Aus Höflichkeit mehr essen als man eigentlich möchte?
Ich esse nur so viel wie ich essen kann und essen möchte. Wenn etwas nicht schmeckt, muss ich es ja nicht anrühren, auch als Gast nicht. Bei mir ist es eher so, dass ich Magenkrämpfe und heftigen Durchfall bekomme, wenn ich zu viel esse, dabei spielt es keine Rolle, was ich da überhaupt gegessen habe. Das hilft mir schon, mich zu bremsen, weil ich keine Lust auf die Folgen habe.
Wobei ich das aber aus meinem sozialen Umfeld so kenne, dass es den Nachtisch bzw. Kuchen nie unmittelbar nach dem Essen gibt, sondern erst mit 1-2 Stunden Pause dazwischen. In der Pause unterhält man sich meist, bewegt sich, geht teilweise spazieren oder so etwas. Das ist dann ganz hilfreich und dann hat man auch wieder etwas mehr Platz für Kuchen oder den Nachtisch allgemein.
Als ich am Anfang die Eltern meines Freundes kennengelernt habe, habe ich es lange auch so praktiziert, dass ich aus Höflichkeit mehr gegessen habe, als ich eigentlich wollte. Irgendwann ging mir das auf die Nerven und ich habe irgendwann gesagt, dass ich meinen Teller selbst beladen möchte. Das hat die gute Frau am Anfang nur schwer verstanden, aber nach einem Jahr hat sie es dann endlich kapiert.
Wenn ich jedoch weniger Hunger habe, dann kommt sie auch immer noch an und möchte, dass ich meinen Teller noch mit etwas Fleisch oder Gemüse ausstatte. Aber mittlerweile kann ich da Nein sagen, auch wenn es unhöflich rüberkommt. Ich bin nämlich einige Zeit lang jeden Sonntag dort rausgekommen und war total überfressen, mir war schlecht und ich konnte an den Tagen nichts anderes tun als schlafen, weil ich so träge war. Und seitdem achte ich da mehr drauf, dass ich nicht mehr nur aus Höflichkeit zu viel esse.
Ich esse bei Einladungen und Feierlichkeiten sicherlich etwas mehr, als ich unter anderen Umständen zu mir nehmen oder für mich alleine zubereiten würde. Immerhin gibt es zu besonderen Gelegenheiten ja meistens auch etwas gehobeneres und außergewöhnlicheres als die 0815-Alltagsküche, und da ich gutes Essen sehr schätze und genieße, lasse ich mich auch manchmal durch die Lust zu einem Nachschlag hinreißen, der vielleicht nicht unbedingt noch nötig gewesen wäre. Dennoch kenne ich meine Grenze und höre mit dem Essen auf, wenn ich merke, dass ich zu voll werde und mir langsam unwohl wird. Da ist es dann auch egal, ob noch ein Gang folgt, der unangetastet bleibt. Meistens komme ich aber gar nicht erst an eine kritische Grenze, da ich mir lieber von vornherein mehrere kleine Portionen als einen riesigen Teller nehme und allgemein einen guten Appetit habe und recht viel vertrage.
In deinem konkreten Beispiel wäre es ja ein Kompromiss gewesen, den Kuchen zwar an Ort und Stelle höflich abzulehnen, sich aber ein Stück für zuhause einpacken zu lassen. Nach ein paar Stunden Ruhe vom Essen oder spätestens am nächsten Tag wäre der Appetit darauf schon zurückgekehrt, und dann hättest du nichtsdestotrotz Interesse am Kuchen bekundet und wärst auch im Verlauf noch in dessen Genuss gekommen. Du hättest ja auch später eine kleine Nachricht schicken können, dass der Kuchen sehr lecker war. Das hätte den anfänglichen Groll vielleicht ein wenig gemildert. Prinzipiell sehe ich es aber nicht als Pflicht, jedes kulinarische Angebot anzunehmen und sich mit der Menge zu überfordern, denn dann hat man ja auch keine Freude mehr daran. Das ist sicherlich ebenso wenig im Sinne des Gastgebers.
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