Etwas gegen seine Moral tun, weil es sonst ein Anderer tut?
Neulich fragte mich das Institut, in dem ich Nachhilfeunterricht gebe, ob ich nicht einem kleinen Jungen, einem Viertklässler, in den Osterferien täglich und danach dreimal wöchentlich Nachhilfe geben könnte, um ihn auf den Probeunterricht in der Realschule vorzubereiten. Er würde nämlich den Notendurchschnitt von 2,33, den man für die Realschule braucht, im Übertrittszeugnis nicht schaffen.
Ich fand, dass das schon fast an Kindesmisshandlung grenzte, und habe das dem Institutsleiter auch gesagt. Der meinte dann, dass das eh jemand macht, wenn ich das nicht machen würde. Das Kind hätte also den größeren Schaden, wenn ich das nicht übernehme, weil ich ja eher menschlich und verständnisvoll sei. Die Bezahlung wäre nicht schlecht gewesen. Ich habe trotzdem abgelehnt, weil ich ein schlechtes Gewissen hätte. Das Kind hat eh auf der Realschule keine Chance, wenn es jetzt schon so viel lernen muss und trotzdem schlechte Noten schreibt. Es ist auf der Hauptschule viel besser aufgehoben.
Seid ihr auch schon einmal in einer Situation gewesen, wo ihr vor der Entscheidung standet, dass ihr etwas machen solltet, was nicht ganz eurer Überzeugung entsprach? Habt ihr es dann wegen des Geldes oder anderer Vorteile gemacht, weil ihr euch dachtet, dass es eh jemand tut, warum nicht ihr.
Das war wirklich eine schwierige Entscheidung. Ich kann verstehen, dass du sie so getroffen hast. Man sollte schon immer schauen, dass man keine Dinge macht, auf die man nicht stolz sein kann, finde ich. Nur wenn man alles, was man tut moralisch oder irgendwie anders vor sich selbst vertreten kann, hat man nichts zu bereuen.
Dass hier ein Kind involviert war, macht die Sache natürlich sehr problematisch. Wenn du den Job angenommen hättest, hättest du vielleicht mit den Eltern reden können oder die Sache irgendwie anders davor bewahren können, zur totalen Katastrophe werden zu lassen. Aber dann hättest du wahrscheinlich den Job verloren und ein anderer hätte einfach alles nach den Wünschen der Eltern erledigt. Damit wäre also auch nicht viel geholfen gewesen.
Ich kann die Entscheidung, die du getroffen hast, sehr gut nachvollziehen, kann aber nicht sagen, wie ich gehandelt hätte. Grundsätzlich würde ich auch nichts machen, was völlig entgegen meiner Überzeugung steht und in diesem Fall wäre mir auch die Bezahlung egal. Dennoch gibt es Gründe, die für mich auch dafür gesprochen hätten, diesen Job trotzdem abzunehmen. Der Junge hätte ja trotzdem Nachhilfeunterricht bekommen, nur eben nicht von dir, sondern von jemand anderem.
Wenn du das nun machen würdest, hättest du ja vielleicht die Möglichkeit, mit den Eltern zu reden. Vielleicht ist der Junge auch einfach nur faul gewesen und hat nicht gelernt, vielleicht hat er den Stoff wirklich nicht verstanden, das hättest du rausfinden können. Wenn du dann festgestellt hättest, dass der Junge auf einer Hauptschule besser aufgehoben wäre, hätte ich an deiner Stelle mit den Eltern geredet und versucht, ihnen dies zu erklären. Vielleicht hätte das was gebracht, vielleicht aber auch nicht. Du hättest so zumindest versuchen können, Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen.
Ich denke, dass wohl fast jeder schon mal vor solchen Entscheidungen steht, wenn sie vielleicht auch nicht ganz so schwerwiegend sind, wie bei dir. Ich wüsste nicht, wie ich an deiner Stelle entschieden hätte. Ich kann dich gut verstehen, dass du die Aufgabe abgelehnt hast, weil es gegen deine Überzeugung war, das Kind in den Ferien für etwas zu unterrichten, was es ja wahrscheinlich doch nicht schafft. Meine Überzeugung wäre in dem Fall die gleiche.
Aber trotzdem hätte ich es mir durch den Kopf gehen lassen. Der Institutsleiter hatte vielleicht gar nicht so unrecht damit, dass er gesagt hat, irgendeiner macht es sowieso und du bist wenigstens noch verständnisvoll und nett. Ich denke auch, dass du vielleicht mal mit den Eltern hättest reden können, wenn du bemerkt hättest, dass es nichts bringt, den Jungen zu unterrichten. Aber für das Institut und deinen Job dort wäre dies vielleicht nicht so toll gewesen.
Wenn ich etwas mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann, dann mache ich das auch nicht. Wenn ich aber der Meinung bin, das ich immer noch die bessere Wahl bin und der, der sonst gewählt werden würde weniger gut für jemanden ist, dann ist es durchaus eine Überlegung wert.
Als Beispiel: wenn du die beste Nachhilfelehrerin bist und den Jungen bestmöglich etwas hättest beibringen können, dann hätte man darüber nachdenken können, wenn die Person, die stattdessen der Nachhilfelehrer ist, nicht so optimal gewesen würde dann aber bedeuten, dass du ganz schön von dir und deinen Fähigkeiten überzeugt hättest sein müssen.
Und mal unter uns: ich finde es gar nicht so schlimm, wenn jemand mal in den Ferien täglich etwas für seine Zukunft machen muss. Spätestens wenn man seinen Abschluss machen will und in einem Fach Defizite hat, muss man das auch so machen und da schreit auch keiner, dass das Kindesmisshandlung ist.
Ich kann eigentlich nichts machen, was gegen meine Moral ist. Gerade in deinem erwähnten Fall, hätte ich mich genauso entschieden. Geld ist mir da egal, dass kann man sich auch besser verdienen. Ich mache nur Sachen, die ich auch vertreten kann und in so einem Fall sehe ich schlichtweg auch nicht den Sinn dahinter. Immerhin nimmt man dann Geld und das Kind schafft es auf Dauer trotzdem nicht. Das ist gemein und moralisch einfach nicht zu vertreten. Ich denke auch, dass man eben nur Sachen machen sollte, mit denen man leben kann, weil man sich immer noch selber im Spiegel anschauen muss und damit leben muss, was man tut. Geld ist ja auch nicht alles im Leben.
Als sturer und engstirniger Mensch, der ich nun einmal bin und schon immer gewesen bin, mache ich eigentlich nie etwas, wenn es gegen meine eigene Überzeugung geht. Das heißt, dass ich in diesem Fall genau wie du gehandelt hätte, wenn ich der Meinung gewesen wäre, dass meine Handlungen nicht gut für das Kind gewesen wären. Hier muss man ja auch ganz klar nicht nur darauf achten, was man selber für sich richtig findet, sondern auch noch abwägen, was für diese Kind nun wirklich das Beste ist, denn man hat ja schon so etwas wie eine Verantwortung seinem Schützling gegenüber.
In gewissen Ausnahmesituationen, in denen ich absehen könnte, dass meine Verweigerung nun einen großen Schaden mit sich bringen würde, dann würde ich aber über meinen Schatten springen und dann eben doch etwas machen, was ich eigentlich nicht will. Wenn ich zum Beispiel auf einen Hund aufpassen soll, dies aber eigentlich gar nicht möchte, und man mir dann erzählt, wer den Hund ansonsten beaufsichtigen würde und ich der klaren Meinung wäre, dass dieses Tier dort einfach nicht gut aufgehoben wäre, dann würde ich zähneknirschend lieber selber das Tier beaufsichtigen.
In dem von dir beschriebenen Fall gibt es so eine Alternative meiner Meinung nach aber nicht. Ein Nachhilfelehrer wird sich ja, auch wenn er vielleicht etwas weniger verständnisvoll ist als du, nicht an dem Kind vergreifen, es schlagen oder ähnliches, sodass bei mir keine Alarmglocke geklingelt hätte und ich auch ruhigen Gewissens abgesagt hätte.
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