Junge Leute, die sehr alt/altmodisch wirken

Ich habe vor einiger Zeit im erweiterten Bekanntenkreis eine junge Frau kennengelernt, die von jemandem zu einem Treffen mitgebracht worden war. Ich habe mich nach dem Treffen mit einem Freund von mir, der ebenfalls dabei war, kurz über diese junge Frau unterhalten und wir fanden sie beide irgendwie ein bisschen seltsam. Wir äußerten unabhängig voneinander die Feststellung, dass sie irgendwie alt wirkt. Sie war noch recht jung, gerade einmal Anfang zwanzig. Aber ihr ganzes Verhalten und das, was sie erzählte, wirkte wie die Erzählung einer deutlich älteren Person.
 
Die junge Frau vertrat zum Teil Meinungen, die man bei vielen Großmüttern nicht einmal vorfindet. So sah sie Homosexualität als große Sünde an und sie sprach sich auch dafür aus, dass das einzige anzustrebende Ideal eine klassische Familie wäre. Sie wirkte auch optisch etwas altbacken und trug zum Beispiel so einen weißen Spitzenkragen. Das sah schon ziemlich ungewohnt aus. Ich mag es schon gerne, wenn Leute individuell sind, ich habe sie aber nicht als besonders individuellen, sondern einfach nur als sehr altbacken wirkenden Menschen empfunden.
 
Seid ihr schon einmal mit jungen Leuten konfrontiert gewesen, die ihr als sehr altmodisch empfunden habt? Worauf beruhte dieser Eindruck? Habt ihr euch weitere Gedanken zu dieser Person gemacht oder interessiert euch das auch eigentlich nicht weiter? Empfindet ihr so etwas eher als unangenehm oder zumindest als ungewöhnlich, wenn junge Leute mitunter älter wirken als zum Beispiel eure eigenen Großeltern?

Mein Mitbewohner ist auch so eine alte Person. Zwar hat er nichts gegen Schwule, er ist es selbst. Aber er redet oft so wie "ach, als ich noch jung war", "oder früher konnte ich sowas noch machen"....bzw. wenn ich meine, dass mein Körper es langsam nicht mehr mitmacht, Nächte durchzutanzen, dann kommt halt so etwas. -Nur ist er mit 23 10 Jahre jünger als ich. Und auch so, er ist so furchtbar langweilig, geht selten aus, sitzt zu Hause und lernt.... Ich finde es schade, wenn junge Menschen so sind. Ich denke mit dann immer, wie die sein werden, wenn sie wirklich alt sind. Und ich denke, dass sie viel verpassen. Wann ist man denn nochmal so locker und kann machen und tun was man will, also mit Anfang 20?! Aber wenn sie sich wohl dabei fühlen, ist es in Ordnung.

Mit Intoleranz komme ich hingegen schwerer klar ( a la Homosexualität ist Sünde), das kann ich gerade noch bei Aalten Leuten tolerieren, mit dem Gedanken, dass sie es nicht besser wissen und sich auch nicht mehr ändern.

Mir ging es lange Zeit mit meiner Schwägerin so, dass ich sie als altmodisch wahrgenommen habe. Meine Schwägerin war mit Anfang zwanzig schon in ihrem Verhalten wie eine Anfang Vierzigjährige, was mich irgendwie immer wieder irritiert hat. Sie hatte vor allem eine Art an sich, die mir ziemlich altmodisch vorkam, aber irgendwann habe ich begriffen, dass sie nur ziemlich früh schon eine recht klare Sicht auf das hatte, was sie erreichen will und ihre Ziele auch recht konsequent verfolgt hat, um sie letzten Endes zu erreichen. Allerdings hat es mich damals doch irgendwie irritiert und auf sonderbare Weise berührt, als sie plötzlich kurz nacheinander zwei Kinder bekam und dann, ebenfalls mit Anfang zwanzig, ein Haus baute. Auch von ihren Ansichten her und ihrem Auftreten wirkt sie auf mich nach wie vor wie eine Anfang Vierzigjährige, aber mittlerweile ist sie immerhin auch beinahe Mitte dreißig und so passt dieser Eindruck deutlich besser als noch vor zehn Jahren.

Ansonsten wüsste ich eigentlich niemanden aus meinem persönlichen Umfeld, der mir altmodisch vorgekommen wäre, obwohl es sich bei ihm um einen jungen Menschen handelte. Manche Ansichten sind sicherlich auch mal altmodisch, das halte ich bei jedem Menschen für ziemlich normal, aber es ist vermutlich der Anteil an altmodischen Ansichten im Vergleich zu den modernen und doch eher zeitgemäßen Auffassungen, außerdem nehme ich einen altmodisch wirkenden Menschen vor allem aber auch über seine Kleidung, seine Körperhaltung, die Gestik und möglicherweise auch seine Art zu sprechen wahr. Wenn das alles einen einheitlichen Eindruck ergibt, dann wirkt ein Mensch auf mich tatsächlich altmodisch und ergibt in sich auch ein stimmiges Bild, das mich auf gewisse Weise einfach irritiert, wenn es nicht altersentsprechend ist.

Ich finde es schade, wenn junge Menschen so sind. Ich denke mit dann immer, wie die sein werden, wenn sie wirklich alt sind. Und ich denke, dass sie viel verpassen.

Was soll ich denn groß verpassen? Ich finde es schade, wenn es Menschen gibt, die anderen Leuten Vorhalte in der Art machen, wie du es gerade machst. Ich denke nicht, dass ich irgendetwas verpasse, was ich gerne miterlebt hätte. Und ich glaube nicht, dass ich eine alte Schreckschraube werden werde oder etwas in dieser Richtung.

Man hört es vielleicht schon, ich bin ein richtiger Anachronismus und bin in der heutigen Zeit irgendwie noch nicht angekommen, ich wünsche mich zurück in die gute alte Zeit, irgendwann in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts oder wegen mir auch in das neunzehnte Jahrhundert zurück. Man sagt mir, ich würde das Parfüm einer alten Dame tragen - und das schon seit meine sechsten Lebensjahr, als ich mir zum ersten mal in einer Drogerie ein Parfüm aussuchen durfte. 4711. Gut, es ist kölnisch Wasser, aber einen anderen Duft lasse ich nicht an meine Haut heran, mit der einzigen Ausnahme von Chanel No.5. Freunde werfen mir vor, dass ich die meisten Trends auslasse und dafür recht klassische Kleidung trage, was mit meinen Hobbys zu tun hat. Ich habe entweder klassische Designs oder punkige, aber nichts richtig modernes.

Meine Einstellungen würden viele Menschen sicherlich als total antiquiert bezeichnen. Na und? Das ist doch meine Sache. Ich stehe zu meinen Ansichten und ich habe gute Gründe, diese zu verfolgen. Zum Beispiel würde ich in meinem Leben nicht das Bett mit einem Mann teilen, wenn ich mit ihm nicht verheiratet bin. Das ist definitiv unsittlich. Ich kann den Sittenverfall der Gesellschaft absolut nicht nachvollziehen und finde ihn verwerflich. Machen kann ich dagegen allerdings nicht und das habe ich auch gar nicht vor.

Verpasst habe ich in meinem Leben bestimmt noch nichts, ganz im Gegenteil. Warum sollte ich mich auf sinnlosen Partys tummeln, wenn ich doch viel wichtigere Veranstaltungen wahrnehmen kann? Alkohol mag ich nicht, Menschenansammlungen mag ich nicht und laute Musik mag ich nicht. Das alles regt mich über die Maßen auf. Ich habe schon mit sechzehn all die Einladungen zu irgendwelchen Partys abgesagt, denn ich musste am Wochenende um vier Uhr morgens aufstehen und zum Turnier fahren. Erfolg war mir wichtiger, ist mir wichtiger und wird es auch immer sein. Das Partyleben geht total an mir vorbei, es hat keinen Sinn, es bringt mir nichts ein, man gibt nur Geld aus. Diese Einstellung finde ich absolut nicht altmodisch, ich finde sie vernünftig.

Was soll ich denn groß verpassen? Ich finde es schade, wenn es Menschen gibt, die anderen Leuten Vorhalte in der Art machen, wie du es gerade machst. Ich denke nicht, dass ich irgendetwas verpasse, was ich gerne miterlebt hätte. Und ich glaube nicht, dass ich eine alte Schreckschraube werden werde oder etwas in dieser Richtung.

Ich glaube, du hast nicht nicht richtig verstanden und musst dich auch nicht "angegriffen" fühlen. Aber ich werde doch, von meiner Perspektive aus sagen können, dass ich es schade finde und denke, dass man was verpasst. Natürlich aus meiner Einstellung heraus. Nach der Meinung wurde ja auch gefragt, was wir denken, wenn wir solche Menschen treffen. Und so denke ich nun mal. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich die Lebensweise von irgendjemanden abwerte. Grundsätzlich ist es doch das wichtigste, dass man selbst glücklich ist. Aber ich habe eine andere Einstellung zum Leben und war eben auch anders, als ich jünger war. An welcher Stelle werte ich denn damit irgendetwas ab?

Ach und mit dem Punkt, was aus den Leuten mal wird, wenn sie wirklich alt sind, hatte ich auch keine Schreckschrauben im Kopf. Ich frage mich aber, was mein Mitbewohner, der jetzt schon der Meinung ist, er hat einen alten Körper, der mir sagt, dass er in seinem Alter (23) nicht MEHR mit weniger als 7 Stunden Schlaf auskommt, jammern wird, wenn er 50 oder gar 70 ist.

Deine Einstellung kannst du also gern weiter haben, warum du allerdings mich zitierst um deinen Unmut darüber zu äußern, dass deine Lebensweise nicht akzeptiert wird, ist mir schleierhaft. Und du musst dich dafür, zumindest bei mir, auch nicht rechtfertigen.

Das Wort "Altmodisch" ist witzig. Jeder Mensch entwickelt sich in seiner Jugend. Dabei spielen die äußeren Einflüsse eine große Rolle wie man letztendlich als Erwachsener sein wird. Wenn sie also in einer Atmosphäre aufgewachsen ist, wo dieses Denken so war, dann ist sie jetzt nun so. Du magst dich darüber aufregen, dass sie so "altmodisch" denkt. Sie allerdings kann es nicht begreifen wie "neumodisch" man sich aufführen kann. Jeder hat also seine eigene Vorstellung vom idealen Leben und man wird sich nie übereinstimmen können.

Ich wette trotzdem, dass sie sich der für dich unverständlichen Denkweise sicher fühlt, und keineswegs Einbußen hat, was den Lebensgenuss angeht. Vielleicht hat sie sogar mehr davon, weil sie offensichtlich durch ihre erwachsene Wirkung nach Außen hin viel geleistet hat, bzw. viel für sich verinnerlicht hat. Ich würde die heutige Weltsicht auch eher als flach bezeichnen, weil sich die wenigsten nur noch um tiefgründige Dinge kümmern, Hauptsache man gibt viel Geld aus und feiert.

Ich habe einen Kumpel, der sich so altmodisch verhält. Er verhält sich, als wäre er ein alter Mann. Er geht nie abends weg, trinkt nur Wein, wenn es Alkohol sein muss, und geht dazu nur zu Veranstaltungen mit klassischer Musik.

Dazu hat er in vielen Fällen einfach eine komische Einstellung. Küssen sollte man sich seiner Meinung nach, nicht in der Öffentlichkeit und eine Frau sollte hinter dem Herd stehen und die Kinder hüten und nicht arbeiten gehen. Dass finde ich schon ziemlich überholt und wenn er sonst nicht so nett wäre, würde ich nicht mit ihm klarkommen.

Ich habe es aber auch schon oft erlebt, dass sich Menschen einfach ein bisschen reifer zeigen wollen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen und dann so abdriften. Bei deinem Vorfall kann es aber auch sein, dass die Dame vielleicht stark gläubig war.

Einen weißen Spitzenkragen würde ich nicht einmal als sonderlich altmodisch empfinden. Das kann einfach ein modisches Statement sein, und wenn es einer jungen Frau auch noch steht, warum nicht? Es muss doch nicht jeder den aktuellen Einheitsbrei tragen. Also bei so jemandem wäre ich dann eher neugierig, was dahinter steht. Auch den Verzicht auf harte Alkoholika empfinde ich übrigens nicht als "altmodisch". Die Einstellung, dass man nur "in" ist, wenn man sich regelmäßig die Kante gibt, ist sowieso nur in ganz bestimmten Gesellschaftsschichten verbreitet. Und eine Vorliebe für klassische Musik ist, denke ich, nicht altersabhängig. Entweder, man mag das hören, oder eben nicht.

Was diese konservativen Wertevorstellungen wie "Homosexualität ist ganz, ganz böse, weil die Bibel..." und so weiter angeht - damit outet man sich natürlich sofort als aus einem religiös-konservativen Elternhaus stammend. Und zugegebenermaßen wäre ich auch äußerst irritiert, wenn mir in einem Gespräch jemand so käme. Aber religiöser Fanatismus ist eben leider auch nicht altersabhängig. So etwas kommt ganz offensichtlich nie aus der Mode. (Genauso, wie es zum Glück sehr viele toleranter denkende ältere Leute gibt.) Ich muss auch sagen, dass ich zu einem derart denkenden Menschen vermutlich keinen näheren Kontakt wünschen würde. Und er/sie vermutlich nicht zu mir - also solche "Probleme" lösen sich meist von selbst.

Ich kenne auch einige junge Leute, die sich sehr altmodisch benehmen und sich auch so kleiden. Dabei ist es tatsächlich so, dass sie mir wirklich sehr alt vorkommen. Immerhin kennen sie viele angesagte Serien oder Filme gar nicht, wobei sie auch angesagte Bands nicht kennen. Dazu kommt, dass sie ebenfalls von vielen Stars keine Ahnung haben und von vielen Lebensmitteln und Speisen haben sie noch nie etwas gehört. Von daher kommen mir die Leute dann tatsächlich so vor, als würden sie von einem anderen Stern kommen. Immerhin kennen sie die ganzen Sachen nicht, die man als junger Mensch normalerweise kennt.

Im Prinzip finde ich, dass jeder Mensch so sein sollte, wie er möchte und mich stört es auch nicht, dass nicht jeder junge Mensch gerne in Discos geht und sich für Kleidung interessiert. Allerdings finde ich es doch sehr schade, wenn man so verschlossen gegenüber neuen Sachen ist und sich gar nicht traut, einmal ein anderes Outfit anzuprobieren oder sich vor den Fernseher zu setzen und eine anspruchslose Serie anzuschauen. So etwas gehört ja auch zum Leben dazu und es kann ja auch nicht schaden, wenn man so etwas einfach einmal ausprobiert.

Ich finde tatsächlich auch, dass man etwas verpasst, wenn man nicht einfach einmal die Sachen macht, die man als junger Mensch eben macht. Dazu gehören Konzerte, Partys, Ausflüge mit Freunden und auch verschiedene Serien, Kleidungsstücke oder Musikrichtungen. Immerhin muss man das dann auch nicht dauerhaft machen, wenn man es nicht möchte und wenn das alles einem keinen Spaß macht. Allerdings sollte man so etwas einfach einmal ausprobieren und ich denke nicht, dass das schaden kann. Stattdessen kann man neue Sachen entdecken, die einem auch viel Spaß machen und die einen erfreuen.