Partner nach Unfall schwerbehindert. Neue Beziehung=Betrug?

vom 08.02.2013, 23:34 Uhr

Ich berichtete schon in einem anderen Thread von einer Person in meiner Familie, die nach einer Hirnblutung inzwischen schwerbehindert ist. Prinzipiell wäre es ihr noch möglich, mit unterschiedlichen Hilfsmitteln zu kommunizieren, allerdings ist sprechen ausgeschlossen und mehr als den Arm langsam bewegen kann sie nicht mehr. Die Person war zum Zeitpunkt ihres Unfalls sein ein paar Monaten verheiratet. Der Ehegatte lebt mittlerweile als Single. Eine Beziehung mit einer so schwer geschädigten Person ist ja nicht mehr möglich, aber eine neue Beziehung einzugehen käme ihm vor wie Betrug.

Wie seht ihr das? Hat man als Lebensgefährte oder Ehepartner die Pflicht, der durch ein Unglück behinderten Person treu zu bleiben und sie auch weiter als Ehepartner zu pflegen? Wäre eine neue Beziehung für euch Betrug?

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» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Eine Pflicht würde ich da im Prinzip nicht sehen, dass man beieinander bleibt. Aber deswegen würde ich meinen Partner in so einer Situation trotzdem nicht alleine lassen oder auch verlassen. Das muss jeder für sich entscheiden, aber wenn ich jemanden liebe und ihm die Treue der Ehe versprochen habe, dann kümmere ich mich auch um ihn, selbst wenn er nichts mehr machen kann und mich auch nicht mehr mitbekommt. Für mich ist das tatsächliche Liebe, weil es eben nicht so leicht ist, da noch bei einer Person zu bleiben.

Ich kann schon verstehen, dass man da sicherlich auch einen Ausweg sucht und damit nichts mehr zu tun haben wollte. Jedoch denke ich auch, dass man gerade bei einer frischen Ehe doch nicht gleich abhauen kann. Wenn er nun als Single lebt, sollte er sich nach einer Zeit auch wieder eine neue Freundin suchen. Für ihn ist es sicherlich schwer, aber wenn er seine Entscheidung getroffen hat, sollte er auch dazu stehen und es nicht als Betrug ansehen.

Ich wäre mir sicher, dass mein Partner nicht von mir erwarten würde, dass ich ewig an seinem Bett sitze, aber ich könnte das nicht anders. Spaß kann man ja haben und das würde er mir auch gönnen, aber mein Herz schlägt nur für ihn und da hat eben kein anderer Mann mehr Platz.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich finde deine Einstellung zu dem Thema echt vernünftig und sehr ehrenwert. Ich glaube für mich nicht, dass ich stark genug wäre, diesen Menschen in meinem Leben zu halten. Vielleicht sei dazu gesagt, dass der Gatte, von dem ich berichtete, zwar als Single lebt, seine Frau aber regelmäßig im Pflegeheim besucht, sie also nicht aus seinem Leben verwiesen hat. Er definiert es aber nicht mehr als Ehe im emotionalen Sinne.

Ich würde es vermutlich nicht einmal verkraften, die verunglückte Person noch zu besuchen und würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Flucht ergreifen und mich in eine andere Beziehung stürzen. Ich weiß, dass ich mich dabei furchtbar schäbig fühlen würde und ein schlechtes Gewissen hätte, die Person im Stich zu lassen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich es ertragen könnte, meinen geliebten Partner so hilflos zu sehen und selber nicht daran kaputt zu gehen, ist so gering, dass ich nicht anders könnte als zu flüchten.

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» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich denke, dass es eine schwere Frage ist, die man nicht so ohne weiteres beantworten kann, wenn man nicht selbst in dieser Lage ist. Ich kenne auch eine Frau, dessen Mann behindert ist, wohl durch einen Unfall und nun auf dem Stand eines Kindes ist. Die Frau hat nun nach Jahren einen neuen Partner und kümmert sich deswegen nicht weniger um ihren Ehemann.

Ich stelle es mir schwer vor und denke, dass man irgendwann einfach weiß, ob man dann bereit für einen neuen Partner ist oder eben nicht. Ich kann verstehen, dass man sich dann vorkommt, als würde man seinen Partner betrügen, aber auch irgendwo nicht gern allein bleiben möchte.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Es kommt darauf an, ob man kirchlich geheiratet hat oder nicht. Bei einer kirchlichen Hochzeit geht man ja andere Verpflichtungen ein als bei einer standesamtlichen, was vielen Menschen gar nicht bewusst ist. Wenn man katholisch ist und katholisch geheiratet hat, darf man natürlich keine neue Beziehung eingehen und muss den Partner bis zum Tode pflegen. In einem solchen Fall muss man sein Schicksal aus Sicht der Kirche erdulden.

Jeder muss das mit seinem Gewissen ausmachen. Wenn man nicht in der Situation steckt, kann man gar nichts dazu sagen. Es kann auch keiner darüber urteilen. Das ist eine Entscheidung, die jeder für sich selber treffen muss, ganz alleine.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Man liebt doch seinen Partner und ein Unfall mit solchen Folgen kann zwar langfristig die Gefühle verändern, aber doch in der scheinbar doch recht kurzen Zeit, die ich aus deinen Ausführungen vermute. Dass der Mann als Single lebt kann ich gar nicht verstehen. Oder ist die Frau in einem Pflegeheim untergebracht?

Wobei es für mich gar nicht zusammen passt, dass er auf der einen Seite von seiner Frau getrennt lebt, aber eine neue Beziehung als Betrug ansieht. Das widerspricht sich doch irgendwie. Ich selbst könnte mir nicht vorstellen meinen Freund deswegen zu verlassen und das Risiko einer körperlichen Behinderung stand bei ihm Ende letzten Jahres auch im Raum.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Solche Situationen sind sicher sehr schwierig und man wird kaum sagen können, wie man sich verhalten würde, wenn man nicht selbst in der Situation ist. Früher hätte ich vermutlich auch dazu tendiert zu sagen, dass ich den Partner nicht verlassen würde, wenn er plötzlich schwer behindert wäre. Ich hätte es auch nicht als richtig angesehen und wäre vielleicht in weiten Teilen aus Mitleid geblieben.

Mittlerweile bin ich eigentlich der Ansicht, dass es weder dem kranken oder behinderten Menschen noch einem selbst etwas bringt, wenn man aus Mitleid zusammen bleibt. Natürlich hat man den Menschen vielleicht sehr geliebt, ich könnte mir aber sehr gut vorstellen, dass sich die Liebe zu der Person doch verändert, wenn sich die gesamte Beziehung verändert. Das ist ja in einer solchen Situation definitiv der Fall. Der Mensch, mit dem man glücklich war und mit dem man sein Leben teilen wollte, existiert nicht mehr in der gewohnten Form.

Ich finde es wichtig, dass man in einer Partnerschaft auf Augenhöhe ist und dass man in seinem Partner einen echten Gefährten hat, mit dem man sich messen, diskutieren und vieles erleben kann. Das ist nicht mehr möglich, wenn ein Partner ein schwerer Pflegefall ist, der auf die Hilfe des anderen angewiesen ist. Gerade wenn man sich nicht einmal mehr unterhalten kann, fehlt einfach ganz vieles.

Ich denke nicht, dass man unter allen Umständen zusammenbleiben muss. Wenn man sich trennt, weil die Beziehung einfach nicht mehr möglich ist, habe ich dafür Verständnis. Ich finde es auch wesentlich aufrichtiger, wenn man zugibt, dass man nicht mehr hinter der Beziehung steht, als wenn man bei dem Partner bleibt, obwohl einem die Beziehung gar nichts mehr gibt. Eine erneute Beziehung mit jemand anderem würde ich in so einem Fall nicht als Betrug bezeichnen.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Es ist sicherlich nicht einfach in einer solchen Situation bei seinem Partner zu bleiben - vor allem, wenn man sich am Anfang der Ehe befindet. Trotz allem heißt es bei einer Eheschließung: "in guten, wie in schweren Zeiten" und sogar "bis dass der Tod euch scheide" und nicht wenige Paare geben sich auf diese Worte hin das Eheversprechen. Es wäre ein wenig unsinnig, wenn man im Endeffekt doch nur dazu bereit ist, nur in den guten Zeiten beim Partner zu bleiben und in den schlechteren Zeiten die Flucht zu ergreifen. Schließlich beziehen sich diese Worte nicht nur explizit auf Streitereien, sondern auch auf gesundheitliche Zustände.

Ich denke, wenn ich meinen Partner über alles Liebe, dann erst Recht auch in solchen schwierigen Lagen und ich würde es als meine Verpflichtung ansehen, bei ihm zu bleiben, auch, wenn es alles andere als einfach werden würde. Aber was wäre denn schon meine Liebe wert, wenn ich sie für meinen Partner nur über hätte, solange es ihm gut geht?

Wenn ich mich in eine andere Beziehung stürzen würde, dann würde ich es vermutlich auch gewissermaßen als Betrug empfinden und könnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Von daher kann ich es nachvollziehen, dass dein Bekannter ähnlich fühlt. Wenn ich mich versuchen würde in die andere Lage zu versetzen, dann würde ich als Opfer wahrscheinlich sehr enttäuscht davon sein, wenn mein Partner mich in einer solchen Situation verlassen würde, in welcher ich ihn am meisten brauchen würde. Ich würde mich von ihm verraten fühlen und ich würde glauben, dass seine Liebe zu mir nie aufrichtig gewesen wäre. Und von dieser Denkweise her, könnte ich es nicht ertragen, meinen Partner zu verlassen oder "hintergehen". Ich würde es einfach nicht übers Herz bringen.

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» LongHairGirl » Beiträge: 845 » Talkpoints: 47,97 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich finde, man muss auch sehen, dass dem gesunden Partner ja auch sehr viel genommen wurde. Er hat eine Person geheiratet, die so nicht mehr da ist. Und dann ist sie nicht nur nicht mehr da, sondern leidet auch noch unendlich. Ich kann gut verstehen, wenn man das nicht aushält. Niemand kann sagen, wie er reagieren würde, wenn es ihm noch nicht genauso passiert ist. Ich kann nur für mich hoffen, dass ich genug Kraft hätte, es zu schaffen.

Und ich kann auch nur hoffen, dass ich als die Person mit der Behinderung so viel Kraft hätte, meinen Partner gehen zu lassen. Wenn die beiden erst so kurz verheiratet sind, dann sind sie wohl noch recht jung. Ich würde nicht wollen, dass die Person, die ich liebe, sich um mich kümmert und nie wieder eine normale Beziehung haben kann, in der er auch nehmen kann und nicht nur geben muss.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Zum Ersten möchte ich hier mal mein Beileid mitteilen. Ich weiß, deine Bekannte ist nicht verstorben, aber ich weiß genau, dass eure Zeit dort jetzt nicht leichter wird. Ein Unfall kann immer passieren und das vergessen viele Menschen. Das wie, wann und wenn stellen sich die meisten erst gar nicht, denn darüber möchte man doch ehrlich gesagt nicht denken. Ich im Gegensatz zu den Herren habe mir diese Frage bisher immer gestellt und ich werde weiterhin, egal wie schwer es ist, dabei bleiben, um meiner Frau dann zu helfen. Das entscheidet jedoch jeder für sich selber.

Ich weiß jetzt nicht, wenn sie schwerstbehindert ist, inwieweit sie noch am Leben geistig teilnehmen kann. Weiß sie alles? Wenn sie noch im Bilde ist, finde ich die Aktion sich einfach zu trennen, nach wenigen Monaten Ehe wirklich abscheulich, denn sie wird für etwas bestraft, wofür sie am wenigsten kann. Das er wohl nicht in der Lage ist eine Beziehung mit jemanden zu führen, der so schwerstbehindert ist, wie du es schilderst, dürfte klar sein. Doch er könnte ihr dennoch in der Zeit auch irgendwie zur Seite stehen, denn sie hat bereits alles verloren, was überhaupt wichtig für sie gewesen war. Die Mobilität und eigene Motorik fast grenzenlos zu verlieren ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht, sondern dann auch noch den Partner zu verlieren nach wenigen Monaten ehe ist richtig mies. Doch jeder Mensch reagiert anders. Ich finde es nicht gut, aber das ist nur mein persönliches Empfinden.

Untreu in dem Sinne ist er ja nicht, denn er ist getrennt von ihr. Er dürfte faktisch eine neue Bindung eingehen, aber ob das der Sinn und Zweck ist? Ich meine er wird die Dame geliebt haben, sonst hätten sie nicht geheiratet. Ein tragisches Schicksal trennte beide eher voneinander, als sie weiter zusammenzubringen. Nun gut jetzt ist er Single und kann machen, was er will. Wenn er das als Betrug sieht, dann ist er meiner Meinung nach einfach nicht bereit für eine neue Bindung und hängt an seine alte. Auch wenn die Chancen so gering sind, aber ich habe bereits viele Wunder auch im TV erlebt mit vermeidlich gelähmten Personen oder schwerstbehinderten Personen. Vielleicht schafft er ja eine Art Freundschaft und kann ihr hin und wieder einfach zur Seite stehen. Womöglich hilft ihm das auch mit Gefühlen klarzukommen und sie so als Freundin zu sehen, dass er eine neue Beziehung eingehen kann. Viel Glück ist da nur zu wünschen.

» Glasreinigerin » Beiträge: 1008 » Talkpoints: 0,10 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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