Könntet ihr euch vorstellen korrupt und bestechlich zu sein?

Jeder ist käuflich, nur ist der Preis bei jedem unterschiedlich. Natürlich könnte ich mir vorstellen korrupt und bestechlich zu sein wenn der Preis stimmt und wenn keine Gefahr bestehen würde entdeckt zu werden.

Wobei ich damit jetzt solche Sachen meine wie Vergabe von Aufträgen, Jobs oder Fördergeldern. Was ich mir tatsächlich nicht vorstellen könnte wären Dinge, bei denen Menschen massiv zu Schaden kommen. Du könntest mich zum Beispiel nicht dazu bringen ein Gutachten über die Unbedenklichkeit von irgendwas zu schreiben, was in der Realität pures Gift ist. Meinen Preis für so etwas könnte kein Mensch bezahlen.

Und bei den kleinen Alltagssachen ist man doch sowieso bestechlich und merkt es nicht mal oder will das nicht zugeben weil es nicht zum Bild passt, das man von sich selber hat. Ich habe zum Beispiel gerade gestern die Batterien von mehreren Uhren bei einem bestimmten Juwelier wechseln lassen. Warum gerade bei ihm? Weil er mir mal ein Uhrenarmband kleiner gemacht hat und dafür nichts verlangt hat. Er hat mich einmal mit gutem Kundenservice bestochen und seither bin ich treue Kundin, weil ich der Meinung bin, dass sich guter Service lohnen sollte.

Natürlich. Es kommt nur auf die Umstände an. Ich habe immerhin das Glück, materiell versorgt zu sein, in Sicherheit zu leben und habe auch nichts zu bieten, wofür es sich lohnen würde, mich zu bestechen, da ich im Beruf und in der Gesellschaft weder Macht noch Autorität habe. Da kann ich mich bequem zurücklehnen und behaupten, ein moralisch hochwertiger Mensch zu sein, der viel zu anständig ist für schmutzige Machenschaften aller Art.

Aber was wäre zum Beispiel, wenn ich, wie es in den USA bekanntlich immer wieder mal vorkommt, dringend eine sauteure OP brauche? Oder schlimmer noch, mein Kind oder Enkelkind? Oder es steht jemand kurz vor der Obdachlosigkeit? Da würde es mir schon schwerer fallen, geldwerte Zuwendungen gegen den ein oder anderen "Gefallen" mit großer Geste abzulehnen, wenn ich die Gelegenheit hätte.

Aber selbst außerhalb von Extremsituationen könnte ich nicht garantieren, dass ich wirklich jeder Versuchung widerstehen könnte, da ich ja umgekehrt auch bei jeder Gelegenheit über den Tisch gezogen und ausgebeutet werde, wenn ich nicht aufpasse wie ein Luchs. Da kann ich schon verstehen, wenn jemand Bestechlichkeit eher als "ausgleichende Gerechtigkeit" ansieht, wenn man sich anschaut, wie weit "die da oben" mit ihren zweifelhaften Vereinbarungen und Seilschaften kommen, ohne einen Funken schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Ich denke vor allem, dass jeder Mensch bestechlich ist. Jeder Mensch hat einen Preis, man muss ihn nur kennen. Das war mal eine Aussage von Mr. Burns von den Simpsons und ich denke, dass sie stimmt. Der eine Mensch ist nur leichter käuflich als der andere, aber letztendlich würde man auf Dauer jeden Menschen bestechen beziehungsweise kaufen können, wenn man nur das Richtige anbieten kann. Das ist nur oftmals nicht machbar, weshalb einige Menschen sich nicht kaufen lassen (können), weil ihre Wünsche nicht erfüllt werden können.

Ansonsten denke ich auch, dass Bestechlichkeit im Alltag Gang und Gebe ist. Wie oft hört man denn von den Eltern, dass die Kinder nachher noch einen Film schauen dürfen, wenn sie ihr Gemüse aufgegessen haben? Dass sie am Wochenende länger wach bleiben dürfen, wenn sie ihr Zimmer aufräumen? Dass es für gute Hausaufgaben und Note Belohnungen in Form von Süßigkeiten oder kleinen Unternehmungen gibt? Das gehört zur alltäglichen Kindererziehung dazu und ist nicht nur in diesem Bereich vertreten. Auch im alltäglichen Arbeitsleben trifft man immer wieder auf Bestechung - wenn ein Kollege fragt, ob man seinen einen Nachtdienst unter der Woche macht und man dafür von ihm woanders zwei Dienste abgenommen bekommt, dann ist es eigentlich auch schon Bestechung.