Erklärungsversuche bei Bluttaten - sinnvoll?

vom 19.12.2012, 09:52 Uhr

Diese Überschrift muss ich wohl erst mal erklären: Generell ist mir aufgefallen, dass bei Amokläufen oder ähnlichen unerklärlichen und grausamen Straftaten eines einzelnen, vormals meist unauffälligen Täters innerhalb kurzer Zeit die ersten Spekulationen auftauchen, warum es zu dieser Tat kommen konnte.

Das finde ich durchaus verständlich, aber ich habe den Eindruck, dass immer die gleichen Sündenböcke herhalten müssen, wenn mal wieder jemand durchdreht. Derjenige hat dann meistens die bösen, bösen Computerspiele gespielt, die hunderttausend andere Leute auch spielen, ohne dass sie dadurch lernen, wie man mit halbautomatischen Waffen umgeht. Oder er (meistens sind es ja Männer) hat irgend eine "Diagnose" als Erklärung, welche vom Asperger-Syndrom über ADHS bis hin zur Psychose reicht, sodass wieder ganze Bevölkerungsgruppen auf die Barrikaden klettern und klar machen, dass nicht jeder mit autistischen Zügen gleich zum Massenmörder wird.

Meiner Meinung nach sind derlei Erklärungsversuche mit Computerspielen oder medizinischen Diagnosen immer zu kurz gegriffen und finden vor allem deshalb Gehör, weil die Menschen eine einfache, verständliche Erklärung suchen und sich nicht eingestehen wollen, dass vielleicht in der Gesellschaft etwas falsch läuft, wenn jemand still und unbemerkt durchdrehen kann.

Es ist einfacher, äußere Einflüsse als Auslöser darzustellen als sich beispielsweise mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass manche Leute in der Schule bis aufs Blut gemobbt werden. Auch Eltern und Familie können sich so aus der Verantwortung ziehen, wenn sie jahrelang nicht darauf geachtet haben, wie der Sprössling so tickt und ob er vielleicht leidet.

Was haltet ihr von derlei Erklärungsversuchen? Glaubt ihr, dass Menschen wirklich aus heiterem Himmel durchdrehen können, während ihre Angehörigen glauben, sie hätten einen netten, zufriedenen Sohn und Bruder? Warum, glaubt ihr, werden immer als erstes die Computerspiele verdächtigt und dann nach medizinischen Ursachen gesucht? Sollten wir uns nicht eher damit abfinden, dass derlei Bluttaten nur in den seltensten Fällen erklärbar oder vermeidbar sind?

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich stelle mir auch immer wieder die Frage, wie unauffällige Menschen im Endeffekt auf die Idee kommen, irgendwelche andere Menschen grausam in den Tod zu reißen.

Das stimmt. Merkwürdigerweise sind immer dieselben Sachen daran schuld, dass irgendwelche kranken Leute durch die Gegend laufen und unschuldige Menschen auf grausame Art und Weise umbringen. Entweder sind es wirklich die Videospiele, die schuld sein sollen, obwohl sie von jedem zweiten Menschen auf der Welt gespielt werden und nicht jeder, der diese Spiele spielt, bringt auch gleichzeitig Menschen um. Oder es wird eine Diagnose vom Arzt gegeben, dass dieser Mensch, der diese grausamen Taten begangen hatte, doch unerklärlicherweise krank ist und für seine Taten nichts kann.

Ich halte von den Erklärungsversuchen, weshalb ­diese unauffälligen Menschen solche schlimmen und grausamen Taten begangen habe, gar nichts. Es ist wirklich so, dass immer wieder irgendjemand anderes Schuld daran hat, dass dieser Mensch diese Taten begangen hat. Heutzutage kommt keiner auf die Idee, dass dieser Mensch vielleicht vernachlässigt und gemobbt wurde und deshalb einen Knacks im Kopf hat und deshalb diese Taten begangen hat.

Nein, aus heiterem Himmel passieren solche Taten nicht. Man merkt doch an seinem Kind oder seinem Verwandten, wenn der einen Knacks weghat und zu solchen Taten fähig ist.

» kai0409 » Beiträge: 3345 » Talkpoints: 72,64 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich denke, dass Computerspiele als Erklärung immer herhalten müssen, weil man sich bestimmte Dinge nicht eingestehen will. So kursierten vor dem Amoklauf in Erfurt beispielsweise doch einige Videos im Netz, die auf eine solche Tat hätten schließen lassen.

Abgesehen davon finde ich nicht, dass es immer einen medizinischen Grund geben muss. Klar, es gibt Krankheiten, bei denen sich das Verhalten ändert. Ein Gehirntumor zum Beispiel, aber das ist meistens nicht der Fall.

Meistens sind es eben schon Psychosen oder seelische Probleme. Jedoch ist es immer noch so, dass man diese Gründe nicht so als Grund wahrnimmt, wie zum Beispiel Computerspiele. Generell ist es schade, weil man sich vor der wahren Lösung verschließt. Seelische Probleme sind leider häufig vertreten und diese müssen nicht immer eine solche Auswirkung haben.

Es ist aber auch so, dass man meistens in seiner eigenen Welt lebt, wenn man so etwas plant und deswegen kann man auch zu Verwandten oder Freunden nett sein. Jedoch gibt es auch Menschen, die dann ganz eigen werden. Vielleicht wird auch in den Familien generell wenig über Gefühle geredet oder alle sind im Stress.

Es macht sehr viel Sinn, sich über die Ursachen einer solchen Tat Gedanken zu machen. Ganz einfach aus dem Grund, dass man sie ja auch vermeiden möchte. Kann man also einen Täter frühzeitig erkennen, kann man vielleicht Gegenmaßnahmen einleiten und somit potenzielle Opfer retten. Vorsorge ist hier wichtig. So eine Tat hat immer Vorzeichen und diese zu erkennen ist, wenn man sie kennt, sicherlich schon wertvoll.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Natürlich sind Erklärungsversuche sinnvoll, weil man ja versuchen möchte solche Taten in der Zukunft zu verhindern. Was sicher nicht sinnvoll ist, ist die Art und Weise, wie die Medien die Sachverhalte teilweise bis zur Unkenntlichkeit vereinfachen, so dass sie dann in die Schublade mit den üblichen Klischees passen. Das ist eben viel einfacher als gründlich zu recherchieren und in Kauf zu nehmen, dass man erst in ein paar Stunden eine Schlagzeile liefern kann.

Im Mutterland der Amokläufe hat man ja außerdem noch die liebe NRA mit ihrem Gefolge und die sind natürlich sehr daran interessiert, dass nach solchen Taten nicht darüber diskutiert wird, ob es sinnvoll ist, dass Privatleute Waffen besitzen, die in Deutschland unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen würden.

Und natürlich sind solche Bluttaten vermeidbar. Ich habe gerade heute einen Artikel gelesen, in dem die Zahl der Toten und Verletzten durch Schusswaffen in den USA mit denen in England (unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bevölkerungszahlen natürlich) verglichen wird und man kommt auf einen Wert von 400 zu 1. Da muss man kein Genie sein um zu sehen, dass es durchaus einen Zusammenhang zwischen Waffengesetzen und Amokläufen gibt, denn in England werden nicht die Computerspiele strenger kontrolliert.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



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