Fehlverhalten von Kindern, wenn sie besonders vertrauen?

vom 03.04.2013, 20:47 Uhr

In einigen Abhandlungen habe ich immer mal davon gelesen und davon gehört, dass Kinder sich an sich nur trauen, auszurasten oder auszuflippen, wenn sie den Personen, bei denen sie dies tun, sich besonders wohlfühlen oder ein tiefes Vertrauensverhältnis zu ihnen haben. Ich kann nun nicht bestätigen, dass dies so stimmt, aber an sich finde ich die These schon interessant. Gern würde ich von Müttern und Vätern in diesem Format, vielleicht auch von Pädagogen jedweder Art, erfahren, was sie von dieser These halten und inwiefern sie in der Praxis damit Erfahrungen gemacht haben.

Was meint Ihr? Ist es wirklich so, dass Kinder sich dann daneben benehmen, vielleicht auch mal lauter werden, oder aggressive oder sonstige unschöne Verhaltensweisen an den Tag legen, wenn sie den Eltern und anderen Bezugspersonen komplett vertrauen? Bedeutet dies im Umkehrschluss dann auch, dass man diese Kinder dazu lenken kann, das Verhalten nicht mehr so auszulassen?

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Ich habe als Jugendliche öfter mal Kindergruppen auf Ferienlagerreisen betreut. Vor meinem ersten Einsatz hatte ich furchtbar Angst, dass da Kinder total austicken könnten. Schließlich kannte ich das von Nichten und Neffen und anderen Kindern in der Verwandtschaft, zu welchen Aufständen und Ausfällen Kinder teilweise fähig sind.

Letztlich war ich jedes Mal positiv überrascht, dass der Großteil der Kinder super brav war, vor allem bei Betreuern, die sie kaum kannten. Natürlich waren auch da einzelne dabei, die sich nicht im Griff hatten, aber bei den meisten hatte ich schon den Eindruck, dass sie braver waren, als sie sich vielleicht zu Hause benommen hätten.

Auch als Babysitter habe ich die Erfahrung damals gemacht, dass die Kennenlernstunden, wo die Eltern meinen Umgang mit dem Kind beurteilten weit schwieriger waren, als der eigentliche Einsatz, weil die Kinder unter meiner alleinigen Aufsicht braver und ruhiger waren als in der Anwesenheit der Eltern. Die einzigen Entgleisungen, die ich alleine erlebt hatte waren, dass Kinder eben vor Sehnsucht nach den Eltern zu weinen begonnen haben, sich dann aber auch ablenken ließen.

Eltern von kleineren Kindern kennen sicher auch das Phänomen, dass kleinere Kinder die gelegentlich mal bei den Großeltern bleiben dann plötzlich total aufdrehen, Unsinn machen oder heulen, wenn die Eltern zurück kommen und die Großeltern im Brustton der Überzeugung sagen, dass das Kind vorher total lieb war. Zwar sind die Großeltern vertraut, aber eben meist nicht so eng vertraut wie die Eltern. Von daher denke ich schon, dass da vor allem kleinere Kinder sehr instinktiv lieber vorsichtig sind.

Kinder, die sowieso Probleme mit der Affektkontrolle haben, oder nicht gelernt haben, Grenzen zu akzeptieren reagieren da eher auffällig. Außerdem ist es auch ganz klar vom Charakter des Kindes abhängig, ob es eher introvertiert oder eher ein Lausebengel ist, wie viel es in der jeweiligen Situation mehr oder weniger riskiert. Ebenso hängt es davon ab, wie negative Konsequenzen beschaffen waren, die das Kind schon erfahren hat.

Vertrauen in der Eltern-Kind-Beziehung ist wichtig und unverzichtbar. Klar könnte man theoretisch das Vertrauensverhältnis stören, damit das Kind braver ist. Aber die zu erwartenden Nebenwirkungen sind so massiv, dass das nur ein gedankliches Experiment bleiben muss. Schließlich will man sein Kind nicht durch eine Zerstörung des Urvertrauens traumatisieren und lebenslang schädigen.

Natürlich kann man als Erziehender Kinder immer beeinflussen, ein Verhalten nicht so intensiv auszuleben oder sogar nach und nach einzustellen. Wie man das macht, hängt ganz klar vom Alter ab. Vor dem Grundschulalter kann man noch nicht viel Einfühlungsvermögen erwarten. Es wird also kaum in der Lage sein, aktiv und willentlich Rücksicht zu nehmen. Ab dem Grundschulalter kann man schon verstärk mit Gewissen und Moral argumentieren. In dem Alter ist es auch wichtig für die Kinder, dass die Eltern sich über sie freuen und stolz sein können. Da kann es Kinder schon anspornen, wenn man das so sagt.

Bei kleinen Kindern kann man eher so gegensteuern, dass unerwünschtes Verhalten ignoriert und erwünschtes Verhalten belohnt wird. Gerade die Nähe zu den Hauptbezugspersonen nutzt Jirina Prekop als Erziehungsmittel und hat dafür die Festhaltetherapie entwickelt. Frei und kurz gefasst werden Kinder während solchen Anfällen so sanft wie möglich fest im Arm der Eltern gehalten, bis sie sich wieder gefunden und beruhigt haben. So soll den Kindern signalisiert werden, dass die Eltern Kraft ihrer Liebe ihnen Grenzen setzen uns sie von solchem Verhalten fern halten. Die Methode wird aber durchaus kontrovers diskutiert, ist aber ein Beispiel dafür, wie man besonders durch Nähe Grenzen setzen kann. Das Büchlein ist nicht sonderlich dick, und auch für Laien gut verständlich und lesenswert.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Kinder benehmen sich in einer fremden Umgebung meistens vorbildhaft. Eher selten zeigen sie sich von ihrer schlechten Seite, vor allem dann nicht, wenn keine konkrete Bezugsperson dabei ist. Solange die Mutter und der Vater dabei ist, kann es schon passieren, dass sie bockig oder zickig sind, aber meist weniger als in bekannter Umgebung.

Das liegt sicherlich darin, dass sie in bekannter Umgebung mit Bezugspersonen genau wissen, was sie erwartet. Sie wissen genau, dass es zwar den anderen nicht gefällt, wenn sie sich falsch verhalten, aber die Welt geht nicht gleich unter, weshalb sie einfach auch hier und da mal ausprobieren, was passiert, wenn sie sich so verhalten.

Natürlich kann man das Verhalten von Kindern durch die Erziehung steuern. Das hat heißt aber nicht, dass man damit komplett verhindern kann, dass sich Kinder falsch benehmen. Jedes bockt mal und jedes Kind macht mal überhaupt nicht das was es machen soll. Das gehört zur Kindesentwicklung einfach dazu. Bei manchen Kindern ist das häufiger und bei manchen Kindern weniger oft. Unsere Kleine ist auch öfters mal bockig und stellt sich quer. Sie einfach so, natürlich kann man durch das eigene Verhalten den Verlauf und die Häufigkeit beeinflussen, aber solche Wutanfälle nie völlig vermeiden.

Ich persönlich finde es nun nicht so tragisch, wenn Kinder mal bockig sind. Schließlich ist das bei jedem Kind mal der Fall. Ich weiß auch nicht so recht, wie man mit Deiner These das Verhalten ändern sollte. Das würde ja nur gehen, wenn man für weniger Vertrauen sorgt bzw. das Kind häufig in ungewohnte Umgebung begibt, wo es auch nicht die regelmäßigen Bezugspersonen hat. Diesen Ansatz finde ich eigentlich gar nicht gut. Lieber akzeptiere ich, dass sich meine Kinder bei mir mal nicht so benehmen, wie ich es möchte, als dass ich kein uneingeschränktes Vertrauen zu ihnen haben möchte. Vielleicht habe ich das auch nicht so verstanden, wie du es meintest. Das kann auch sein. Ich muss aber auch dazu sagen, dass unsere Kinder bis auf mal einen bockigen Wutanfall ordentlich benehmen und man sich über sie gar nicht beschweren kann. Sie sind also im Grunde ganz brave Kinder, die natürlich auch mal die Grenzen austesten.

» floraikal » Beiträge: 1127 » Talkpoints: 2,05 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich selber bin sowohl Mutter einer sechsjährigen Tochter, als auch Kindergartenpädagogin. Deshalb kann ich diese These auch sehr gut nachvollziehen. Es ist tatsächlich so, dass sich die Kinder bei der eigenen Mutter oder den engsten Bezugspersonen ziemlich anders verhalten, also sich mehr erlauben, als wenn sie bei "Fremden" zu Gast sind.

Die schlimmsten Kinder werden zu den bravsten, wenn sie ein Umfeld haben, das ihnen relativ unbekannt ist. So habe ich mit meiner Tochter auch schon die Erfahrung gemacht, dass, obwohl ich zu Hause ziemliche Schwierigkeiten habe, sie unter Kontrolle zu bekommen, weil sie ein ziemlicher Wirbelwind ist, es tatsächlich so ist, dass sie beim Besuch sehr wohl aufs Wort das macht, was ihr gesagt wird.

Auch im Kindergarten habe ich diese Erfahrung gemacht. So ist es ein Stückchen ruhiger, wenn jemand kommt, der normalerweise nicht im Kindergarten ist (Polizist, Zahntante etc.), der/ die kann noch so uninteressante Dinge erzählen, die Kinder sind hier viel ruhiger, weil sie die Person nicht so gut kennen. Wahrscheinlich wissen sie da ja auch nicht, was sie sich alles erlauben können, weil Kinder ja Grenzen austesten. Bei den Eltern oder der Kindergartenpädagogin ihres Vertrauens, wissen die Kinder ja schon genau, wie sie ticken.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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