Die Jüngeren müssen sich immer bei den Älteren melden?!

Ich hatten letzte Woche mal wieder eine Diskussion innerhalb meines Freundeskreises. Eine Freundin von mir hat ein paar Probleme mit ihrer Familie. Die melden sich wirklich nie bei ihr. Sowohl die Mutter, als auch die Oma sind einfach der Meinung, dass meine Freundin anrufen müsse, um sich nach dem Befinden der älteren Familienmitglieder zu erkundigen. Ich finde das ehrlich gesagt total albern und das kenne ich so auch gar nicht.

Ich rufe meine Mutter zwar auch sehr oft an, aber sie tut das genauso. Wenn sie wissen möchte, wie es mir geht, dann ruft sie eben an. Sie möchte ja auch wissen, wie es ihrem Enkelkind geht. Woher kommt denn das Denken mancher Leute, dass die Kinder die Mütter anrufen müssen und nicht umgekehrt? Kennt ihr das auch so oder findet ihr diese Auffassung auch total altmodisch und übertrieben? Ruft ihr eure erwachsenen Kinder an oder erwartet ihr auch, dass sie sich bei euch melden?

Meine Eltern rufen mich schon des öfteren an, sie erwarten aber auch, das ich mich bei Ihnen melde. Eigentlich hält sich das ganz gut die Waage, und ich kann nicht wirklich behaupten, dass sich einer von uns mehr oder weniger meldet. Bei unserer Oma ist das allerdings nicht der Fall. Da müssen wir uns schon melden, sie würde das doch wirklich glatt vergessen, aber in dem Alter ist das sicherlich auch völlig in Ordnung, und wir sehen das dann auch als selbstverständlich an, dass wir uns um sie sorgen und nicht umgekehrt.

Ich bin der Meinung das beide Seiten jung und alt sich abwechselnd bei dem einen oder anderen Familienmitglied melden sollen. Bei uns war das jahrelang der Fall, nachdem ich geheiratet habe, hat es sich so eingespielt das ich fast täglich mit meinen Eltern telefoniert habe. Wir haben uns nicht so häufig gesehen, aber dafür ständig telefoniert. Mal habe ich bei meinen Eltern angerufen, mal meine Eltern bei uns. Wir haben auch nicht gegeneinander aufgerechnet, ob der eine mal drei Mal angerufen hat und der andere nur ein Mal. Bis meine Eltern gestorben sind hat das immer gut geklappt.

Bei meinen Schwiegereltern sah das schon anders aus, sie haben mehr oder weniger darauf bestanden, das mein Mann immer anruft und wenn er mal keine Zeit hatte, dann gab es sofort Stress. Wahrscheinlich hatte ihr Telefon keine Wählscheibe. Irgendwie haben meine Schwägerinnen die Haltung mit übernommen, denn sie rufen bei uns auch nie an . Mein Mann hält aber einmal in der Woche den Kontakt, allerdings muss er dann anrufen.

Ich bin der Meinung, wenn beide Seiten den Kontakt halten möchten, dann ist es egal ob der Ältere oder der Jüngere zum Telefon greift. Bei der Oma, die vielleicht schon ein wenig tüddelig ist, würde ich das aber nicht machen, da kann man als Jüngerer ruhig mal anrufen.

Ist das so ein Denken, dass manche von ihren Eltern übernommen haben oder was liegt einem solchen Gedanken zu Grunde? Das ist ja fast schon so wie der Aufbau einer Hierarchie, unfassbar für mich. In der Familie sollte es ein gegenseitiges Geben und Nehmen sein. Jeder ist doch normalerweise an jedem interessiert. Was spricht dagegen, wenn die Oma die Enkelkinder anruft? Oder was stört den Vater, wenn er sich das Telefon nimmt und seiner Tochter einen schönen Tag wünscht?

Genauso ist es doch bei den Kindern, dass sie gerne die Eltern oder Großeltern anrufen. Nicht nur um sich zu erkundigen, wie es ihnen geht, sondern ihnen durch den Anruf auch eine Freude machen wollen. Manchmal brauchen sie ja auch einen Rat und verbinden das mit einem allgemeinen Anruf. Ich würde jedenfalls wissen wollen, wie es meinen Kindern und Enkelkindern geht. Mit Telefonaten würde ich nicht nerven, aber ab und zu doch nachfragen, das finde ich völlig normal. Zu sagen, dass die Jüngeren die Älteren anrufen müssen, ist völliger Quatsch.

Meine Oma beschwert sich manchmal auch bei meiner Mutter, dass sie mich so selten sieht oder weil ich sie so selten anrufe. Aber zu mir sagt sie leider nichts und ich würde es auch gut finden, wenn das Telefon einfach mal "für mich" klingelt und meine Omi mich begrüßt.

Eine feste Regel gibt es bei uns nicht, aber von mir wird eigentlich auch erwartet, dass ich mich melde und nicht umgekehrt. Vielleicht ist das so oder man hat das früher auch immer so gemacht?

Da ich noch bei meiner Mutter wohne, kann ich nicht beurteilen, wie sich das später entwickeln wird, mein Vater lebt allerdings nicht bei uns und da ist es schon so, dass es sich mit den Anrufen ungefähr die Waage hält, auch wenn wir das nie aufrechnen würden. Natürlich gibt es mal Zeiten, in denen er sehr viel Stress in seiner Firma hat und alles Andere untergeht, dann habe aber auch ich wieder Phasen, in denen die Universität mich gänzlich in Anspruch nimmt und ich das Anrufen vergesse, das gleicht sich schon immer wieder ungefähr aus. Generell finde ich es auch albern, dass die jüngere Generation sich bei der Älteren zu melden hat, denn auch Erstere freut sich, wenn das Telefon für sie klingelt und ihr gezeigt wird, dass man an sie denkt.

Mit einer meiner Großmütter habe ich allerdings ein diesbezügliches Problem, wobei unsere Schwierigkeiten miteinander sicher nicht nur darauf beruhen, dass sie nie von sich aus den Telefonhörer in die Hand nehmen würde. Ich habe eher das Problem, dass sie sich rein gar nicht für mich zu interessieren scheint. Von selbst würde sie nie bei mir anrufen, tue ich es dann, hagelt es erst einmal Vorwürfe bezüglich der langen Funkstille; ist sie dann damit zum Ende gelangt, erzählt sie lediglich über sich und ihre alltäglichen Probleme, von Interesse an mir ist da wenig zu spüren. Hier liegt das Problem somit weniger in der Verteilung der Telefonanrufe, sondern an ihrer Ichbezogenheit und ihrem nicht gerade stark ausgeprägten Interesse für die Belange anderer Menschen.