Glaube an Gott eine charakterliche Orientierungshilfe?

vom 02.12.2012, 13:12 Uhr

Wenn ich bei manchen Leuten sehe, was der Glaube an Gott mit ihnen macht, dann frage ich mich, ob es wirklich eine charakterliche Orientierungshilfe ist. Da sind Menschen, die ihren Sohn durch einen Mord verloren haben und die durch den Glauben an Gott diesem Mörder verzeihen können. Macht der Glaube an Gott einen derart stark, dass man das so ohne weiteres kann oder was geht in den Köpfen der Leute vor, die etwas machen, was menschlich eigentlich nicht zu erklären ist.

Im Bekanntenkreis ist eine Frau, die von ihrem Mann ständig betrogen wird. Die Frau verzeiht ihrem Mann immer wieder und sie meint, dass er eben nur seiner Lust nachgeht und es nichts mit der Ehe zu tun hat. Gott hat es eben so gewollt. Ich muss sagen, dass ich ihr einen Vogel gezeigt habe, weil ich so was nicht nachvollziehen kann.

Es gibt bestimmt tausend Beispiele, wo ein gläubiger Mensch anders reagiert als ein nicht gläubiger Mensch und oft habe ich das Gefühl, dass der Charakter dieser Menschen gesteuert wird. Kann denn der Glaube an Gott auch eine Orientierungshilfe sein oder wie denkt ihr darüber?

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» Sherlock-Holmes » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich kann mir nicht helfen, aber ich verstehe die Menschen, die an Gott glauben, in dieser Hinsicht nicht. Ich persönlich bin Apatheist, das ist eine Form des Agnostizismus, der wiederum eine Form des Atheismus ist. Apatheismus bedeutet dabei, dass für mich die Existenz und Nicht-Existenz eines oder mehrerer Götter völlig irrelevant und bedeutungslos für mein Leben ist.

Ich denke schon, dass in gewisser Hinsicht sehr gläubige Menschen vieles mit Hilfe ihres Gottes entschuldigen oder verzeihen können, allerdings halte ich persönlich das Argument "Gott wollte es so" oder Ähnliches für stumpfsinnig. Das soll jetzt keine Beleidigung gegen Gläubige sein. Soll ja jeder denken und machen, wie er es für richtig hält. Ich persönlich kann es jedoch nicht im Ansatz nachvollziehen ein Wesen, dessen Existenz nicht bewiesen ist und selbst wenn diese bewiesen wäre, dieses Wesen noch nicht mal sichtbar ist bzw. sichtbar in den Lauf der Dinge eingreifen kann, in das eigene Leben mit hinein zu ziehen.

Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was mit "Orientierungshilfe für den Charakter" gemeint sein soll. Ist damit der Sinn des Lebens gemeint? Suchen gläubige Menschen weniger nach dem Sinn des Lebens als Ungläubige. Das könnte ich mir durchaus vorstellen, da ich mir selbst als Ungläubiger häufiger Gedanken um den Sinn des Lebens mache, der sich mir nicht unbedingt einleuchtend erschließt.

» Sabrina90 » Beiträge: 42 » Talkpoints: 0,39 »


Um mal auf das Beispiel von dem Mörder zu kommen - wieso glaubst du, dass es sich hier nicht um eine Orientierungshilfe handeln würde. Ich meine, angenommen nun man hat einen Menschen, der keiner Religion angehört und dessen Kind würde nun ermordet werden. Was würde nun im schlimmsten Falle passieren? Die Person würde ihr Leben lang von Rachegedanken zerfressen werden. Schlimmstenfalls würde sie vielleicht sogar versuchen ihre Rachepläne in die Tat umzusetzen und würde dann selbst in das Gefängnis kommen. Toll, oder? Aber Hauptsache es ist menschlich nachvollziehbar?

Das Beispiel mit dem Ehebruch ist nun wieder was ganz anderes und hier ist auch ganz offensichtlich, dass es mit der Religion nichts zu tun hat, dass ist dir doch klar oder etwa nicht? Die Frau hat einfach nur Verlustängste, vielleicht ist sie finanziell und in anderen Aspekten von ihrem Mann abhängig oder auch sonst sehr an ihn gebunden, so dass sie diesem Alltag nicht entgehen möchte. Die Religion dient hier nur als Vorwand. Davon mal abgesehen hat Sex genau genommen wirklich nichts mit Liebe zu tun, sondern ist einfach nur Triebbefriedigung, deswegen hat sie streng genommen sogar Recht.

Dennoch erklärt dies natürlich nicht, wieso der Mann es tut, weil man als Person, die seinen Partner liebt, diese Triebbefriedigung nicht so öffentlich machen würde oder zumindest versuchen würde, es vor der Frau zu verstecken. An sich aber hat dies in erster Linie mit der Religion nichts zu tun, dass ist ein Vorwand, den die Frau vorschiebt, um ihr Leben beibehalten zu können.

Ich denke, es kommt immer darauf an, wie man das auffasst. Ich selbst bin kein gläubiger Mensch und könnte es auch niemals sein, aber ich stamme aus einer katholischen Familie und sehe es so in meinem Familienkreis. Meine Großmutter ist streng katholisch, sie würde mir den Hals umdrehen und schweigt mich die ganze Woche lang an, wenn ich nicht mit ihr in die Kirche gehe. Aber mal was Spenden oder bedürftigen Menschen zu helfen, anderweitig irgendwie den ''Nächsten'' zu helfen - nein, bloß nicht!

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich denke, der Glaube an irgendeinen Gott (muss ja nicht der typische Christengott sein) kann positive und negative Auswirkungen auf den Charakter haben. Wer diesen Glauben nicht kennt oder teilt, kann das logischerweise nicht nachvollziehen. So mancher Gläubige fragt sich bestimmt auch, wie Menschen, die nicht an einen "höheren Sinn" im weitesten Sinne glauben, beispielsweise damit klarkommen, dass sie unheilbar krank sind und noch ein paar Monate zu leben haben.

In den Medien habe ich schon öfter gehört, dass Menschen, die einen schweren Schicksalsschlag erlitten haben, erklärt haben, dass ihr Glaube ihnen beim Verarbeiten geholfen hat. Das finde ich durchaus einleuchtend. Auch das Verzeihen gehört für viele dazu, um halbwegs weiterleben zu können. Vergebung kommt ja nicht dem Täter zugute, sondern den Opfern, weil sie dadurch nicht länger von Hass und Wut zerfressen werden.

Andererseits kann der Glaube auch als Vorwand gesehen werden, sich nicht zu engagieren und das Leben passiv an einem vorbeiziehen zu lassen, wie in deinem Beispiel vom untreuen Ehemann. Das sehe ich auch negativ. Mit diesem Argument kann man sich auch die Mühe sparen, sich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen - schließlich ist es dann ja auch "Gottes Wille", dass Obdachlose auf der Straße sitzen oder Kinder keine warme Mahlzeit bekommen.

Kurz: Der Glaube kann Menschen zu erstaunlichen Taten und Einsichten bringen und ihren Charakter zum Guten beeinflussen und stärken, aber letzten Endes stellt er keine Garantie dar. Man kann gläubig und schwach, niederträchtig oder erbarmungslos sein. Sonst wäre es ja einfach.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Für mich ist das, und es tut mir leid wenn sich Gläubige dadurch angegriffen fühlen, nur eine Ausrede, wenn man sagt "Gott wolle das so". Das ist Quatsch und Bockmist gleichzeitig, sorry.

Ich bin nicht sehr gläubig, da ich keinen Sinn darin sehe, an etwas zu glauben, das ich noch nie gesehen habe oder dessen Existenz mir niemand wirklich beweisen kann. Aber wenn ich schon höre, dass jemand der an Gott glaubt und vieles durch machen musste, auch noch sagt, dass es schon richtig sein wird, weil Gott es so gewollt hat, dann platzt mir echt der Kragen. Wie kann es sein, dass ein Gott, der diese Welt (angeblich) erschaffen hat, so viel zulässt, dass diese Welt zerstört? Ist es ihm wirklich so unwichtig, was mit seinem Werk geschieht, oder hat er es gar nicht erschaffen und es ist einfach nur eine Vorstellung, die sich gläubige Menschen zurecht machen, um für alles und jeden eine Ausrede zu haben?

Ehrlich gesagt ist es für mich nicht nachvollziehbar, wie man so argumentieren kann wie in deinen Beispielen. Das ist hirnrissig und ich halte es für fatal, Gott in allem und jedem zu sehen. Meiner Meinung nach hat das alles gar nichts mit Gott zutun und auch der Glaube an Gott kann einem die Wut und die Trauer wegen eines Mordes oder anderer Verluste nicht nehmen. Da reden sich das manche schön, weil sie so besser leben können und ruhiger schlafen.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Ich selber bin ein gläubiger Mensch und ich kann nicht sagen, dass der Glaube an einen Gott für mich nun so etwas ist wie eine charakterliche Orientierungshilfe. Gut, ich glaube an Gott und ich bemühe mich, ein im christlichen Sinne guter Mensch zu sein. Ich bin aber nicht frei von Fehlern und so sehr ich doch an einen guten und gerechten Gott glaube, der uns allen in seiner Güte ein Vorbild sein sollte, so kann ich gewissen Menschen gewisse Dinge nicht verzeihen und das werde ich wohl auch niemals ganz tun, auch wenn es letzten Endes Dinge sind, von denen ich fest überzeugt bin, dass sie im Auftrag Gottes getan worden sind.

Folglich müsste ich einfach demütig mein Schicksal akzeptieren und Gott auch noch dafür danken, was ich auch mache. Aber muss ich den Menschen, die mir Unrecht angetan haben, verzeihen? Wenn es nach der Bibel ginge vielleicht schon, aber es gibt einfach Sachen, die ich persönlich nicht verzeihen kann und auch nicht will, die ich bis an mein Lebensende den entsprechenden Personen vorhalten werde, es sei denn, ich finde eine Lösung für diese Probleme. Dann und erst dann wird alles vergeben sein, denn die Situation ist geklärt und ich kann die Taten verzeihen, da ich sie habe berichtigen können.

Nur weil ich an Gott glaube, würde ich keinem Mörder verzeihen. Ich würde keinen Ehebruch hinnehmen und ich würde nicht zu allem Ja und Amen sagen. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass Gott wollen würde, dass wir so bedingungslos handeln. Sicher sollen wir gütig und gnädig sein, aber wir sollen uns auch selber schützen. Und dazu gehört eben, dass man gewisse Dinge verurteilt. Meiner persönlichen Meinung nach ist der Glaube an einen Gott deswegen nichts, was dem eigenen Charakter helfen kann, sich zu orientieren.

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» olisykes91 » Beiträge: 5370 » Talkpoints: 24,75 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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