Lange kaum Kontakt zum Vater? Aussprache noch möglich?

vom 25.04.2013, 08:39 Uhr

Meine Eltern haben sich getrennt als ich 12 Jahre alt war, also vor 20 Jahren. Meine Mutter hat mir erzählt, dass mein Vater sich geweigert hat aus dem gemeinsamen Haus auszuziehen, weil er sich ja nicht trennen wollte. Daraufhin musste meine Mutter also mit 5 Kindern umziehen. Dadurch sind wir 500 km weit weg gelandet, weil der Vater meiner Mutter dort noch ein Haus hatte. Das war die beste und eigentlich einzige Lösung, weil es eine mietfreie Lösung war.

Seit dem Umzug habe ich meinen Vater immer nur gesehen, wenn wir die Großeltern, also seine Eltern, besucht haben. Das kam wegen der Entfernung auch nicht sehr häufig vor. Vielleicht 2-3 Mal im Jahr. Seit ein paar Jahren sind alle meine Großeltern gestorben und somit gibt es keinen Grund mehr, dorthin zu fahren. Mein Vater hat die 500 km in den ersten Jahren nach dem Umzug zwei Mal bewältigt und hat uns besucht.

Wenn ich meinen Vater zu den seltenen Gelegenheiten sehe, ist er immer sehr freundlich, er nennt mich "Schätzchen" und sagt, wie schön es ist, mich wiederzusehen. Aber gerade das widerstrebt mir so. Wenn er mich so gerne sieht, wäre es an ihm gewesen, das in den letzten 20 Jahren zu tun. Seit Jahren gibt dieses Thema mir und meinen Geschwistern Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. Mein kleiner Bruder hat mittlerweile sogar richtig Kontakt zu ihm, hat ihn besucht und ihn auch auf seine Hochzeit eingeladen. Meiner kleinen Schwester ist der Mann total egal.

Meine große Schwester wird dieses Jahr heiraten und obwohl sie immer besonders gegen unseren Vater war und wie er sie "meine Maus" nennt, wird sie ihn einladen. Das geht auf den Einfluss ihres Verlobten zurück, der seinen Vater relativ früh verloren hat und die Sache daher etwas anders sieht. Also werde ich meinen Vater noch dieses Jahr wiedersehen, obwohl ich erwartet hatte, dass das nicht so schnell wieder passiert.

Ich hatte immer Angst vor einer Aussprache mit ihm, weil er mich dabei einfach an die Wand geredet hätte. Ich denke, er hat sich die Geschichte so zurechtgelegt, dass er nichts falsch gemacht hat, sondern alles an meiner Mutter lag. Und mittlerweile glaubt er die Geschichte wahrscheinlich auch. Er hat auch mal gesagt, er wäre wegen Rot-Grün arbeitslos, dabei hat er schon Jahre vorher aufgehört, regelmäßige Jobs zu haben. Mittlerweile wäre ich sogar so weit, dass ich nur von ihm hören will, dass es doof gelaufen ist und dass er es nicht nochmal so machen würde. Aber dieses Friede, Freude, Eierkuchen mag ich einfach nicht. Und es ist auch nicht fair meiner Mutter gegenüber, die 5 Kinder alleine großziehen musste.

Eigentlich bräuchte ich auch gar keine Aussprache oder irgendwas. Ich habe keine Erinnerungen an ihn aus meiner Kindheit. Der Mann ist mir eigentlich egal. Aber er ist nun mal trotzdem mein Vater. Und ich hab Angst davor, dass ich es irgendwann aufarbeiten will und es dann dafür zu spät ist, weil er schon gestorben ist. Dabei glaube ich, wie gesagt, gar nicht, dass eine Aufarbeitung möglich ist. Aber bisher hab ich ja noch kein einziges Wort von ihm dazu gehört.

Habt ihr ähnliches erlebt? Hattet ihr auch wenig Kontakt zu eurem Vater? Habt ihr darunter gelitten? Oder war es euch egal und habt es dann nach seinem Tod bereut? Oder hattet ihr eine Aussprache? Ist sie gut verlaufen oder hat sie euch nur noch weiter auseinander gebracht?

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich denke, dass du dich mit ihm aussprechen solltest, weil du dir ja jetzt schon Gedanken darüber machst, was sein könnte, wenn du es nicht mehr kannst. Es kann ja immer schnell gehen und dann kann man das Gespräch nicht mehr führen. Es ist sicherlich keine angenehme Sache, aber ich denke, dass es dir helfen würde, damit leben zu können. Du kannst deine Argumente vorbringen und er kann die Wahrheit sagen oder lügen, so ist es eben, aber du hast es dann gesagt und ich denke, dass dir das ganz gut tun würde.

Ich habe einen Vater, der immer für mich da war und deswegen kann ich dir nun nicht sagen, wie dein Vater reagiert, aber ich denke, dass ein Gespräch gut für euch beide wäre. Zumal ja auch deine anderen Geschwister damit zu kämpfen haben, auch wenn sie es vielleicht nicht immer so zugeben.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Meine Eltern haben sich damals auch getrennt, als ich vier oder fünf Jahre alt war. Das ist nun auch schon ein paar Jahrzehnte her. Es war damals so, dass mein Vater ausgezogen ist. Weshalb sich meine Eltern getrennt haben oder desgleichen, weiß ich nun nicht.

Auf jeden Fall hat mein Vater es damals auch nicht in Betracht gezogen, den Kontakt zu mir und meinem Bruder, zu pflegen. Am Anfang hat er nur ein paar Häuser weiter weg von unserem Haus gewohnt, und trotzdem ist er nie auf die Idee gekommen, uns zu besuchen. Wenn wir ihn denn mal besuchen wollten, hatte er merkwürdigerweise keine Zeit, obwohl ich mich auch nicht daran erinnern kann, dass er jemals Arbeiten war oder Arbeit hatte.

Im Großen und Ganzen habe ich auch nur zwei Kindheitserinnerungen, wo er uns besucht hatte oder, wie bei ihm waren. Und zwar hat er uns damals einmal abgeholt und ist mit uns in die Stadt gegangen, um ein Eis zu essen. Und dann war ich einmal bei ihm und seiner neuen Frau zu Hause und da war es auch nicht so toll, weil seine Stiefsöhne mich nicht akzeptiert haben und mich dann nur geärgert haben. Andere Kindheitserinnerungen besitze ich nicht.

Irgendwann ist er dann weg gezogen mit seiner neuen Frau und hat weitere Kinder in die Welt gesetzt, sodass mein Bruder und ich anscheinend uninteressant geworden sind.

Ich habe dann vor ein paar Jahren auch überlegt, ob ich nicht den Kontakt suchen sollte und mich mit ihm aussprechen sollte. Zu dem konnte ich ihm dann Fragen stellen, die mich schon Jahre lang beschäftigten. Ich hatte auch Angst, dass ich mich mit ihm nicht aussprechen kann, weil er irgendwann tot ist, obwohl ich natürlich auch auf der anderen Seite dachte, dass keine Aussprache notwendig wäre, weil er sich ja für uns eh nie interessiert hat.

Ich hab letztendlich aber doch den Kontakt zu ihm aufgenommen und ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass es sich nicht gelohnt hat. Erst einmal hat er die Schuld bei meiner Mutter gesucht, weshalb er so wenig Interesse an uns hatte und uns so wenig besucht hatte. Zu dem haben wir gemerkt, dass wir total verschiedene Ansichten haben und letztendlich haben wir uns nicht verstanden und sind getrennte Wege gegangen, was auch definitiv besser ist.

Aber, so muss es ja nicht in jedem Fall laufen. Ich würde an deiner Stelle schon den Kontakt und die Aussprache suchen. Immer hin kannst du dir dann irgendwann nicht vorwerfen, dass du es nicht probiert hast und es jetzt dann nicht zu spät ist, weil er anscheinend noch nicht verstorben ist. Vielleicht wendet sich das Blatt ja zum Guten und ihr könnt wieder mehr Zeit miteinander verbringen, wenn seine Bemühungen denn genauso groß sind, wie deine Bemühungen.

Wenn die Aussprache letztendlich umsonst war, hast du es zumindest probiert und du weißt dann, woran du bist. Und natürlich kann man die verlorene Zeit nicht aufholen, aber man kann eventuell zusammen in die Zukunft starten und alles besser machen. So sehe ich es zumindest.

» kai0409 » Beiträge: 3345 » Talkpoints: 72,64 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Manche Väter finden den regelmäßigen Kontakt zu den Kindern nicht so wichtig und wüssten wahrscheinlich auch nicht, was es da aufzuarbeiten gäbe. Der Vater meiner Kind findet es normal, dass er die Kinder nur zu Weihnachten, zum Geburtstag und dann vielleicht noch einmal alle paar Wochen sieht, obwohl er gar nicht weit weg wohnt. Meine Kinder finden das auch irgendwie normal. Sie haben nichts gegen ihren Vater und haben nicht darunter gelitten, dass sie ihn zu selten sehen.

In unserem Fall wäre also gar nichts aufzuarbeiten oder irgendeine Zeit nachzuholen. Wenn Kinder aber den Vater immer vermisst haben, sollten sie ihm das sagen und er kann dann Stellungnahme beziehen. Wahrscheinlich war ihm die Situation gar nicht bewusst. Ihm haben wahrscheinlich die Treffen gereicht.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Hier verstehe ich dein konkretes Problem nicht, weil eine echte Aussprache nicht notwendig ist. Schließlich ist hier nichts "vorgefallen". Was du jetzt machst ist lediglich die Schuldzuweisung an deinen Vater, sich zu wenig gekümmert zu haben. Und natürlich ist es prägend, wenn du erlebst, wie eine Frau (deine Mutter) allein dich und deine Geschwister groß ziehen muss. Hier manifestieren sich im Kopf eines Kindes bestimmte Bilder und man macht sich Gedanken über "Schuldige". Und da ist es naheliegend jemanden zu wählen, der sich nicht rechtfertigen kann (auf Grund der räumlichen Entfernung).

Spätestens jetzt als Erwachsene solltest du aber sehen, dass die Dinge mitunter weniger leicht zu erklären sind und die Trennung ja offenbar von deiner Mutter gewollt wurde. Hier ist ja auch keine Schuld abzuleiten. Wenn keine Gefühle mehr da sind, ist diese Lösung sicher die ehrlichste. Eindeutig wäre so was nur dann, wenn z.B. dein Vater deiner Mutter Gewalt angetan hätte. So aber sehe ich beide Erwachsenen in der Pflicht und der Wegzug 500 Km weit hat es deinem Vater nicht leicht gemacht. Wenn dann die finanzielle Situation nicht so war, dass das Geld keine Rolle spielt, dann ist das noch so ein Grund, dass der Kontakt "weniger als gewünscht" ausfällt.

Du könntest hier nun versuchen, deine Sicht der Dinge auszusprechen. Dies aber nicht als Vorwurf! Anschließend solltest du deinem Vater die Möglichkeit geben - ohne ihm ins Wort zu fallen oder ähnliches - seine Geschichte zu erzählen. Es mag auch für deinen Vater hart gewesen sein, ein neues Leben anzufangen. Es kann letztlich nie darum gehen, Schuldige zu definieren. Es geht höchstens darum, einzelne Beweggründe zu verstehen. Da ist dann auch deine Mutter in der "Pflicht" - und sie müsste auch in der Lage sein zu erklären, warum sie sich radikal trennen musste.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Auch wenn seit der Trennung deiner Eltern mittlerweile 20 Jahre vergangen sind, hast du immer noch die Möglichkeit, eine Aussprache mit deinem Vater zu suchen. Sollte er irgendwann plötzlich versterben, wirst du dir Vorwürfe machen, wenn du es nicht tust. Aber erst dann, wenn ihr euch ausgesprochen habt, kannst du sagen, ob sich das Ganze für dich gelohnt hat oder nicht. Du musst dir dann keine Vorwürfe mehr machen.

Als mein Vater starb, war ich neun und meine Schwester noch jünger. Ich habe ihn immer sehr vermisst und ich kann mir vorstellen, dass es auch bei dir und deinen Geschwistern der Fall war. Ich habe immer die anderen Kinder beneidet, weil sich deren Vater um sie kümmerte. Deshalb sehe ich es auch so, dass es für dich eine Erleichterung wäre, wenn ihr Frieden schließt.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Du stützt dich nur auf die Aussagen deiner Mutter. Kennst du die Gründe für sein angebliches Handeln? Das spielt nämlich auch eine große Rolle. Wem hat das Haus damals zum Beispiel gehört und war es deiner Mutter vielleicht sogar ganz recht, wieder in ihr Elternhaus ziehen zu können? Kam es ihr dabei vielleicht auch ganz gelegen, dass es so weit weg ist, so dass es nur sporadischen Kontakt zwischen euch und eurem Vater geben kann?

Das alles sind Dinge, die man dabei bedenken sollte. Du kennst die Argumente und die Sichtweise deines Vaters nicht. Aber immerhin hat ein Bruder schon regelmäßigen Kontakt und deine Schwester ist auch bereit ihm eine Chance zu geben. Was hält dich nun davon ab, dich mit deinem Vater auseinander zu setzen?

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



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