Ärztliche Schweigepflicht auch bei Gewaltverbrechen?

Bisher habe ich darüber nur widersprüchliche Meinungen gehört. Das Gespräch kam neulich auf, als ich mich mit ein paar Freunden getroffen habe. Wir haben von weitem eine Schlägerei gesehen und da kam das Thema darauf, dass die Ärzte, die diese Leute behandeln nichts sagen dürfen, weil sie Schweigepflicht haben. Einer aus der Runde meinte aber, dass bei einem Gewaltverbrechen der Arzt sogar verpflichtet wäre was zu sagen.

Die Meinungen gingen dann sehr auseinander. Denn es kam dann auch das Thema auf eine Schussverletzung. Was ist, wenn ein angeschossener Mensch in die Notaufnahme kommt. Muss der Arzt dann die Polizei rufen, weil ja "draußen" noch jemand mit einer Schusswaffe herumläuft? Schließlich ist ja auch Gefahr in Verzug, wenn man es genau nimmt. Ab welchem Gewaltverbrechen hat ein Arzt denn keine Schweigepflicht mehr?

Ich persönlich muss sagen, dass man doch immer verpflichtet ist, ein Verbrechen mit aufzuklären und wenn nur eine moralische Pflicht besteht. Wenn also Stichverletzungen und Schussverletzungen ins Krankenhaus kommen, wird das dann immer noch vom Arzt verschwiegen? Warum aber haben die Leute in Krimis im Fernsehen Angst zum Arzt zu gehen, weil sie meinen, dass die Ärzte die Polizei benachrichtigen müssen. Auch das habe ich schon gesehen. Gehen die Krimis so sehr an der Realität vorbei?

Der Arzt hat keine Aussagepflicht gegenüber der Polizei. Er ist allerdings verpflichtet, den Strafverfolgungsbehörden ein geplantes Verbrechen mitzuteilen. Er darf die Schweigepflicht brechen bei besonders schweren Verbrechen mit Wiederholungsgefahr, die mit einer Störung des Rechtsfriedens verbunden sind.

Diplompsychologen müssen sich auch an die Schweigepflicht halten. Bevorstehende Straftaten sind Ausnahmen, die angezeigt werden müssen. Hier handelt es sich zum Beispiel um Mord und schweren Menschenhandel, räuberische Erpressung, Raub und Brandstiftung. Da muss der Diplompsychologe Anzeige erstatten. Also Straftaten, die bereits erfolgten, unterliegen der Schweigepflicht.

Warum aber haben die Leute in Krimis im Fernsehen Angst zum Arzt zu gehen, weil sie meinen, dass die Ärzte die Polizei benachrichtigen müssen.

Kommt halt auf die Wahrnehmung des Arztes an. Wie Cid schon sagte, grundsätzlich gilt für den Arzt erst einmal die Schweigepflicht. Aber er kann sich über diese Hinwegsetzen, wenn er damit eine Straftat verhindert.

Kommt man also mit einer Schussverletzung ins Krankenhaus, muss sich der Arzt dann eben die Frage stellen, ob er jetzt mit einer Meldung bei der Polizei verhindert, dass noch jemand anderes angeschossen wird oder ob das jetzt zum Beispiel wirklich nur versehentlich beim Schießtraining passiert ist und ein Unfall war. Dabei kommt es dann natürlich auch maßgeblich darauf, was und wie es dem Arzt vom Patienten erzählt wird.

Da ergibt sich also durchaus eine relativ breite Grauzone und viel Ermessensspielraum für den Arzt und ich denke dass es da sehr oft Fälle gibt, wo sich immer wieder Ärzte finden würden, die so eine Verletzung melden und genauso viele, die es eben nicht tun würden.

Wenn man sich da also wieder in die Krimis versetzt könnte man sagen, dass der Gang ins Krankenhaus mit der Schusswunde ein wenig wie Roulettespiele wäre. Wenn du auf den richtigen Arzt setzt, dann passiert dir nichts, wenn du den falschen nimmst, dann kommt gleich die Polizei um die Ecke.