Warum gibt es Vorurteile gegen Bewohner gewisser Stadtteile?

Bei uns in Wien passiert es oft, dass Leute, die in bestimmten Stadtteilen wohnen, gleich falsch eingeschätzt werden oder beschimpft werden. So kann es sein, dass jemand aus Simmering, Meidling oder Donaustadt von Haus aus ein Prolet ist und jemand aus Rudolfsheim-Fünfhaus ein Asylwerber. Ich finde das sehr schade, kann mir aber vorstellen, dass Wien keine Ausnahme ist.

Gibt es in Eurer Stadt auch Bezirke, die stark mit Vorurteilen behaftet sind? Wie geht Ihr damit und traut Ihr Euch manchmal auch nicht neuen Freunden zu sagen, wo Ihr wohnt, aus Angst, sie könnten Euch für gesellschaftlich bedenklich halten?

Bei uns gibt es zwar keine Bezirke in der Stadt, die ich jetzt benennen könnte, aber es gibt Stadtteile, eher gesagt Straßen, wo die Menschen gleich verurteilt werden, nur weil sie dort wohnen.

Beispielsweise gibt es hier zwei oder drei Straßen, da werden die Leute gleich als Prolet und so etwas abgestempelt, nur weil sie in schicken Neubauhäusern wohnen und schicke dicke Autos vor der Tür stehen haben.

Dann gibt es hier wiederum einige Viertel, ich nenne es Viertel, weil es mehrere anliegende Straßen sind, die beieinanderliegen, da wird man gleich als asozial betitelt, und als ­Hartz4 Schmarotzer und unter anderem als Asylbewerber beschimpft, wenn man denn Ausländer ist. Und das alles nur, weil das Viertel ein sozialer Brennpunkt ist, aber so etwas heißt ja nicht gleich, dass alle Leute, die dort wohnen, asozial sind und vom Staat leben.

Ich finde solche Vorurteile den Leuten gegenüber unfair. Man kann die Leute doch nicht dafür verurteilen, weil sie schlecht oder außergewöhnlich gut wohnen. Ich persönlich bilde mir nicht nur die Meinung über einen Menschen, wenn ich weiß, wo er wohnhaft ist, sondern ich lerne die Person erst einmal näher kennen, bevor ich sie verurteile und abstemple.

Alle meine Freunde und Bekannte können gerne wissen, wo ich wohne. Ich wohne jetzt nicht in einem reichen Viertel und auch nicht mitten in einem sozialen Brennpunkt, aber, wenn die Leute mich erst einmal kennenlernen und sich vorher keine Meinung über mich bilden, wegen meinem Wohnort, dann ist es doch in Ordnung, und wenn die Leute, bevor sie mich kennenlernen, sich schon eine Meinung über mich bilden, weil sie wissen, wo ich wohne. Dann weiß ich, dass das definitiv oberflächliche Leute sind, die es nicht Wert sind meine Zeit mit ihnen zu verschwenden, würde ich sagen.

Das Beispiel von Kai fand ich sehr gut, aber in Wien kenne ich keine so sozialen Brennpunkte, außer vielleicht die Rennbahnsiedlung, die früher sehr verschrien war. Auch Straßenzüge haben bei uns keine negative Belastung, was in anderen Städten wie Vancouver mit der East Hastings, ganz anders aussieht. Auch bestimmte Teile innerhalb solcher von Vorurteilen belegten Bezirke, wie das Schöpfwerk in Meidling, sind bei Vorstellungsgesprächen bei der Angabe der Adresse oft unangenehm. Wie man das aus den Köpfen der Leute bekommt, weiß ich nicht, aber ich wohne eher in einem sehr bürgerlichen Stadtteil Wiens.

Bei uns beispielsweise hat nun jeder einzelne Stadtbezirk so seine ganz spezifischen Probleme. Diese Probleme resultieren schon alleine aus der vorhandenen Altersstruktur. Daraus leiten sich dann auch wieder spezielle soziale Probleme ab. Nun liegt es auch an der direkten Einwohnerkonzentration in einem solchen Bezirk. Ist diese hoch oder sehr hoch bilden sich aus diesem Nährboden auch die entsprechenden Vorurteile relativ schnell und meistens immer ohne genaues Hintergrundwissen darüber.