Darf ein Arbeitgeber eine Schweigepflichtentbindung fordern?

vom 01.05.2013, 00:03 Uhr

Frau A. ist schon seit 20 Jahren im selben Unternehmen angestellt. Vor drei Jahren gab es einen Wechsel ihrer Vorgesetzten und da kam es immer wieder zu Problemen und auch der Betriebsrat wurde eingeschaltet. Trotzdem erledigte Frau A. immer zuverlässig ihre Aufgaben.

Nun ist Frau A. schon seit längerem im Krankenstand. Ab Juni ist geplant einen Wiedereingliederungsversuch zu starten. Frau A. ist mit ihrer Erkrankung offen umgegangen und an sich wissen ihre Arbeitgeber was die Probleme sind. Nun fand die Woche ein Gespräch mit der Personalleitung statt. Dort wurde Frau A. ein Aufhebungsvertrag vorgelegt und man bat sie darum, darüber mal nachzudenken. Sie konnte den Aufhebungsvertrag aber mitnehmen und wurde nicht vor Ort zu einer Unterschrift gezwungen.

Gleichzeitig legte man ihr ein Schriftstück vor, welches sie unterschrieben wieder der Firma übergeben soll. Dort soll Frau A. ihre behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und die Ärzte sollen Auskunft über den Krankenstand von Frau A. geben. Es wird in dem Schriftstück um Prognosen der Ärzte gebeten, wie lange Frau A. wohl noch krank sein mag, ob mit Rückfällen zu rechnen ist, ob die Beantragung einer Erwerbsunfähigkeitsrente nicht sinnvoller wäre und so weiter.

Generell kann Frau A. natürlich verstehen, dass die Arbeitgeber diese Informationen gerne hätten. Allerdings hat Frau A. auch Sorge, dass man versucht sie so aus dem Unternehmen zu bekommen. Frau A. macht sich auch Gedanken darüber, dass die Arbeitgeber dann ständig bei ihren Ärzten anrufen können und Auskunft über sie bekommen.

Darf ein Arbeitgeber eine Schweigepflichtentbindung fordern? Wie sollte sich Frau A. in dem genannten Fall am besten verhalten?

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Meines Erachtens ist das Verlangen einer Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht widerrechtlich. Vielleicht kann, da bin ich mir nicht sicher, der Arbeitgeber verlangen, dass man sich sein Kranksein von einem weiteren Arzt, vielleicht einem Betriebsarzt, noch einmal bestätigen lässt, aber auch da könnte es sein, dass das nicht rechtens ist, denn das Vorschreiben eines Arztes könnte ein Verstoß gegen das Recht auf freie Arztwahl darstellen. Ich weiß nicht, ob ein Arbeitgeber in manchen Fällen die Möglichkeit hat, so etwas durchzusetzen, beispielsweise bei Verdacht auf den Versuch, betrügerischerweise von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu profitieren, aber ich denke, selbst das würde es nicht rechtfertigen, den Arbeitgeber dazu zu verpflichten, seinen Arzt zu veranlassen, seine ärztliche Schweigepflicht zu brechen.

Zur Sicherheit würde ich auf jeden Fall dazu raten, einen Anwalt zu konsultieren. Der hat auch die notwendigen Paragraphen parat und kann dem Arbeitgeber einen freundlichen Brief schicken, in dem er erklärt, dass dessen Forderungen unrechtmäßig sind. Möglicherweise lässt sich, wenn wenig Geld vorhanden ist, auch über soziale Hilfswerke ein Anwalt auftreiben, oder vielleicht, je nach Beruf, auch über die Gewerkschaft?

Bedenken sollte Frau A. allerdings, dass das Betriebsklima gerade nach dem Einschalten eines Anwalts nicht das beste sein wird. Andererseits scheint es sowieso schon katastrophal zu sein, wenn man ja direkt versucht, Frau A. rauszuekeln. Auf lange Sicht macht die Arbeit dort also wohl sowieso keinen Sinn. Es würde wohl eine große seelische Belastung geben, denn es wird von allen Seiten Attacken geben, und sich seelisch zu ruinieren, des Berufes wegen, macht auch keinen Sinn. Allerdings ist es natürlich eine schwierige Situation, denn wenn Frau A. kündigt, hat sie wohl erst einmal keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wegen angeblich selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit. Dass Mobbing der Kündigungsgrund war, interessiert leider selten! Vielleicht wäre es, sofern möglich, das Beste, wenn Frau A. versucht, eine andere Stelle zu bekommen, um schon einmal Ersatz parat zu haben, wenn sie ihre aktuelle Arbeitsstelle, an der sie ohnehin unerwünscht zu sein scheint, verlässt.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Von der Schweigepflicht über die Art der Krankheit muss nicht entbunden werden, aber der Arbeitgeber kann verlangen, dass die Frau zum Betriebsarzt geht und dieser darf Auskunft über die voraussichtliche Dauer der Erkrankung geben, also eine Prognose stellen, wann und ob die Frau wieder arbeiten darf. Dann kann der Arbeitgeber unter bestimmten Umständen kündigen. Aber hier gibt es strenge Regeln. Soziale Aspekte des Arbeitnehmers müssen berücksichtigt werden. Außerdem ist auf jeden Fall der Betriebsrat einzuschalten und das Unternehmen muss nachweisen, das betriebliche Interessen geschädigt werden, wenn dem Arbeitnehmer nicht gekündigt wird.

Es darf vom Arzt also eine Prognose über die Dauer der Krankheit ausgestellt werden, aber nicht über die Art. Die Frau muss den Arzt nicht von der Schweigepflicht diesbezüglich entbinden.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Das klingt ziemlich danach, als wolle man Frau A aus der Firma bekommen. Ich würde mir deswegen dann auch rechtlichen Rat einholen und mich beraten lassen. Vorstellen kann ich mir aber auch nicht, dass das erlaubt ist und das ein Arbeitgeber das so machen kann. Das klingt vor allem auch irgendwie nach Erpressung. Legst du alles offen kannst du bleiben, ansonsten musst du dir eine neue Stelle suchen. Fair ist irgendwie anders. Sicherlich möchte man als Arbeitgeber wissen, was da los ist, aber man kann das sicherlich nicht verlangen.

Rechtliche Beratung erscheint hier sinnvoll und notwendig. Ein Anwalt kann da weiterhelfen und auch dafür sorgen, dass Frau A eben nicht so leicht aus dem Betrieb entfernt wird, weil das ja offensichtlich das Ziel ist. Natürlich wird das der Stimmung nicht gut tun, aber die ist ja eh schon schlecht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



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