Kind erträumt sich einen Traumvater?

In der Nachbarschaft ist ein Kind, welches mich ab und an besuchen kommt. Es spielt dann mit meinen Kindern, obwohl es schon älter ist und es ist eben gerne bei uns zu hause. Immer wieder, wenn es da ist, erzählt das Mädchen von ihrem Vater, der ein Schiffskapitän ist und deswegen immer weit weg ist und nicht kommen kann. Aber er würde immer Geschenke schicken und an Weihnachten würde er auch versuchen zu kommen.

Von der Mutter weiß ich, dass der Vater abgehauen ist, als die Kleine ca 1 Jahr alt war und sich dann bis heute (das sind 6 Jahre) nicht mehr gemeldet hat. Das Kind redet zu hause auch nicht von ihrem Traumvater und die Mutter meint, dass es nur eine Phase ist, wenn sie so was erzählt.

Wie soll ich in Zukunft mit dem Kind umgehen? Soll ich ihr den Traumvater lassen oder sollte ich mal mit dem Kind reden? Die Mutter meinte, dass sie sich nicht traut mit dem Kind zu reden und es nicht schlecht fände, wenn ich es mache. Aber ich habe bedenken, dass das Kind mich dann nicht mehr mag. Wie geht man allgemein mit solchen Kindern um. Es gibt ja sicherlich noch mehr Kinder, die sich so einen Traumvater ausdenken. Kennt ihr Kinder, die das machen? Gibt sich das von alleine wieder oder sollte man mit dem Kind wirklich reden?

Ich würde das Kind nicht direkt darauf ansprechen. Das würde ja zeigen, dass das Kind gelogen hat und das würde dann nicht gut ankommen. Erzähl doch einfach ein bisschen etwas von einer Freundin, die gar nicht weiß, wer der Papa ist und das es so etwas eben auch gibt und es nicht schlimm ist. Dann hat es vielleicht keine Angst mehr die eigene Geschichte zu erzählen. Es ist sicherlich auch eine Art Schutz, weil ihr der Vater fehlt und sie ihn nicht sehen kann und dann sieht sie andere glückliche Familien. Das ist ja nicht besonders leicht.

Ich kenne keine Kinder, die sich einen Vater ausdenken. Wohl aber Kinder, die über ihre Eltern vorschwärmen, obwohl diese nicht gut zu ihnen sind. Das ist Selbstschutz der Kinder und man sollte ihnen diese Welt auch aus diesem Grund lassen. Es ist ja auch nicht deine Aufgabe.

Es ist keinesfalls deine Sache, dem Kind alle Illusionen bezüglich ihres Superpapas zu nehmen. Da sollte schon die eigene Mutter etwas mehr Mut aufbringen und mit dem Kind reden. Die Mutter könnte sich beim Jugendamt Empfehlungen holen, wie sie am besten vorgeht, um es dem Kind möglichst schonend beizubringen. Sinnvoll wäre es schon, wenn das Kind zum Schulanfang die Wahrheit kennt. Denn die Frage nach den Eltern und was diese machen, wird bestimmt in der Schule kommen.

Das Kind müsste also etwa sieben Jahre als sein. Auch wenn Kinder gerne mal eine blühende Phantasie haben, sollte man das nicht einfach so hinnehmen. Gerade wenn es bekannt ist, dass der Vater sich absolut nicht kümmert. Man muss das Kind ja nun nicht direkt der Lüge bezichtigen. Aber so eine kleine Anmerkung, dass auch Seefahrer längere Zeiten zu Hause sind und du den Vater aber noch nie gesehen hast, wären da schon angebracht.

Klar, man kann der Mutter nun vorwerfen, dass sie nichts sagt. Aber ihr gegenüber erzählt das Kind ja nichts vom Traumpapa. Und es zerstört das Vertrauen in alle Richtungen, wenn das Kind mitbekommt, dass ihre Geschichten der Mutter berichtet werden.

Ich finde, dass es absolut nicht deine Aufgabe ist, dieses Problem zu klären. Obwohl das Kind viel bei dir ist und du scheinbar einen guten Draht zu ihm hast, würde ich es auf keinen Fall auf den Vater ansprechen. Immerhin bist du nicht die Mutter des Kindes und es ist daher einfach nicht deine Aufgabe. Dass die Mutter sich aber nicht traut, mit dem Kind zu sprechen, finde ich sehr merkwürdig und ich frage mich nach den Gründen.

Allgemein finde ich es doch sehr komisch, dass ein so junges Kind in der Lage ist, sich solch eine fantasievolle Geschichte über seinen Vater auszudenken, den es noch nicht einmal kennt. Von daher denke ich, dass es dem Kind nicht gut geht, da es so ganz ohne Vater aufwächst. Womöglich vermisst es den Vater sehr, sonst würde es nicht so viel über ihn erzählen. Ich denke, dass dem Kind diese Figur des Vaters wirklich fehlt. Ich denke, dass die Mutter wohl mit dem Kind zu einem Psychotherapeuten gehen sollte, wenn sie sich selbst nicht in der Lage sieht, mit dem Kind darüber zu sprechen.