Alberne Faschingskostümierungen im Süden Deutschlands
Es mag sein, dass ich etwas verwöhnt bin, was den Karneval in Nordrhein-Westfalen betrifft. Auch erwarte ich in Bayern keine vergleichbaren Kostümierungen. Allerdings traf ich in den letzten Tagen im Münchner Fasching auf viele Personen, bei denen ich mich wirklich gefragt habe, ob sie nun verkleidet sind oder ob ihre Kleidung ihre alltägliche Kleidung ist.
Ich sah Perücken, die man kaum als solche erkennen konnte, bunte Strumpfhosen und Kopfbedeckungen, wie man sie auch sonst als Modesünde trägt, ohne dass es eine weitere Verkleidung gab. Ebenso begegneten mir einige Leute in Trachten und Menschen anderer Nationalitäten in auffälliger Kleidung im Stil ihrer landesüblichen Kleidung. Andere Leute waren einfach nur auffälliger geschminkt, allerdings auch in Farben und in einer Art und Weise wie man sie auch sonst findet.
Habe ich vielleicht nur verstärkt darauf geachtet und kann man in anderen Teilen Deutschlands vielleicht ähnliche Beobachtungen machen, wenn man genau hinschaut? Wobei mir das vorher noch nie aufgefallen ist. In den Karnevalshochburgen gibt es zwar durchaus auch Menschen, die wenig verkleidet sind und sich nur bunt anziehen, mit Luftschlangen oder Federboas um den Hals und einer Kopfbedeckung, allerdings wirkten diese immer anders auf mich als die Münchner. Auch aus anderen süddeutschen Orten sah ich teilweise Bilder, die doch eher alberne Kostümierungen zeigten.
In München fiel zudem auch die Verkleidung von Gruppen auf. Eine Trommlergruppe war kostümiert, jedoch in völlig unterschiedlichen Kostümen, die auch keinen tieferen Sinn erkennen ließen. Auf der Bühne tanzten Gruppen, von denen einige so wirkten, als habe man lediglich vereinbart, dass alles etwas Oranges oder Grünes tragen. Und so mancher Besucher trug einfach nur eine Maske ohne weiteres Kostüm. Habt ihr ähnliche Beobachtungen gemacht?
In Bayer war es zumindest zu meiner Kinder- und Jugendzeit enorm wichtig, im Alltag gut, stilvoll und ordentlich gekleidet zu erscheinen. (Die Jugendlichen mal teilweise ausgenommen.) Hier in Berlin ist das vergleichsweise locker. Man kann herum laufen, wie man möchte und keiner sieht einen schief an. In Bayern ist es mittlerweile anscheinend etwas lockerer geworden als früher, aber ich empfinde die Leute da immer noch im Durchschnitt als stilvoller gekleidet als anderswo.
So erklärt sich vielleicht, dass das was andernorts nur eine Modesünde wäre in Bayern schon ein Kostüm ist, weil es viele Leute eben schlimmer als eine Modesünde empfinden und so etwas niemals im Alltag tragen würden. Auch diese erwähnten Perücken fallen vermutlich eher dem nahem Umfeld der Leute auf. Wenn ich jemanden sonst als blonde Person kenne und der plötzlich mit einer braunen Perücke auftaucht, dann würde mir das in meinem Bekanntenkreis schon als Verkleidung auffallen, weil es eben anders als gewohnt aussieht. Bei einem Fremden ist das wohl nicht der Fall.
In München wird denke ich nicht so ein Kult mit den Kostümen betrieben. Fasching es eben ein nettes Fest. Für die Rheinländer ist Fasching oftmals Lebensinhalt und Hobby. So wird eben dort viel mehr Energie in ein Kostüm gesteckt, in Bayern wird oft spontan überlegt, wie man sich mit vorhandenen Mitteln irgendwie verkleiden kann ohne groß Aufwand zu betreiben. Das sind eben ganz andere Lebenseinstellungen.
Hier rund um Berlin gibt es noch mehr richtige Karnevals-Muffel. Es kann da durchaus passieren, dass im Kindergarten Karneval gefeiert wird und einige Kinder sich weigern verkleidet in den Kindergarten zu kommen. Das war für mich hier ein absolutes Unding. Die Eltern unterstützen das auch noch! Auch auf öffentlichen Empfängen, wenn sich die Politprominenz zu Karneval trifft ist dann die Garde da und tanzt und der Karnevalsverein gibt sich die Ehre und man trifft im Publikum reichlich Leute, die in ganz normalen Alltagsklamotten wie jeden Tag auftauchen. Wenn das ein Rheinländer sehen würde, der würde wahrscheinlich erst mal seinen Therapeuten aufsuchen müssen, wie man so karnevalsfeindlich sein kann.
@trüffelsucher, auch wenn ich mich immer schwer tue etwas allgemeingeltend als stilvoll zu bezeichnen und gerade bei Mode weiß, dass es dort soviele verschiedene Stilrichtungen gibt, dass man kaum alles als stilvoll bezeichnen kann, so verstehe ich doch, was du meinst. Mir erscheint es hier auch manchmal so, als würden selbst die Randgruppen ordentlicher gekleidet sein und angepasster aussehen als anderswo.
Mittlerweile denke ich auch, dass man Fasching in Bayern fast mit Oktoberfestpartys außerhalb Münchens vergleichen kann. Die wirken für den Urbayern auch manchmal eher albern.
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