beeinflussen kann man das nicht, da das Phänomen vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird. Das ist auch mit ein Grund, warum ein Mensch z.B. bei bestimmten Eindrücken eine Gänsehaut bekommt, die einen anderen völlig unberührt lassen: Hier wurde im Gehirn emotionelles Empfinden auf eine Erfahrung wie Musik, Geräusche, visuelle Eindrücke etc. abgespeichert und wenn ein vergleichbares Erleben eintritt, reagiert das vegetative Nervensystem darauf. Die Haarmuskeln sind über Nervenbahnen direkt via Rückenmark mit dem ZNS verbunden, die Reaktion erfolgt also prompt. Fast immer geht mit einer Gänsehaut eine erhöhte Schweißabgabe einher, was zu einer Senkung der Hauttemperatur führt – der Betroffene fröstelt.

Interessant ist für einige vielleicht auch, warum sich den meisten Menschen beim Quietschen der Kreide auf der Tafel oder dem Messer auf dem Teller die Haare sträuben und sie sich gestresst fühlen. Das führt man darauf zurück, dass auch der Mensch in gleicher Weise wie viele Affen (Schimpansen!) und andere Tiere genetisch festgelegt einen bestimmten Warnruf hatte. Dieser menschliche Warnruf soll die gleiche Frequenz wie diese unangenehmen Geräusche gehabt haben. Den Warnruf kennt kein Mensch mehr bewusst, im Erbgut ist er aber immer noch determiniert.