Im Süden wird Wert auf das Wort Fasching gelegt?
Ich bin aufgewachsen im Ruhrgebiet und dort, bzw. in der näheren Umgebung Düsseldorf und Köln befinden sich ja quasi die Karnevalshochburgen. Irgendwie kennt auch jeder jemanden der im Karneval aktiv ist und die meisten in der Gegend waren vermutlich zumindest mal als Kind oder mit eigenen Kindern bei Karnevalsumzügen. So ging auch an mir die Karnevalszeit nie spurlos vorüber.
Obwohl man in Nordrhein-Westfalen hauptsächlich von Karneval spricht, kennt man dort natürlich auch die Weiberfastnacht. Doch soweit ich mich erinnere ist auch das Wort Fasching dort nicht verpönt. Anders verhält sich scheinbar in Bayern und Franken. Dort wurde ich mehrmals von unterschiedlichsten Personen, die mit dem Fasching nie mehr zu tun hatten als ich, darauf aufmerksam gemacht, dass man kein Karneval feiert sondern Fasching.
Unterschiede sehe ich durchaus. Während man in den Hochburgen mit riesigen Umzügen feiert und vor allem Weiberfastnacht und die großen Umzüge am Karnevalssonntag sowie Rosenmontag zelebriert werden, wird zumindest in München eher am Dienstag gefeiert. Wobei auch das Feiern anders aussieht, die Kostümierungen (die ein eigenes Thema sind) und auch das Rahmenprogramm. An Buden die eher an den Weihnachtsmarkt erinnerten gab es (hauptsächlich) alkoholische Getränke, sowie typisches Fast-Food. Auf einer Bühne gaben lokale Tanzschulen in bunten Kleidchen einige ihrer Tänze zum Besten.
Ich habe natürlich gar nicht erwartet hier ähnliches vorzufinden wie in Köln oder Düsseldorf, doch mich wundert es sehr, wie sowohl der Münchner als auch Leute in kleinen fränkischen Dörfern auf den Begriff "Fasching" bestehen. Wenn ich hingegen das Ch am Anfang eines Wortes so ausspreche, wie ich es gelernt habe und statt Kemie weiter Chemie sage, wurde ich noch nie verbessert. Ebenso könnte ich auch Brötchen statt Semmeln bestellen ohne das man mich ständig darauf macht. Warum ist es beim Karneval, bzw. Fasching anders?
Ich habe die Erfahrung genau anders herum gemacht. In meiner Gegend wird auch eher "Fasching" gefeiert, "Karneval" nutzt hier kaum keiner. Und dann kam ich in die Hochburg Köln. Aus lauter Gewohnheit habe ich natürlich wie immer das Wort "Fasching" benutzt. Und ich wurde böse angeschaut, verpönt oder manchmal diskret drauf angesprochen, dass man das hier nicht so nennen dürfe.
Ich habe irgendwann mal verstanden, dass für die ganz eifrigen Karnevallisten in dieser Gegend "Fasching" so etwas wie ein Schimpfwort ist. Ich verstehe zwar nicht, wie man so engstirnig dabei sein kann, aber ich bemühe mich jetzt immer das Wort "Karneval" zu benutzen. Ich habe keine Lust auf die Belehrungen mehr.
Das kann mit daran liegen, dass man sich in Bayern durchaus bewusst ist, dass das Ch am Wortanfang auch anders ausgesprochen werden kann. Die Schweiz liegt ja auch nahe bei Bayern und da wird das Ch in weiten Teilen sehr kehlig als Reibelaut produziert. Diese Ausspracheform ist eben eindeutig dialektal bedingt.
Wenn man es genau nimmt, wird Karneval vermutlich einfach als falsche Vokabel benutzt. So lange ich in Bayern gelebt habe, war es für mich auch einfach und selbstverständlich Fasching. Karneval war für mich eher der Inbegriff des Maskenballs in Venedig. Als ich dann einen Kölner kennen lernte, lernte ich auch, dass es hier unterschiedliche Begrifflichkeiten gibt. Bei Semmeln und Brötchen hat sich mittlerweile bei vielen herum gesprochen, dass es da dialektale Unterschiede gibt. Ebenso heißt es im Hochdeutschen ja Brötchen, und das wird auch in Bayern in der Schule gelehrt.
Ich lernte auch, dass Karneval und Fasching doch irgendwie unterschiedlich sind. Diese großen Umzüge mit bunten Wagen die mit verkleideten Personen bestückt sind, kenne ich aus Bayern nicht. Ich war damals auch recht erstaunt, dass man im Rhein-Gebiet vom Wagen aus Süßigkeiten wirft. Zumindest aus meiner Kinderzeit kenne ich das nicht aus Bayern. Auch diese Karnevalssitzungen, die gerne im Fernsehen übertragen werden, die mit lustigen Reden und solchem Tada dazwischen typisch sind, kannte ich vorher nicht. Mit dieser Art von Humor kann ich auch bis heute wenig anfangen. Da muss man wohl mit aufgewachsen sein.
In Bayern kenne ich es hauptsächlich aus meiner Kinderzeit so, dass es für die Kinder ein zentrales Faschingsfest irgendwo im Dorfgebiet gabt. Das war in etwa so wie eine riesige Geburtstagsparty, nur dass am Ende das beste Kostüm prämiert wurde. Ansonsten gab es viele Spiele, Musik und Tanz. Für die Erwachsenen war der Hauptspaß, dass es abends Faschingsbälle gab, wo man sich zum Tanzen traf und dazu nicht in die Disco oder zu den Senioren zum Tanztee musste. Die Umzüge waren eher zweitrangig.
Ich kann mir vorstellen, dass es an den unterschiedlichen Bräuchen liegt. Im Rheinland sind die Umzüge, die am Rosenmontag stattfinden, der Höhepunkt. An diesem Tag wird viel auf der Straße gefeiert. In München ist es beispielsweise traditionell so, dass es sehr viele Faschingsbälle gibt, die über eine lange Zeit verteilt sind. Die Umzüge sind nicht so erwähnenswert und die Straßenfeiern wirken eher imitiert und sind meistens nicht so besonders lustig, sondern eher gezwungen und peinlich. Und für die unterschiedlichen Brauchtümer braucht man eben auch unterschiedliche Namen
Ich komme aus dem Erzgebirge und man sagt bei uns Fasching. Das Wort Karneval ist hier unüblich, das verwendet man eigentlich nur, wenn man sagen will: Was gucken wir heute im Fernsehen? - Wir könnten doch mal beim Karneval reinschauen! Da sagt man ja nicht, wir gucken jetzt den anderen beim "Fasching machen" zu.
Aber allgemein ist zu sagen, dass Fasching hier wenig gefeiert wird. Klar, die Kinder in den Kindergärten kostümieren sich alle und feiern das Ganze, aber für Erwachsene hat es eigentlich keine Bedeutung oder sagen wir für die meisten Erwachsenen. Man kann es mit Halloween vergleichen, es ist rübergeschwappt, man kann hier und da ein bisschen Kram dazu kaufen, man macht auch bisschen mit, aber es ist keine große Sache.
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