Ist der Chef mal weg, macht jeder was er will?
Bei uns kommt es öfter mal vor, dass einer von den Chefs auch mal für mehrere Stunden außer Haus ist. Manchmal fahren sogar beide zusammen weg. Und man kann es wirklich beobachten, es dauert keine zehn Minuten und schon kommen die Kollegen aus der Produktion nach vorne, um erst mal eine Zigarette zu rauchen. Bei uns wurde nämlich mal angeordnet, dass nur noch in den Pausen geraucht wird. Ich finde es nur immer wieder faszinierend, wie die Männer das in der Halle überhaupt mitkriegen, dass der Chef wegfährt. Aber irgendwie scheint das eine besondere Gabe meiner Kollegen zu sein.
Allerdings mache ich das auch schon mal, dass ich dann mit raus gehe, um eine Zigarette zu rauchen. Jedoch kann ich das wieder nur dann machen, wenn meine Kollegin auch nicht da ist, denn sie ist ja auch Geschäftsführerin. Heute zum Beispiel, als mein Schatz mich angerufen hatte und ich gesehen habe, dass der Chef nicht da ist, bin ich dann auch mit dem Telefon vor die Tür gegangen und habe geraucht. Meine Kollegin ist ja diese Woche im Urlaub, so dass die Lage entspannt ist. Und es bleibt ja auch nur bei einer Zigarette, dann geht jeder wieder seiner Arbeit nach.
Wie ist das bei Euch, sind manche Kollegen auch so, dass sie solche Situationen ein bisschen für sich ausnutzen? Oder traut sich das bei Euch keiner?
Bei uns gibt es dann auch durchaus Kollegen, die langsamer in ihrer Arbeit werden und manche fangen dann erst mal ein Gespräch an. Verstehen kann ich das nicht so ganz, weil wir wirklich einen netten Chef haben, der auch laute Gespräche zulassen würde. Er selber ist eigentlich ein Spaßvogel und deswegen verstehe ich die Reaktion meiner Kollegen nicht so ganz. Ich verhalte mich nicht anders, wenn mein Chef mal nicht da ist.
Bei uns ist es auch so; wenn der Chef nicht da ist, wird alles lockerer, man setzt sich in die Küche, quatscht dort miteinander, arbeitet nicht so stringent, sondern eher etwas bummeld. Aber meistens ist der Chef ja da und dann wird „ordentlich“ gearbeitet. Besonders schlimm finde ich dieses Verhalten nicht, es ist schließlich nicht so oft der Fall.
Bei uns ist es nur teilweise so, dass sich das Verhalten der Mitarbeiter ändert, wenn der Chef aus dem Haus ist. Wenn der Chef wegfährt, wird die Musik lauter gedreht und auch schon mal ein Glühwein mehr getrunken. Normalerweise darf bei uns ein bisschen Glühwein getrunken werden in der Weihnachtszeit, aber wenn der Chef weg ist, dann wird es auch schon mal ein Täschen mehr.
Die Arbeit allerding wird während der Abwesenheit des Chefs nicht verringert. Denn wenn der Chef wiederkommt und nicht das Pensum geschafft wurde, was normalerweise in dieser Zeit zu schaffen wäre, merkt der Chef das sofort. Das wäre eher kontraproduktiv für die Mitarbeiter, da wir so eine Rüge bekommen würden und der Chef sich das nächste Mal dreimal überlegt, ob er uns wirklich alleine lassen kann. Deswegen arbeiten wir weiterhin fleißig und bekommen dafür ein Lob und zeigen dem Chef, dass er sich auf uns verlassen kann. Das ist für das gesamte Betriebsklima viel förderlicher als wenn wir auf dem Tisch tanzen würden während der Chef weg ist.
Bei mir auf der Arbeit ist es etwas anders, da ich nicht nur einen Chef habe, sondern für einen Verein arbeite. Da ist praktisch der ganze Vorstand der Chef. Die meisten Leute vom Vorstand sehen wir sowieso ganz selten auf der Arbeit, und selbst wenn mal jemand da ist, ist das Klima nicht anders. Da wir sowieso nach unserem eigenen Schema arbeiten, mischt sich auch keiner ein. So lange wir unsere Handlungen rechtfertigen können, ist alles in Ordnung. Deshalb benimmt sich keiner anders, wenn die "Oberbosse" da oder weg sind.
Vorher habe ich in einer Reitschule gearbeitet, die von einem Ehepaar geleitet wurde. Dort herrschte auch ein sehr lockeres Arbeitsklima, so dass ich es nicht ausnutzen brauchte, wenn sie den Hof verlassen hatten. Ich hatte eine relative freie Zeiteinteilung, es musste nur bis abends alles fertig sein. Raucherpausen konnte ich nach eigenem Ermessen einlegen, und sehr oft kam meine Chefin sogar mit einer Tasse Kaffee an und meinte, dass ich doch kurz Pause machen sollte. Es war ein schönes familiäres Betriebsklima, so änderten die Arbeitskollegen und ich auch nicht unsere Arbeitsmoral bei Abwesenheit der Arbeitgeber.
Bei uns gibt es zwei Alternativen, die cheffreie Zeit zu nutzen, denn das ist auch oft eine gute Gelegenheit Dinge zu erledigen, die man sonst nicht in Ruhe machen kann, weil andauernd einer bespaßt werden will. Die zweite Alternative ist, dass man es einfach mal ruhiger angehen lässt und die enspannte Atmosphäre genießt.
Jenachdem wie das allgemeine Betriebsklima ist, werden diverse Sachen in der Abwesenheit des Chefs einfach lockerer. Mein Chef ist bekannt dafür, dass es allgemein recht streng ist, weshalb jeder Mitarbeiter schon manchmal ziemlich zusammenreissen muss. Selbst der Umgang unter Kollegen wird streng gehalten, um nicht unfreundlich gegenüber Kunden zu sein, was ich allerdings verurteile.
Ist unser Chef dann mal im Urlaub, wendet sich das gesamte Betriebsklima und alles wird lockerer. Ich denke, wenn der ein oder andere Mitarbeiter die Abwesenheit für sich ausnutzt, ist das nicht verwerflich. Solange alles in einem Rahmen bleibt, wo die Arbeit nicht vernachlässigt wird, finde ich das vollkommen ok. Da bei uns Kassentätigkeiten im Vordergrund stehen, bleibt uns selbst in der Abwesenheit des Chefs nicht viel Spielraum, etwas lockerer an die Sache heranzugehen.
Dennoch merke ich dann eine deutliche Entspannung. Man fühlt sich nicht andauernd beobachtet, wird nicht ständig in irgendeiner Form - sei es berechtigt oder nicht - verbessert oder neue Regeln aufgestellt, die das Konservative der persönlichen Einstellung widerspiegeln.
Bei uns ist ebenfalls in einem rauen Ton angeordnet worden, dass nur noch innerhalb der Pausen geraucht werden darf. Das finde ich persönlich zwar korrekt, jedoch wenn absolut nichts mehr im Laden zutun ist, oder so viel, dass man vor Stress platzt, sollte doch eine Raucherpause zwischendurch gestattet sein. Das allerdings ist nur dann möglich, wenn der Chef im Urlaub ist.
Ganz so schlimm ist es bei meiner Arbeitsstelle nicht. Bei uns ist es mittlerweile recht oft so, dass die Chefs ihre Angestellten alleine lassen. Dann ist es schon so, dass sich die allgemeine Atmosphäre entspannt und man nicht mehr ganz so genau aufpassen muss, was man sagt. Aber es ist nicht so, dass dann die Angestellten anfangen würden, zu rauchen oder privat zu telefonieren. Sicher kommt es dann mal vor, dass jemand privat im Internet surft oder doch eben zu Hause anruft, aber die Regel ist es nicht.
Ich arbeite in einem Beruf, in dem man mit Kunden umgehen muss, bei dem sich also auch das Arbeitsaufkommen nach der Kundenzahl richtet. Wenn die Chefs aus dem Haus sind, arbeiten wir natürlich ganz normal weiter, wenn Kunden da sind. Nur, wenn keine Kunden da sind, stehen wir mal zusammen und reden, was nicht so gut machbar ist, wenn die Chefs im Haus sind.
Ich kenne sowohl das Arbeiten, wo ständig ein Vorgesetzter dabei sitzt, aber auch das komplette Gegenteil. Ebenso wie Zwischenformen, bei denen es zum Beispiel Kameras gibt oder elektronische Überwachung, wo die Produktivität erfasst wird. So habe ich durchaus auch schon ohne Vorgesetzte gearbeitet, aber ein Verlassen des Arbeitsplatzes wäre trotzdem nicht möglich gewesen ohne das es sekundengenau erfasst wird. In anderen Jobs war ich komplett auf mich selbst gestellt, konnte Rauchen, Essen, Trinken, Telefonieren und Pause machen, wann ich wollte. Zwar waren Kontrollbesuche auch unangemeldet möglich, jedoch konnte man danach erklären, dass man gerade zur Pause war. Zwei Stunden weg bleiben ging jedoch natürlich nicht. Und es musste auch Ergebnisse vorgelegt werden. Das Arbeiten war nicht wirklich anders.
Auch aktuell macht es für mich keinen Unterschied, ob mein Chef da ist oder nicht. Wer Rauchen gehen möchte, geht Rauchen, sofern es vom Arbeitsaufkommen gerade passt. Es raucht niemand mehr nur weil der Chef nicht da ist. Sowas finde ich auch nicht in Ordnung. Ich würde mir als Chef ehrlich gesagt verarscht vorkommen, wenn bereits wenige Minuten nach meinem Weggang alles anders läuft als sonst.
Mein Chef ist Rechtsanwalt und daher ziemlich häufig weg, weil er einige Gerichtstermine wahrzunehmen hat. Es gibt also Tage, in denen ich ihn gar nicht zu Gesicht bekomme, weil ich an vier Tagen in der Woche nur jeweils drei Stunden arbeite und sich seine Gerichtstermine und meine Arbeitszeit gern mal überschneiden. Es wäre also ziemlich unmöglich, eine entsprechend lang Pause zu machen und ich nutze es auch generell nicht aus, wenn mein Chef mal nicht da ist. Schließlich weiß ich, weshalb ich dort eingestellt wurde und leiste meine Arbeit. Gleichzeitig wird mir immer wieder gesagt, ich soll ruhig Pausen machen und langsamer arbeiten, weil er teilweise nicht mit dem Diktieren hinterher kommt und es nicht immer sonderlich viel anderes in der Kanzlei zu tun gibt als eben zu schreiben.
Zweimal in der Woche arbeite nachmittags allerdings ich zusammen mit einer Kollegin, und bei ihr ist doch deutlich auffällig, dass sie auf das Weggehen des Chefs wartet. Er geht jeden Tag pünktlich um eine bestimmte Uhrzeit zum Kaffeetrinken und ist dann eine knappe Stunde, manchmal auch etwas länger, nicht da. Sobald er weg ist, steht sie auf und macht sich einen Kaffee, holt sich ein paar Kekse und fängt dann meistens an, ein paar Leute zurückzurufen, um ihre Vereinsarbeit zu koordinieren. Mich stört das aber ehrlich gesagt nicht wirklich, obwohl ich es falsch finde. Auch sie arbeitet schließlich nur drei Stunden und wird sicherlich auch außerhalb der Arbeitszeit genügend Möglichkeiten haben, diese Dinge zu regeln.
Dennoch weiß ich, dass unser Chef recht freigiebig mit Ruhezeiten ist und auch nichts dagegen hat, wenn wir während der Arbeitszeit mal in Akten blättern und uns etwas durchlesen, wenn uns irgendein Sachverhalt interessiert. Außerdem fühle ich mich nicht am Arbeiten gehindert, wenn meine Kollegin sich auf diese Weise privat beschäftigt, ich finde es lediglich vom Grundsatz her falsch, aber das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.
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