Amoklauf und die Einzelschicksale
Vor Kurzem gab es ja einen Amoklauf in Amerika. Nun konnte ich heute mehrmals bei Facebook von Einzelschicksalen lesen. Dabei ging es zum Beispiel um eine Lehrerin. Sie versteckte ihre Kinder in einem Schrank, um sie vor dem Amokläufer zu schützen. Die Kinder überlebten aber.
Nun hat natürlich jedes Opfer auch so seine Geschichte und es ist klar, dass diese dann auch erzählt wird. Mich macht das dann immer noch etwas Trauriger. Es ist aber immer wieder so, dass nach dem Amoklauf die Einzelschicksale auch in der Presse breit getreten werden. Sollte man das tun? Sollten Opfer anonym bleiben oder sollte man weiterhin davon berichten?
Welche Einzelschicksale haben euch berührt? Würdet ihr so etwas in der Presse berichten, wenn ein geliebter Mensch von euch betroffen gewesen wäre?
Das ist einer sehr gute Frage, über die ich auch erst einmal nachdenken musste. Ich habe auch auf Facebook den Bericht der Lehrerin gelesen, die ihre Schüler in Schränken versteckt hat und dann dem Amokläufer gesagt hat, die Schüler würden sich in der Sporthalle befinden. Sie wurde erschossen, rettete aber eine ganze Schulklasse, also circa zwanzig bis dreißig Kinder. Das war eine großartige Tat von ihr und ich finde es richtig, dass so etwas honoriert wird. Es schenkt mir und sicher auch einigen anderen auch den Glauben an das Gute in Menschen, denn diese Frau ist eine wahre Heldin. Sie hat sich selbst geopfert um das Leben vieler Kinder zu retten und das ist sehr ehrenswert.
Dass die Einzelschicksale in der Presse breit getreten werden, finde ich übrigens gar nicht. Im Fernsehen wird nun zwar sicherlich noch einige Tage von dem Amoklauf berichtet und vielleicht wird noch eine Sondersendung dazu eingeschoben, aber dann ist der Trubel doch auch schon wieder vorbei und keiner spricht mehr darüber.
Mir fällt da sofort der Amoklauf '99 in Columbine ein. Vielleicht habt ihr von der Schülerin Cassie gehört. Bei ihr wurden falsche Tatsachen verbreitet. Es hieß, einer der Schützen habe sie gefragt, ob sie an Gott glaube, und weil sie ja sagte, erschoss er sie. Mitschnitte von der Notrufzentrale und Kameraaufnahmen haben das widerlegt.
In so einem Fall finde ich es schade, wenn falsche Dinge verbreitet werden, obwohl das natürlich nicht ihrem Ruf geschadet hat. Aber grundsätzlich finde ich es gut, darüber zu berichten, wie es den Leuten ergangen ist. Natürlich ist es aber noch einmal schlimmer, die einzelnen Geschichten zu hören, als wenn man nur weiß, dass 5 Menschen oder so gestorben sind. Das lässt mehr Distanz.
Trotzdem muss ich aber sagen, dass die Opfer wirklich oft einfach in der Presse breitgetreten werden. Da sollte man schon aufpassen, was man an sich heranlässt und was nicht.
Über diese Frage mache ich mir auch bei jedem Amoklauf so meine Gedanken, denn vieles wiederholt sich ja doch in den meisten Fällen: Es findet ein Amoklauf statt, der Täter wird auf der Stelle zum kaltblütigen Mörder ernannt (das ist ein Punkt, über den ich mich jedes Mal fürchterlich aufregen kann, der aber das Thema hier sprengen würde) und es finden sich auch immer mal wieder ein, zwei Menschen, deren Schicksal ganz besonders von der Presse hervorgehoben wird.
Ich persönlich bin unschlüssig, was ich davon halten soll. Ohne Frage kommen bei solchen Extremerlebnissen wie einem Amoklauf die Eigenschaften ans Tageslicht, die für das Empfinden der Allgemeinheit einen "Helden" ausmachen, Dinge wie Selbstaufopferung, ein besonderer Mut und dergleichen. Und es ist absolut berechtigt, diese besonderen Taten zu würdigen und bekannt zu machen, denn diese Menschen haben einen großen Dienst geleistet und dafür oft genug einen schlimmen Preis gezahlt.
Es wäre ein Unding, solche Taten nicht zu würdigen! Darüber hinaus braucht unsere Gesellschaft Vorbilder, wie solche Menschen wie die Lehrerin in Amerika sie sind. Solche Menschen holen uns aus unserer Lethargie heraus. Wir können dann nicht mehr sagen: "Klar wäre so ein selbstaufopferndes Handeln toll - aber wer würde so etwas schon wirklich tun?"- wir können es nicht mehr sagen, weil uns aufgezeigt wird, dass es wirklich Leute gibt, die so etwas tun. Das nimmt uns indirekt auch mit in die Verantwortung. Also ist die Verbreitung und Bekanntmachung solcher Geschichten unheimlich wichtig!
Dennoch sehe ich sie insofern kritisch, als dass die Medien (zumindest für mein persönliches Empfinden) teilweise gnadenlos über das Ziel hinausschießen. Wenn ein mutiger Mensch zum Helden ernannt wird ist das schön. In so einigen Fällen wird das aber so aufgebauscht und verstärkt, dass man sich doch fragen muss, wie es denn den Angehörigen dabei geht. Die sehen sich dann schließlich täglich konfrontiert, werden zu Interviews geladen, können nicht zur Ruhe kommen - so kann aus dem Segen der Würdigung schnell ein Fluch für die Angehörigen werden, die sicher nicht alle gut mit der neuen Bekanntheit umgehen können. Daher berühren mich solche Schicksale auf positive wie negative Art.
Ich finde es in Ordnung, wenn Leute über solche Schicksale berichten. Auch solche Dinge gehören zum Leben, zumindest solange es Menschen gibt, die andere nicht in Frieden leben lassen können. Diese Menschen wird es aber solange geben wie es die Menschen gibt. Amokläufe und andere negative Vorkommnisse sollten nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden, als würde es so etwas gar nicht geben. Ich denke auch, dass man auch über Einzelschicksale berichten kann und die Berichterstattung nicht nur auf die reinen Fakten beschränken muss. Ob die Opfer anonym bleiben möchten oder nicht, sollten sie allerdings selbst entscheiden.
Mir fällt spontan kein Einzelschicksal ein, das mich berührt hat. Wirklich traurig machen mich solche Geschichten auch nicht. Es gibt solche Vorfälle leider immer wieder mal und für die Betroffenen ist das auch eine schlimme Sache. Ich lese solche Meldungen oder sehe sie in den Nachrichten. Aber eigentlich war es das dann auch. Es gibt ein paar wenige Themen, die mich wirklich sehr mitreißen und belasten, aber von dem Rest kann ich mich sehr gut abgrenzen. Daher nehmen mich diese Meldungen nun auch nicht so mit, auch nicht wenn über direkt Betroffene berichtet wird.
Ich habe den gleichen Beitrag auf Facebook gesehen, indem es um die oben angesprochene Lehrerin ging, die als sie die Schüsse hörte, ihre Schüler und Schülerinnen im Schrank versteckt haben soll und anschließend, erschossen wurde.
Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass diese Meldung, so falsch ist, wie die von dem kleinem Mädchen, dass erschossen wurde, nachdem sie angeblich gesagt hätte, dass sie Christin sei (meines Erachtens, glauben nur Christen an Gott).
Ich denke, jeder muss selbst wissen, ob er die Geschichte von sich oder von Angehörigen weiter verbreiten möchte. Es für sich zu behalten macht so gesehen ja auch keinen Unterschied. Traurig sind die Schicksale allemal und egal ob verbreitet wird oder nicht, man sollte auf keinen Fall Kapital daraus schlagen. Schließlich fließt leichter mal ein Geldschein, wenn man nur genug auf die Tränendrüse drückt.
Das mit dem breittreten der Presse finde ich nicht leicht zu beantworten. Sicherlich geht bei jedem Schicksal bei so was vor allem um Kommerz, egal ob aus Liebe, Schmerz, oder Hass, überall muss Geld rausgeschlagen werden.
Auf der anderen Seite, sollte man so was aber auch zumindest nicht verheimlichen und diejenigen die Live dabei waren, die können da ja auch genaueres zu erzählen.
Wiederum andere brauchen es einfach, sich das alles von der Seele zu reden. Also ist ein kompliziertes Thema finde ich, aber so pauschal gesagt: Breitgetreten sollte so was nicht werden. Wenn jemand davon erzählen möchte, dann kann er das gerne tun, aber man sollte niemanden zu so was zwingen.
Ein Amoklauf, der mit vielen Verletzten und Toten endet, ist ein furchtbares Ereignis. Diejenigen Angehörigen, die betroffen sind, können diese Trauer nicht alleine tragen und sind froh, wenn sie mit jemandem reden können, der ihnen Mut zuspricht.
Ob das nun ein Reporter, ein Seelsorger oder wer auch immer ist, es ist jemand zum Reden. Völlig verständlich ist es, dass man diese traurige Tat in der Presse bringt, um die Umwelt zu informieren. Das das nun das ein oder andere Einzelschicksal mit verarbeitet wird, ist für die Presse normal. Hier würde ich aber nicht von breittreten sprechen. Denn wer immer es nicht möchte, muss keine Auskunft geben.
Meiner Meinung nach sollte das jeder für sich entscheiden. Wenn die Angehörigen bereit sind, dass Schicksal zu teilen, dann sollen sie die Möglichkeit dazu haben. Dahinter steckt ja auch ein Grund. Vielleicht möchte man die Menschen aufrütteln, für Verständnis sorgen oder braucht den öffentlichen Beistand. Das Schlimme an der Sache ist nur, wenn sich Journalisten in solchen Gegebenheiten den Familien aufdrängen und nicht wahrheitsgemäß berichten. Das streut zusätzlich Salz in die Wunde. Da reicht es schon, wenn Namen vertauscht werden etc.
Zudem noch: Personalisierung ist einer der meist aufkommenden Nachrichtenfaktoren.
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