Wie wird psychische Belastbarkeit definiert?

Meine Cousine hatte letzte Woche ein Vorstellungsgespräch in einem Kinderhospiz. Der Personalchef fragte meine Cousine auch, wie sehr sie denn psychisch belastbar sei, denn der Job würde schon sehr an die Nieren gehen und den Mitarbeitern psychisch einiges abverlangen.

Meine Cousine fragt sich nun, wie man denn psychische Belastbarkeit definieren könnte? Wie kann sie ihrem neuen Arbeitgeber erklären, wie weit sie psychisch belastbar ist? Könnte meine Cousine ihre psychische Belastbarkeit eventuell in einer Hospitation unter Beweis stellen?

Gerade in Berufen in denen man viel mit Krankheiten oder dem Tod zu tun hat, ist psychische Belastbarkeit extrem wichtig. Man darf sich die Schicksale nicht zu sehr zu Herzen nehmen, sondern emotional auf Abstand bleiben. Hat deine Cousine schon mal in einem Hospiz oder ähnlichem gearbeitet? Konnte sie zwischen Beruf und ihrem Privatleben unterscheiden oder hat sie abends noch in Gedanken an die ganzen kranken Menschen gedacht?

Bei psychischer Belastung geht es einfach darum, dass man nicht zu viele Gefühle für die Patienten entwickeln sollte und sich deren Probleme nicht zu nahe bringt. Es gibt Menschen die den ganzen Tag gute Arbeit mit kranken Menschen leisten, aber sobald sie abends zu Hause sind können sie das abschalten und neutral sehen. Würde deine Cousine den halben Tag auf der Arbeit den Tränen nahe sein, wenn sie die Patienten sieht, oder auch total fertig sein wenn mal jemand stirbt und sich damit belasten, wäre sie nicht psychisch belastbar. Man muss ein wenig "abgebrüht" sein um einen solchen Job zu machen.

Wie auch Nana_2011 schreibt, denke ich, dass es in diesem Fall bei psychischer Belastbarkeit vor allem um persönliche Distanz geht. Man muss bei der Arbeit mit kranken oder behinderten Menschen in der Lage sein, nach dem Feierabend nach Hause zu gehen und an andere Dinge zu denken, sonst wird man selbst zu sehr in die Schicksale der Patienten verwickelt und macht dann aus emotionalen Gründen keine gute Arbeit mehr.

Ich denke, dass sich diese Form von psychischer Belastbarkeit aber auch auf andere Berufe ausdehnen lässt. Generell ist es von Vorteil, wenn man zum Beispiel über Kritik vom Chef nicht tagelang auch im Privatleben grübelt, weil man dadurch eben stark persönlich belastet wird. Es ist wichtig, abschalten zu können und den Beruf als durchaus großen Bestandteil des Lebens, aber nicht als einzigen Lebensinhalt zu sehen.

Generell ist es bei Bewerbungen aller Art empfehlenswert, möglichst gute und überzeugende Beispiele für die gesuchten Fähigkeiten und Eigenschaften anzuführen. Nur zu behaupten: "Das halte ich schon aus!", wird kaum einen Chef wirklich beeindrucken. In diesem Fall wäre es sicher hilfreich, wenn deine Cousine Praktika oder Hospitationen vorweisen oder vielleicht sogar Ansprechpartner nennenkann, die auf Anfrage bestätigen können, dass sie nicht jeden Tag heulend in der Ecke gesessen hat. Ich kann mir partout nicht vorstellen, dass jemand in diesem Sektor "einfach so" eingestellt wird, weil er oder sie behauptet, den täglichen Umgang mit sterbenden jungen Menschen abzukönnen.

Ich muss aber auch sagen, dass ich mir kaum einen Job vorstellen kann, der eine größere seelische Belastung darstellt als die Arbeit mit schwerstkranken und sterbenden Kindern. Deine Cousine weiß schon, was sie da tut?

Meiner Ansicht nach würde ein Probearbeitstag da wenig bringen, um eben zu beweisen, dass man psychisch belastbar ist. Denn ein einziger Tag ist nicht wirklich repräsentativ und es kann ja auch sein, dass ausgerechnet dann ja nicht so viel los ist oder man steckt das sehr gut weg. Erst, wenn man mehrere Praktika hatte, die dann auch über Wochen gingen, dann weiß man, ob man diese Belastung überhaupt aushalten würde. Daher sollte deine Cousine an solchen Praktika arbeiten und diese in ihren Lebenslauf aufnehmen und Ansprechpartner beim Vorstellungsgespräch nennen, damit der Chef sich rückversichern kann.