Weiterstreben oder den Spatz in der Hand nehmen?
Vor etwa drei Jahren hat X ihre Ausbildung als Einzelhandelskauffrau abgeschlossen. Sie ist seitdem immer noch in ihrem Ausbildungsbetrieb, wo sie auch viel Spaß an ihrer Arbeit hat und gut mit ihren Kollegen auskommt. Auch ihren Chef mag sie sehr. Noch während ihrer dortigen Ausbildung hat sie ebenfalls ein Fachabitur in einer Abendschule abgeschlossen, worauf sie später eigentlich aufbauen wollte. Sie hat nun überlegt ein Praktikum dazwischen zu schieben, um sich klar zu werden in welche Richtung konkret sie weiter gehen soll. Ihr jetziger Job ist wie gesagt sehr angenehm für sie, bietet aber nicht die Bezahlung die sie sich vorstellt, daher auch der Wunsch sich weiter zu bilden.
X ist nun wirklich hin und her gerissen, was sie tun soll. Einerseits gefällt es ihr ja dort und sie weiß nicht, ob sie es das nächste Mal wieder so gut treffen wird. Andererseits steht sie wirklich noch ganz am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn und kann sich von solchen Überlegungen nicht aus bremsen lassen.
Wie ich X einschätze, hat die Idee mit dem Praktikum nur den effektiven Zweck eine definitive Entscheidung hinauszuzögern, denn das könnte sie machen, ohne ihren jetzigen Job zu verlieren. Ich kenne sie so gar nicht - zuerst so strebsam und jetzt komplett verloren.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie Angst davor hat, dass sie so schnell nicht wieder einen Betrieb findet, in dem sie sich dermaßen wohl fühlt, wie in ihrem aktuellen. Schließlich sind solche "Glücksgriffe" nicht unbedingt der Standardzustand: viele sind darüber froh überhaupt einen Betrieb gefunden zu haben, welcher sie ausbildet und beißen dafür nicht selten die Zähne zusammen, um die Ausbildung bis zum Schluss durch zu ziehen. Wenn man aber bereits dann schon das "große Los" gezogen hat und sich die gesamte Zeit über wohl gefühlt hat und überdies auch noch vom Betrieb in eine Festeinstellung übernommen wurde, so ist man sich dessen bewusst, dass es längst nicht allen so ergeht.
Da man sich im Berufsleben im Idealfall langfristig an einen Betrieb in dem man sich wohl fühlt bindet, anstelle in zig verschiedenen Betrieben immer nur relativ kurzfristig eingestellt zu sein, was sich auch nicht sonderlich gut auf dem Lebenslauf abzeichnet, könnte ich es nachvollziehen, wenn deine Bekannte befürchtet, dass ihr zunächst gerade dieser Weg bevorsteht. Im Moment scheint sie alles sicher zu haben und hat keine Ungewissheit vor sich, dieses würde sich aber mit der Entscheidung, ihren aktuellen Betrieb zu verlassen, aber rapide ändern.
Auch, wenn man manchmal glaubt, dass man besser damit unterwegs ist, daran festzuhalten, was man bereits besitzt, sollte man sich überlegen, ob es wirklich alles ist, was man bestrebt hat und erreichen wollte. Sollte man noch den kleinsten Restzweifel über haben, so denke ich, dass man auch mal etwas riskieren sollte im Leben und vielleicht wird alles nicht einmal halb so schlimm, wie man befürchtet hatte. Gerade, wenn deine Bekannte bei der Bezahlung unzufrieden ist und sie die Möglichkeit hat durch Umorientierung diesen Aspekt ändern zu können, so würde ich es ihr raten, es zu versuchen. Vermutlich wird sie es später sonst bereuen, dass sie es nicht getan hat. Es wird auch sicherlich kein Ding der Unmöglichkeit sein müssen, dass sie Zufriedenheit in Bezahlung, als auch Arbeitsklima finden wird - es ist nur eine Frage der Zeit.
Wenn sie es jetzt nicht macht, wird sie es wohl nie machen und wenn man schon den Abschluss nebenbei noch nachgeholt hat, dann würde ich auf jeden Fall den Weg der Bildung streben und weiterhin verfolgen. Sicherlich ist es nicht unbedingt leicht, wenn man eigentlich schon sicher in der Arbeitswelt angekommen war, aber manchmal muss man sich einfach etwas trauen.
Das Problem ist doch auch folgendes. Wenn sie es jetzt nicht macht, wird sie sich in einigen Jahren vielleicht fragen, was gewesen wäre, wenn sie den Weg weiter gegangen wäre. Solche Vorwürfe würde ich mir selber nicht machen wollen und deswegen würde ich mich weiterbilden. Zumal man auch sicherlich immer wieder zurückkehren kann, wenn man sich einen guten Ruf erarbeitet hat. Ein Praktikum ist sicherlich eine gute Idee, um zu sehen, ob es wirklich etwas für sie ist und dann sollte sie eben eine Entscheidung treffen. Ich würde aber nicht auf meinen Lebenstraum verzichten nur, weil die Kollegen so nett waren und das Klima angenehm war.
Einen netten Betrieb zu finden ist sicherlich keine ganz leichte Sache, aber es gibt immer eine Stelle, bei der man sich wohlfühlen wird. Man muss auch nicht immer alles an der Arbeit so Ernstnehmen und wenn es gar nicht passt, dann muss man eben lernen das gedanklich zu trennen. Dafür kann man sich dann mehr leisten und ist privat vielleicht glücklicher.
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