Muss ein Arzt eine geäußerte Selbstmord-Absicht ernstnehmen?

vom 07.03.2013, 18:51 Uhr

Der Fall hat sich in meinem Bekanntenkreis zugetragen, wobei ich den Betroffenen aber nicht persönlich kannte. Es handelte sich um den Bruder einer Freundin meiner Eltern. Bei diesem Mann wurde Krebs diagnostiziert. Über die Art des Krebses oder wie seine Heilungschancen standen, ist mir nichts bekannt. Ein Arzt hat ihm also die Diagnose mitgeteilt. Daraufhin soll der Mann etwas gesagt haben wie "Dann kann ich mich ja gleich umbringen". Und genau das hat er sehr kurz danach leider getan.

Seid ihr der Meinung, dass ein Arzt, wenn ihm gegenüber so etwas geäußert wird, entsprechende Maßnahmen einleiten müsste, um seinen Patienten zu schützen? Oder findet ihr es richtig, dass er den Mann einfach so nach Hause gehen lassen hat, weil so eine Äußerung in so einem Moment nicht genügend Anlass bietet, um wirklich eine reale Gefahr zu sehen?

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Das ist eine schwierige Frage. Was hätte der Arzt denn tun sollen? Den Patienten, vielleicht auch gegen seinen Willen, in der Praxis festhalten und die Polizei rufen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Der Mediziner riskiert ja auch einen Mordsärger, wenn er einen Patienten gleich einweisen lässt und derjenige nach zwei Stunden behauptet, er hätte diesen Satz nur so dahin gesagt. Dann müsste sich die Arzpraxis rechtfertigen, weil sie allem Anschein nach total überreagiert hat.

Solche Bemerkungen fallen in einer Arztpraxis ja vielleicht auch öfter, wenn Menschen schlechte Nachrichten bekommen, und die wenigsten nehmen sich ja wirklich einen Strick. Deshalb bin ich der Meinung, dass es sich hier um einen tragischen Fall handelt, und der Arzt sich bestimmt auch Vorwürfe macht. Aber dass er hier speziell in der Pflicht gestanden hätte, geht aus der hier geschilderten Version der Ereignisse für mich nicht hervor.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich denke, dass ein Arzt eben öfter mal solche Reaktionen auf eine schlimme Nachricht hat und er das nicht jedes Mal Ernst nehmen kann. Es ist ja auch die Frage, was es einem Todkranken bringt in einer Psychiatrie zu sitzen. Wenn sich jemand nach so einer Diagnose umbringen will und vielleicht nur noch wenig Zeit zu leben hätte, dann sollte man ihn auch lassen und ich denke nicht, dass der Arzt sich mit so einem Verhalten strafbar macht.

Dieser Satz ist ja auch keine Äußerung einer Absicht, sondern ist eher als Reaktion zu werten und in den meisten Fällen sollte danach kein Selbstmord kommen. Man kann aber auch nicht einfach über einen Patienten in der Form bestimmen. Jeder sollte das Recht haben, sein Leben nach einer solchen Diagnose ohne lange Qual beenden zu können. Krebs heißt meistens schmerzhafte Chemo und dann hat er vielleicht eh schon keine Hoffnung gehabt.

Ich denke auch, dass keiner irgendwie passend reagiert, wenn er eine solche Diagnose bekommt, weil es eben kein richtig oder falsch gibt. Die Erstreaktion wird man aber wohl kaum werten können. Sicherlich gibt es auch Menschen, die dann aggressiv werden und um sich schlagen. Diese Leute würde man ja auch nicht wegsperren.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Aus diesem Satz würde ich jetzt nicht auf eine Selbstmordabsicht schließen. Ich glaube nicht, dass der Arzt da etwas hätte tun müssen. Wenn er ein langes Gespräch mit dem Betroffenen geführt hat, kann er eigentlich nichts mehr machen. Für eine Beurteilung des ärztlichen Verhaltens bräuchte man mehr Informationen, zum Beispiel, ob der Kranke Angehörige hatte. Aber auch in dem Fall darf er denen nicht einfach Bescheid geben, ohne seine ärztliche Schweigepflicht zu verletzen.

Ein Arzt ist kein Übermensch, den man für alles verantwortlich machen kann. Ich wüsste jetzt nicht, was er hätte tun können.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich finde sogar, er ist dazu verpflichtet. In Österreich gab es schon Fälle, wo das als Spinnerei abgetan wurde und Wochen später ist es passiert. In den Medien ist so ein Fall schon einmal bekannt geworden und dann haben Schwestern ausgesagt, dass der Mann so etwas schon früher geäußert hätte, aber der Arzt ihm so eine Tat nicht zugetraut hatte. Natürlich war der Arzt dann dran, wurde verurteilt und verlor sein Berufsausübungsrecht.

» celles » Beiträge: 8677 » Talkpoints: 4,08 » Auszeichnung für 8000 Beiträge


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