Wie mit Menschen mit geringer Lebenserwartung umgehen?

vom 31.01.2013, 15:42 Uhr

Ich habe hier Kennt ihr Menschen, die unheilbar krank sind? bereits von der zwölfjährigen Gezma berichtet, die an der unheilbaren Krankheit Progerie leidet. Die Ärzte schätzen ihre Lebenserwartung auf nur vierzehn Jahre, das heißt das Mädchen hätte theoretisch nur noch zwei Jahre zu leben. Natürlich kann man sich auch auf die Prognosen von Ärzten nicht immer hundertprozentig verlassen und ich habe auch schon von Menschen gehört, die bereits älter sind, als ihnen vorausgesagt wurde.

Ich wüsste als Angehöriger ehrlich gesagt nicht wie ich mit einer solchen Situation umgehen sollte. Wenn ich daran denken müsste, dass mein Kind jeden Morgen auf einmal tot im Bett liegen könnte, könnte ich das Leben wahrscheinlich gar nicht mehr richtig genießen. Die Familie der an Progerie erkrankten Gezma meinten im Interview, dass sie sich mit der Krankheit auseinander gesetzt hätten und dem Mädchen vor ihrem Tod so viel bieten wollen wie nur möglich. Auch ihre älteren Geschwister treten gerne etwas zurück und akzeptieren es, dass Gezma ständig im Mittelpunkt steht, einfach weil sie wissen, dass ihre Schwester vielleicht nicht mehr lange unter ihnen ist.

Wie denkt ihr, dass ihr mit Menschen, die nur eine geringe Lebenserwartung haben, umgehen könntet? Könntet ihr da überhaupt noch ein normales Leben führen und mit eurem Kind Spaß haben oder hättet ihr ständig im Hinterkopf, dass es das letzte Erlebnis zusammen mit eurem Kind sein könnte? Ich wüsste nicht, ob ich da einen kühlen Kopf bewahren könnte.

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» Pointer » Beiträge: 1772 » Talkpoints: 20,77 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Am Anfang ist das sicherlich sehr hart, wenn bei einem Kind so stark und deutlich sichtbar die Lebensuhr abläuft. In dem Fall kann man vermutlich nur mit professioneller Hilfe einen halbwegs stabilen Umgang damit gewinnen. Wobei ich mir auch vorstellen kann, dass diese Ängste nach zwölf Lebensjahren schon ein wenig zum Alltag gehören und nicht mehr so neu und fremd sind wie am Anfang, als man dies Krankheit fest gestellt hat.

Selbst wenn man nie einen entspannten Umgang mit der Krankheit und dem nahenden Tode des Kindes findet, entwickelt man sicher auch Strategien, damit besser als am Anfang umzugehen. Das Leben geht schließlich immer weiter, auch solche Kinder gehen vermutlich in die Schule, werden selbstständiger und entlasten einen. Schlimm fände ich es aber schon, wenn das Kind nun langsam am Ende der Lebenserwartung angekommen ist und im zarten jugendlichen Alter schon typische Alterserscheinungen wie Inkontinent, Demenz und Gebrechlichkeit zeigt. Wenn man so offensichtlich beim Verfall der Lebenskräfte zu sehen muss, während man selbst als Elternteil noch im besten Alter ist.

Ich würde schon mit meinem Schicksal hadern, ganz eindeutig. Da es weltweit von dieser Erkrankung nur sehr wenige Fälle gibt, würde ich mich schon fragen, warum unsere Familie so ein hartes Schicksal trifft, während das an mehr als 99,9% der Bevölkerung vorbei geht. Vor allem, wenn in meiner Familie so ein Fall noch nie vor gekommen ist, würde ich mich schon fragen, ob das Kind nicht möglicherweise im Krankenhaus vertauscht wurde, oder ob man in der Schwangerschaft irgend etwas falsch gemacht hat, dass diese Mutation entstand. Gerade wenn die Geschwister gesund sind.

Ich weiß nicht, wie das Kind in diesem konkreten Fall mit seiner Krankheit umgeht. Aber oft sind ja gerade unheilbar kranke Kinder unheimlich tapfer und genießen trotz allem ihr Leben. Ich denke schon, dass sich das positiv auf die Familie auswirken kann.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich habe auch einen Menschen mit verkürzter Lebenserwartung in meiner Familie. Natürlich ist die Erkenntnis, dass die Person nicht mehr die nächsten 20 Jahre da sein wird, sondern vielleicht nur noch zwei, oder nur noch ein paar Wochen, erst einmal ein Schock. Aber letzten Endes weiß wirklich keiner, wie viel Zeit ihm noch bleibt, und die meisten Menschen sind deshalb ja auch nicht vor Schreck erstarrt oder schwer depressiv.

Ich kann daher aus eigener Erfahrung sagen, dass es keine einfache Situation ist. Aber - so banal es klingt - man kann die gemeinsame Zeit, die Gespräche, Erinnerungen und einfach nur das Zusammensein viel tiefer und intensiver genießen, als wenn man einfach nur nebeneinander her lebt, wie man es immer getan hat. Natürlich sind gewisse Gedanken immer im Hinterkopf, aber es ändert eben auch nichts am Endergebnis, wenn man sich die Zeit und den Spaß versaut, den man noch haben kann.

Meiner subjektiven Lebenserfahrung nach ist es zudem für einen psychisch halbwegs stabilen Menschen praktisch unmöglich, monate- oder jahrelang wirklich pausenlos unglücklich zu sein, nur über die Krankheit oder den Unfall nachzusinnen und mit dem Schicksal zu hadern. Der Mensch hat die Fähigkeit, viele Dinge irgendwann zu akzeptieren und so gut wie möglich damit umzugehen. Ständig jammern ist in jedem Fall keine besonders "gute" Möglichkeit. Die kleine Gezme hätte ja auch ein noch viel weniger schönes Leben gehabt, wenn ihre Familie über ein Jahrzehnt lang nur den Atem angehalten und den Verlauf ihrer Krankheit überwacht hätte.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:Aber letzten Endes weiß wirklich keiner, wie viel Zeit ihm noch bleibt, und die meisten Menschen sind deshalb ja auch nicht vor Schreck erstarrt oder schwer depressiv.

Das sehe ich genauso. Auch wenn man sich dessen nicht bewusst ist, kann jeder Mensch plötzlich durch einen Unfall oder eine Krankheit nicht mehr da sein. Man trägt ja schließlich keine Uhr auf der Stirn, die anzeigt, wie lange man noch zu Leben hat und wann die Zeit endgültig abgelaufen ist. Daher würde ich versuchen, so normal wie möglich weiterzuleben und die gemeinsamen Momente und Erlebnisse mehr und intensiver zu genießen als ich es sonst tun würde. In manchen Fällen wird vielleicht auch psychologische Hilfe dafür notwendig sein, aber unmöglich ist es nicht meiner Ansicht nach.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Gerade mit todkranken Kindern zu leben ist sicherlich nicht einfach. Ich möchte mir das als Mutter ehrlich gesagt richtig vorstellen wie es ist das eigene Kind zu überleben und dann auch noch zu wissen wie und wann es ungefähr stirbt. Letztendlich wird es aber niemanden nützen, wenn man jeden Tag zusammen weint und deswegen muss man wohl das beste daraus machen.

Ich denke, dass man einfach versuchen muss seinem Kind eine schöne Zeit zu machen, schöne Erinnerungen zu schaffen und vielleicht auch etwas weniger streng ist was den Alltag angeht. Es ist für mich hart mir vorzustellen mit einem todkranken Kind dann noch jeden Tag 8 Stunden arbeiten gehen zu müssen und dann vielleicht nach Hause zu kommen und das Kind ist tot. Irgendwie muss man das Leben aber finanzieren.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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