Neue Bekanntschaft, die nur über ihre Probleme sprechen will

vom 27.04.2013, 21:20 Uhr

Während meines Studiums habe ich in einer WG gewohnt. Seit einiger Zeit hatte ich einen neuen Mitbewohner und lernte nach und nach auch seine Freunde kennen. Eines Tages kam ich in die Küche und dort saß ein junger Mann. Es war ein Freund meines Mitbewohners. Mein Mitbewohner war allerdings in seinem Zimmer. Daher habe ich mich ein wenig mit ihm unterhalten.

Ich weiß nicht, was oder wie ich es gesagt habe, aber irgendwie mochte er mich wohl von Anfang an. Seit diesem Tag kam er immer öfter und wollte sich viel lieber mit mir unterhalten als mit meinem Mitbewohner, mit dem er ja eigentlich befreundet war. Das ist an sich ja auch in Ordnung. Das ist ja ein ganz normaler Weg neue Leute kennenzulernen. Das Problem war nur, dass er psychisch etwas labil war. Obwohl er kein wirkliches Problem hatte, ging es ihm nicht gut.

Es ging eine ganze Weile so, dass ich sein Ansprechpartner war, wenn er jemanden zum Reden brauchte. Aber ich wurde dabei immer hilfloser. Da er kein echtes Problem hatte, konnte ich ihm auch keine echte Lösung anbieten. Es wurde also nicht besser und wir haben nur immer wieder über das gleiche geredet. Hinzu kommt, dass ich eine ausgesprochene Frohnatur bin, die kein bisschen mit Depressionen zu kämpfen hat. Ich weiß, dass es eine Krankheit ist, aber daher kann ich es nicht wirklich nachempfinden.

Mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass er unbedingt professionelle Hilfe braucht. Er hatte sich in ein Mädchen verliebt, sie sich aber nicht in ihn und trotzdem hat er sie sehr bedrängt. Er hatte wohl sowas wie einen Blackout. Aber da wurde es mir echt zu viel. Ich habe versucht, es ihm klar zu machen, dass ich ihm nicht helfen kann. Aber als er trotzdem immer wieder kam, weil wir ja befreundet waren - wir dann aber trotzdem wieder nur über ihn und seine "Probleme" geredet haben - habe ich ihm einen Brief in den Rucksack gesteckt, in dem klipp und klar stand, dass ich ihn nicht wiedersehen will.

Ich weiß, dass das nicht sehr nett war, aber ich konnte einfach nicht mehr. Ich würde alles für meine Freunde tun und mit denen monatelang ihre Probleme durchkauen, wenn es sein muss. Aber diesen Menschen kannte ich ja vorher gar nicht. Ich hatte nie etwas Schönes oder auch nur Neutrales mit ihm erlebt. Wir hatten keine gemeinsame Vergangenheit. Wir waren nie außerhalb meiner Küche. Es hat mich einfach zu sehr runtergezogen und ich konnte ihm auch überhaupt nicht helfen.

Er war aber in psychologischer Behandlung als ich mit ihm "Schluss gemacht" habe, hatte aber sein Studium unterbrochen. Er hat mir dann eine E-Mail geschrieben, dass er es verstehen kann und dass er mir dankbar ist, aber trotzdem war er wohl sehr enttäuscht. Seit dem weiß ich nicht, was aus ihm geworden ist.

Habt ihr schon einmal etwas ähnliches erlebt? Hättet ihr intensiver versucht, ihm zu helfen oder könnt ihr verstehen, dass ich es nicht konnte? Seht ihr auch den Unterschied zu einer Person, mit man jahrelang befreundet ist und die man kennt? Oder war es schon Hilfe genug, dass ich zugehört habe und das hätte ich weiterhin tun sollen?

Benutzeravatar

» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich kann das schon gut nachvollziehen. Immerhin kanntest du den jungen Mann ja nun auch noch nicht so lange und sicherlich kann man dann in einer Kennenlernphase auch mal eine schlechte Phase haben aber nur über so ein Thema zu reden, kann da schon doof sein. Ich finde es gut, wenn man das dann auch klar äußert, wenn man nicht mehr kann und deswegen ist auch der Brief von dir, egal wie schlimm geschrieben er war, gut gewesen.

Vielleicht kannst du ja auch noch mal per Mail nachfragen, wie es ihm geht, wenn es dich interessiert. So eine Therapie kann aber sicherlich auch ganz lange dauern. Wenn er aber eingesehen hat, dass das nicht in Ordnung von ihm war, dann sollte man es auch dabei belassen.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich da nicht so bin, dass ich die Leute dann wegschicke. Sicherlich auch, weil ich Psychologin werden will. Mir kann es dabei eigentlich nicht kompliziert genug sein und oftmals fangen auch wildfremde Menschen an mit mir zu reden. Warum weiß ich nicht, aber ich finde das nicht schlimm und höre zu. Es gibt da natürlich auch Grenzen. So würde ich beispielsweise nur für Freunde nachts aufstehen und mit ihnen telefonieren und darüber reden oder sie hineinlassen, aber sonst stört mich da nichts.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich mag es auch nicht, wenn andere nur über ihre Probleme erzählen. Es ist sicher mal möglich, dass man im Rahmen des gemeinsamen Unterhaltens auch etwas schwierigere Situationen im eigenen Leben anspricht, weil der andere vielleicht einen guten Tipp parat haben könnte oder man sich bei diesem zumindest mal „auskotzen“ kann. Aber immer nur Negatives zu berichten, immer nur hilflos und unselbstständig zu wirken, das macht einen Menschen auch nicht gerade zu einem willkommenen Gesprächspartner.

Vor allem zieht einen das ja auch selber herunter und wenn man den Eindruck hat, jemandem gar nicht helfen zu können, dann ist auch kein Ende in Sicht. Ich denke, dass ich mich da auch distanziert hätte. Solche Personen klammern sich vielleicht generell zu sehr an andere und wenn man denen dann stundenlang verständnisvoll zuhört, tut man ihnen vielleicht gar keinen Gefallen, weil sie dadurch ja nicht lernen, sich selbst um die eigenen Probleme zu kümmern. Stattdessen lädt er immer alles bei anderen Menschen ab und das nützt ihm auch nichts, dadurch verbessert er seine Kompetenzen nicht. Vielleicht war das also ganz richtig, was Du gemacht hast.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich habe so etwas noch nicht erlebt, kann aber gut verstehen, dass du nicht mehr helfen konntest und einen Schlussstrich gezogen hast. Sicher wirkt es etwas gemein, dass du dem jungen Mann einen Brief in den Rucksack gesteckt hast, aber du hast ja auch geschrieben, dass du vorher mit ihm geredet hast und ihm gesagt hast, dass du ihm nicht helfen kannst. Wenn er auf diese Hinweise nicht reagiert und trotzdem immer wieder kommt, dann muss man sich eben etwas einfallen lassen und das hast du mit dem Brief getan.

Ich kann gut verstehen, dass dich die Gespräche noch mit fertig gemacht haben, weil du ja auch nicht wirklich helfen konntest. So war ja irgendwie auch keine Verbesserung möglich. Darum denke ich, dass ich auch nicht intensiver versucht hätte, dem jungen Mann zu helfen. Wenn es bei den Gesprächen wirklich immer nur um seine Probleme ging, dann war es wirklich viel besser, dass er sich professionelle Hilfe gesucht hat.

Es ist verständlich, dass er enttäuscht war, weil er sicher gerne mit dir geredet hat, aber er muss doch auch einsehen, dass es so nicht geht. So kann man ja auch keine wirkliche Freundschaft aufbauen, wenn man immer nur von sich selber redet und nicht beide Seiten berücksichtigt.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



In so einer schwierigen Situation war ich zwar noch nicht, aber ich finde du hast das Richtige getan. Du kanntest ja diesen Jungen vorher noch nicht und du bist ja keine Psychologin. In manchen Fällen kann wohl nur der Experte helfen. Für mich wäre es auch sehr belastend gewesen, nur über seine Probleme zu reden. Schließlich hat man schon selbst genug Probleme im Leben.

Wenn du dich fragst wie es ihm jetzt geht und was er jetzt macht, schreib ihm doch einfach eine Mail oder ruf ihn am besten an.

» TanjaB » Beiträge: 33 » Talkpoints: 9,99 »


Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie du dich gefühlt hast und ich denke, dass ich selbst in so einer Situation nicht anders reagiert hätte. Immerhin möchte man ja nett sein und der anderen Person helfen, wobei man sich dabei nicht selbst kaputt machen darf. Und wenn man merkt, dass einen eine andere Person nur noch herunter zieht und dass es einem immer wieder schlecht geht wegen einer anderen Person, dann ist es tatsächlich besser, den Kontakt abzubrechen.

Auch wenn man vielleicht ein schlechtes Gewissen hat, dass man die andere Person im Stich gelassen hat, ist das die beste Lösung. Man kann einfach nicht immer nur an andere Menschen denken, sondern man muss auch ab und zu egoistisch im Leben sein. Das eigene Wohl ist doch nicht weniger wichtig, als das Wohl einer anderen Person und wenn man merkt, dass es einem durch eine andere Person schlecht geht, dann muss man auch etwas dagegen tun, da man nur noch selbst kaputt gehen würde.

Hättest du den Kontakt zu dem jungen Mann gehalten, dann wärt ihr im Endeffekt wahrscheinlich beide an seinen Problemen zerbrochen. Du konntest ihm ja nicht helfen, was allerdings nicht deine Schuld war. Immerhin bist du ja kein Therapeut und hast keine Ausbildung in dieser Hinsicht, weshalb du dir auch keine Vorwürfe machen solltest. Du hast ja jederzeit versucht, die Person aufzuheitern und ihr hilfreiche Tipps zu geben.

Da das jedoch nicht geklappt hat, ging es dir selbst nur schlecht, während sich bei dem jungen Mann nichts geändert hat. Im Endeffekt wäre es dir ja selbst immer schlechter gegangen, wenn du dir die ganzen Probleme weiterhin angehört hättest und helfen hättest du dem jungen Mann ja trotzdem nicht können. Von daher wäre es unsinnig gewesen, noch weiterhin diese Freundschaft aufrecht erhalten zu wollen und ich finde, dass du ganz richtig gehandelt hast.

Eine richtige Freundschaft muss ja auch auf Gegenseitigkeit beruhen. Man muss sich gegenseitig trösten und sich gegenseitig zur Seite stehen. Dabei muss man nicht nur miteinander weinen, sondern auch miteinander lachen können. Man muss verschiedene Situationen miteinander erleben können und verschiedene Situationen durchstehen. In einer Freundschaft gehört es dabei auch dazu, sich zu trösten, wenn es einem schlecht geht, wobei man trotzdem auch Spaß miteinander haben können sollte. Man sollte nicht nur Negatives mit der anderen Person verbinden, sondern man sollte auch an schöne Zeiten zurück denken können, in denen man Spaß hatte und in denen man etwas Schönes gemeinsam unternommen hat.

Das war ja alles bei dir nicht der Fall und die Freundschaft war sehr einseitig. Ihr habt nie etwas gemeinsam unternommen und ihr habt auch nie die Gelegenheit gehabt, miteinander Spaß zu haben und miteinander zu weinen. Von daher hatte diese Freundschaft von Anfang an keine Chance, wie ich finde. Eine Freundschaft besteht doch aus so vielen Facetten, wobei ihr nur eine einzige kennen gelernt habt. Das ist jedoch keine Grundlage und das könnte auf Dauer auch nicht funktionieren, ohne dass zumindest einer der beiden irgendwann unzufrieden wird. Von daher ist es nur verständlich, dass du den Kontakt dann nach einiger Zeit auch nicht mehr aufrecht erhalten wolltest und das würde wohl jeder anderen Person nicht anders gehen, da das völlig verständlich und nachvollziehbar ist.

Benutzeravatar

» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^