Ahnenforschung - ein Hobby für alte Menschen?

vom 19.04.2013, 21:26 Uhr

In meinem weiteren Bekanntenkreis erzählen immer mehr Leute davon, dass sie Ahnenforschung betreiben. Alles sind an sich ältere Menschen, die nun die Zeit ihrer Rente für ein solches Hobby verwenden. Deshalb frage ich mich, ob die Ahnenforschung nur ein Hobby für ältere Menschen ist? Oder betreiben auch junge Menschen bereits Ahnenforschung? Warum reizt das Hobby scheinbar eher ältere Generationen?

» Fugasi » Beiträge: 1877 » Talkpoints: 1,33 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Würde ich auf die Klischeevorstellung, nur ältere Menschen hätten dieses Hobby, mit einem weiteren Klischee antworten wollen, würde ich sagen, jüngere Leute begeistern sich nicht dafür, weil sie lieber Party, Saufen und Mode im Kopf haben. So bleibt dann eben keine Zeit mehr für Genealogie. ;) Aber das wäre zynisch.

Auf jeden Fall gibt es auch jüngere Leute, die sich für Ahnenforschung interessieren. Es dürften aber weniger sein als ältere Menschen, da es kein sonderlich actionreiches Hobby ist. Man bewegt sich dabei nicht unbedingt, man muss viel lesen, viel in Archiven still sitzen, über Stunden. Ich denke, die meisten jüngeren Leute fänden das ganz einfach langweilig. Allgemein ist Geschichtsforschung ja nicht unbedingt ein beliebtes Hobby unter jüngeren Personen, während es durchaus viele ältere Menschen gibt, die sich für das Thema interessieren.

Ich denke, es spielt aber auch noch einmal eine Rolle bei der gesamten Sache, dass mit zunehmendem Alter die Frage nach der Herkunft bei einigen Leuten einfach viel essentieller wird. Jüngere beschäftigen sich teilweise eben nicht unbedingt mit solchen tiefergehenden Fragen. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Außerdem könnte bei alten Leuten auch ein gewisses Nostalgiegefühl eine Rolle spielen. Bei der Ahnenforschung beschäftigt man sich mit historischen Dokumenten und bekommt so mitunter wieder Schriftstücke oder Fotos zu sehen, aus einer Zeit, wo man selbst jung war, oder die man von den eigenen Eltern oder Großeltern noch lebhaft erzählt bekommen hat. Man erinnert sich vielleicht daran, wie die Großeltern vor vielen Jahrzehnten, als man selbst noch ein Kind war, davon erzählten. Einfach noch einmal nachfragen und es erneut erleben, das können alte Menschen ja nicht mehr, da die Großeltern in der Regel schon lange verstorben sind.

Ahnenforschung hat also ein wenig etwas von einer Reise in die Vergangenheit und ist eine ziemlich persönliche Sache. Das heißt allerdings nicht unbedingt, dass es nur alte Leute betreiben würden. Ich zum Beispiel habe mich auch schon ein wenig damit beschäftigt und damals war ich noch nicht einmal 20 Jahre alt. Und ich glaube übrigens, dass auch einige Jugendliche manchmal eine Phase haben, wo sie etwas über ihre "Wurzeln" erfahren möchten. Nur geht die Phase bei vielen schnell vorbei, sei es einfach aus Desinteresse, aus Ärger darüber, dass Genealogie nicht unbedingt Actionreich, sondern eher ruhig und auch anstrengend sein kann, oder sei es auch aus der Enttäuschung, nichts "Extremes" herausgefunden zu haben. Es hat eben nicht jeder Prominenz und Skandale in der Familie, sondern zumeist hatten die Vorfahren eher bodenständige Berufe.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Meine Mutter betreibt ebenfalls Ahnenforschung. Mittlerweile macht sie das schon einige Jahre, aber so alt ist sie auch noch nicht. Ich glaube, sie hat mit 45 damit angefangen und sich langsam, aber sicher ein paar Informationen zusammengetragen. Mit der Zeit kam sie dann auch in Kontakt mit anderen Leuten, die ebenfalls Ahnenforschung betreiben. Diese Leute waren eigentlich alle im Alter meiner Mutter. Scheinbar fängt man in diesem Alter an sich verstärkt für die Vergangenheit zu interessieren. Ich finde es auch nicht ganz uninteressant, aber direkt danach forschen würde ich nicht. Ich kenne jedenfalls niemanden unter 40, der diesem Hobby nachgeht, aber da gibt es sicherlich welche.

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» Zohan » Beiträge: 4398 » Talkpoints: 16,33 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Also ich finde das auch selbst voll spannend. Es fragt sich doch jeder Mensch woher er kommt, was seine Vorfahren gemacht haben und woher sie kamen. Leider ist das natürlich auch ein sehr zeitaufwendiges Hobby, weil man eben viel recherchieren muss und wahrscheinlich auch verschiedene Stadtarchive und Bürgerämter etc. abklappern muss, um an Informationen ranzukommen.

» Ellala » Beiträge: 12 » Talkpoints: 2,59 »



Also ich finde das spannend, obwohl ich noch nicht im Rentenalter bin! :lol: Ich würde aber vermuten, dass sich vorwiegend ältere Menschen intensiver damit beschäftigen, weil es dabei ja letztendlich auch um die Vergänglichkeit von Wissen und die Angst, dass etwas verlorengehen könnte, geht. Insofern wäre Ahnenforschung dann eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit. Jüngere Leute denken vermutlich nicht ganz so intensiv darüber nach.

» arril » Beiträge: 739 » Talkpoints: 10,78 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Bei Ahnenforschung geht es meiner Meinung nach gar nicht so unbedingt darum, Angst vor dem Verlorengehen von Wissen zu haben. Ich denke, dass Kenntnisse immer wieder verloren gehen, dessen ist sich jeder gut bewusst. Ebenso, dass man auch nicht wirklich verhindern kann, dass solche Vorgänge ablaufen.

Eher glaube ich, im Gegenteil, dass man bei der Ahnenforschung quasi bereits "verlorenes" Wissen wieder aus der Tiefe von Archiven herausholt, miteinander in Verbindung setzt und dadurch ganze Lebensläufe, wenn denn die Quellenlage ausreichend ist, rekonstruieren kann. Man macht Vergessenes quasi neu sichtbar. Man entdeckt Dinge wieder, wie es Geschichtswissenschaftler und Archäologen tun. Nur eben, wenn man nach seiner eigenen Familie recherchiert, in einem fachlich kleineren Rahmen. Meiner Meinung nach übrigens eine unglaublich spannende Arbeit, aber ich mache Derartiges auch beruflich, übrigens mit viel Freude, auch wenn man natürlich um schwere Schicksalsschläge und traurige Erkenntnisse auf Dauer nicht drum herum kommt.

Dass man sich hingegen mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt, wenn man Ahnenforschung betreibt, kann ich in einigen Fällen doch bestätigen. Generell bekommt man es in diesem Bereich immer wieder mit Todesdaten, Todesarten, Krankheit und Schicksalsschlägen zutun. Man trifft vielleicht auf schwere Krankheiten, auf tödliche Unfälle, oder sogar auf schwere Verbrechen wie Mord. Um den Tod kommt man wirklich nicht drum herum, wenn man über Menschen recherchiert, die vor Generationen lebten. Gerade bei eigenen Verwandten, auch, wenn man sie persönlich nicht mehr kannte, ist das sicher seelisch auch belastend. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele jüngere Menschen sich das nicht unbedingt antun möchten.

Ich, um mal etwas auszuholen, habe im letzten Jahr beruflich besonders die Schicksale von jüdischen Familien während der Naziherrschaft recherchiert, und auch da ist es mir extrem nahe gegangen, in welchem Alter und auf welche Weise Menschen ihr Leben verloren haben. Auch, wenn ich keinen persönlichen, familiären Bezug zu diesen Leuten hatte, war es emotional schwierig, darüber zu lesen und sich allgemein damit zu beschäftigen. Bei der eigenen Familie ist es vielleicht noch einmal viel schlimmer. Und schon in meinem Beruf ist es so, dass sich diese seelische Belastung durch die Recherchen viele Menschen nicht antun möchten. Jüngere Beschäftigte gibt es in diesem Bereich der Geschichtswissenschaft wirklich kaum. Und wenn es vielen sogar beruflich zu nahe geht, dann wundert es nun wirklich nicht, dass derartige Recherchen hobbymäßig und unbezahlt von jungen Menschen erst recht kaum betrieben werden.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Also das ist definitiv ein Hobby für alte Leute mit Zeit. Im Alter bekommt man anscheinend so ein Bedürfnis danach, die Vergangenheit zu dokumentieren, wahrscheinlich aus dem Bewusstsein über die eigene Endlichkeit heraus. Und wer kennt das in anderen Erscheinungsformen? Sätze wie "Mensch, das sah früher aber ganz anders aus" oder "hier war ich als Teenager schon mal" sind doch allgegenwärtig.

» labersack » Beiträge: 14 » Talkpoints: 4,27 »



Ob man sich für die Vergangenheit interessiert, ist Charakter- und nicht Altersabhängig. Es gibt Leute, zugegeben besonders oft junge, die von Vergangenheit und Geschichte nichts wissen wollen. Die finden das Thema total langweilig und es fallen sogar Sätze wie "Das ist doch alles vorbei, wozu muss ich das bitteschön wissen!". Darüber, dass die Geschichte viel über die Entwicklung der Gegenwart aussagt und man aus der Geschichte auch lernen kann, machen sie sich dann keine Gedanken. Andererseits gibt es auch junge Leute, gerade Kinder, die Geschichten über "früher" unglaublich spannend finden. Sei es nun, dass die Großmutter von ihrer Kindheit erzählt und von den damals anderen Lebensbedingungen im Vergleich zu heute, oder sei es, dass es in Museen, Geschichtsberichten oder historischen Romanen von länger zurückliegenden Epochen berichtet wird.

Mit der eigenen Endlichkeit hat das nicht unbedingt etwas zu tun. Ebenso dürften Sätze wie "Hier war ich früher schon einmal." bei der Genealogie eher nicht fallen, denn zu Zeiten seiner eigenen Ururgroßeltern hat man selten selbst schon gelebt. ;) Und um so viel länger zurückliegende Menschen geht es ja bei der Ahnenforschung zumeist, nicht um die eigene Kindheit oder die Zeit der Eltern. Die eigenen Eltern und Großeltern sind ja genealogisch meist weniger interessant, denn von diesen weiß man einfach noch zu viel, weil sie es einem selbst noch erzählen konnten. Da muss man nicht viel forschen und muss auch keine Informationen aus irgendwelchen Archiven zusammensuchen.

Aber zumindest bei einer Sache kann ich zustimmen: Ja, Genealogie ist ein sehr zeitaufwändiges Hobby. Und so viel Zeit haben heute ja leider zumeist nur noch Leute, die schon verrentet sind. Eigentlich schade.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich kann das tatsächlich bestätigen. Meine Nachbarin ist eine weitere Verwandte von meinem Vater und sie hat zu seinem Geburtstag einen Stammbaum erstellen wollen. Sie hat ihn nicht soweit ausgefüllt bekommen, wie sie es gerne gehabt hätte, da sie Verwandte in Polen haben und das dortige Rathaus nicht auf die E-Mails und Anfragen geantwortet hat, aber sie ist ziemlich weit gekommen und soweit ich weiß, hat sie das auch sehr stolz gemacht. Auch mein Vater war ganz begeistert von dem Stammbaum seiner Familie, weil es für ihn sehr interessant war.

Ich glaube auch, dass viele ältere Menschen das machen, weil sie sich damit befassen, dass sie bald sterben werden und bei der Ahnenforschung erfährt man dann von den Todesfällen in der eigenen Familie. Vielleicht ist es auch sogar ein wenig beruhigend, wenn man realisiert, dass man selbst viele Jahrzehnte leben durfte, während andere im Krieg bereits in jungen Jahren gestorben sind. Aber das sind nur Vermutungen, ich selbst kann mich in einen älteren Menschen mit meinen jungen achtzehn Jahren momentan noch nicht so gut hinein versetzen, das muss ich ganz ehrlich sagen.

Ich finde es aber schön, wenn man sich damit beschäftigt, egal wie alt man ist. Aber man muss eben wirklich daran interessiert sein und auch viel Geduld mitbringen. Manche Archive sind nicht besonders kooperativ und bei manchen muss man zig mal nachfragen, bis man mal eine Antwort bekommt.

» *sophie » Beiträge: 3506 » Talkpoints: 1,38 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Nun bin ich ja auch noch kein alter Mensch, habe mich aber durchaus mit meiner Verwandtschaft in genealogischer Hinsicht befasst. Ob man die Tatsache, dass Verwandte in einem jungen Alter im Weltkrieg sterben mussten, nun irgendwie beruhigend findet, wenn man sie mit der Tatsache, dass man selbst wohl älter werden wird, gegenüberstellt, mag eine persönliche, individuelle Frage sein. Ich allerdings finde solche Erkenntnisse über meine Verwandtschaft absolut nicht schön und sie beruhigen mich auch nicht. Im Gegenteil, wenn man erfährt, dass ein Teil der eigenen Verwandten Kriegsverbrechen zum Opfer fiel, dass sie beispielsweise von marodierenden Soldaten als Zivilisten einfach gesammelt erschossen worden sind, dann finde ich das eher schmerzlich.

Ich denke, da wird auch ein alter Mensch kaum anders empfinden. Eher kämen dann wohl erst recht resignierende Gedanken hinzu, möglicherweise auch Flashbacks, falls man die Zeit selbst als Kind miterlebt hat, sich aber bislang nicht mehr daran erinnern konnte. So etwas sollte man sich auch bewusst machen, falls man mit Ahnenforschung beginnen möchte. Es kommen nicht nur schöne Erkenntnisse heraus. Und ich weiß auch nicht, ob jeder schlimme Ereignisse, wie sie gerade während der Weltkriege beziehungsweise gerade durch die Weltkriege oft vorkamen, so wirklich gut verarbeiten kann.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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