Einem Vorgesetztem das "Du" anbieten?
Mir ist durchaus bewusst, dass die meisten von euch vermutlich bei der Threadüberschrift eine vorgefertigte Antwort im Kopf haben. Und ich weiß auch, dass Duzen und Siezen gerade im geschäftlichem Rahmen in Deutschland weiterhin oft ein schwieriges Thema ist. Die Überschrift ist vielleicht auch nicht ganz passend gewählt.
Die Situation ist wie folgt. Herr A arbeitet seit einiger Zeit in einem Unternehmen, in dem sich nach dem Vorstellungsgespräch alle duzen. Also nicht nur die Mitarbeiter unter sich, sondern auch die Vorarbeiter, bzw. Gruppenleiter stellen sich direkt mit Vornamen vor. Lediglich der oberste Chef wird gesiezt, was Herrn A auch so mitgeteilt wurde und daran hält er sich natürlich auch. Wobei der Chef manchmal von sich aus einige Kollegen duzt. Das ist aber nicht das Thema, sondern dient nur zur Erklärung.
Nun ist Herr A seit kurzem in einem anderem Bereich in diesem Unternehmen, in dem es einen indirekten Vorgesetzten Herrn B gibt. Dieser ist selten vor Ort und Herr A hat ihn nur wenige Male gesehen. Er stellte sich beim ersten Mal mit seinem Vornamen vor, während dieser Vorgesetzte seinen Nachnamen nannte. Erst später bemerkt Herr A, dass Herr B auch am Telefon immer nur seinen Namen nennt. Herr A verbindet diesen Vorgesetzten öfter mit anderen Mitarbeitern, dabei meldet sich Herr B dann mit seinem Nachnamen fragt aber mit dem Vornamen nach den Mitarbeitern.
Beim letzten Mal fiel Herrn A auf, dass sich Herr B scheinbar auch nicht sicher ist, ob er Herrn A duzen soll oder nicht. Herr A hat bisher immer eine direkte Anrede vermieden, was aber auf Dauer in manchen Situationen schwierig ist. Herr A fragt sich nun, ob er das Thema nun direkt ansprechen soll und nachfragen sollte, ob Herr B gerne gesiezt werden möchte. Aber ein "Soll ich eigentlich Sie zu Ihnen sagen?" klingt doch auch irgendwie blöd, vor allem, da Herr A und Herr B ja bereits öfter miteinander Kontakt hatten. Aber Herrn B nun einfach duzen findet er Herr A auch unpassend.
Herr B wird von den anderen Mitarbeitern auch durchweg geduzt (soweit Herr A das bisher beurteilen kann), diese arbeiten allerdings alle schon länger im Unternehmen. Mit einem Kollegen hat Herr A darüber gesprochen, dieser hat Herrn B jedoch von Anfang an geduzt. Die anderen Kollegen möchte Herr A ungern darauf ansprechen, zumal diese ihm ja auch nicht gestatten können Herrn B zu siezen, da dies doch vom Vorgesetzten kommen sollte oder? Wie würdet ihr euch weiter verhalten?
Ich würde das Problem in einem kurzen Gespräch aufklären. Ich würde einfach durch Zufall den Chef duzen und dann sehen, wie er reagiert. Man selber tut einfach so, als ob es herausgerutscht ist und man sich nicht weiter darüber Gedanken macht. Wenn der Chef dann auch nur noch mit "Du" spricht, dann dürfte die Sache klar sein. Sollte er allerdings weiter das "Sie" benutzen, dann würde ich auch dabei bleiben.
davinca hat geschrieben:Sollte er allerdings weiter das "Sie" benutzen, dann würde ich auch dabei bleiben.
Genau dort liegt das Problem. Er benutzt genau wie Herr A weder das Du oder das Sie. In den kurzen Dialogen bisher gab es keine direkte Ansprache, bzw. er sprach von der ganzen Abteilung und benutzte dann ein "euch". Dies aber teilweise sozusagen unpassend, da eine direkte Anrede an Herrn A passender gewesen wäre.
Das ist gar kein Problem und ich verstehe nicht, wieso sich Herr A hier überhaupt Gedanken macht. Es ist vollkommen unerheblich, ob Herr B alle anderen im Betrieb duzt bzw. sich duzen lässt. Schließlich kann es sein, dass Herr B früher mit eben diesen Kollegen auf "gleicher Ebene" angefangen hat und das "Du" aus dieser Zeit behalten hat. Oder aber das Herr B eben die anderen Kollegen so weit kennt, dass er ihnen das "Du" angeboten hat. Für den Herrn A gilt dies nicht und solange dem so ist, sollte Herr A hier auch - wir üblich - den Herrn B mit "Sie" ansprechen. Mehr muss sich der Herr A nicht denken und sobald Herr B hier für sich ein Unbehagen feststellt, wird der das "Du" anbieten. Blöd könnte die Situation nur sein, wenn Herr B eben deutlich jünger als Herr A wäre und sich so eine Situation ergibt, aus der heraus ein eher schüchterner Herr B das "Du" niemals anbieten wird. Aber damit müsste Herr A sich abfinden (können).
Ich würde meinen Chef in einer solchen Situation siezen und dann eine Reaktion abwarten. Wenn der Chef auf ein "du" aus ist, dann wird er dies nach einigem "Sie" sagen schon anbieten, eine solche Frage oder ein solches Angebot muss aber immer vom Vorgesetzten kommen und ich bin mir sicher, dass der Chef dass auch so weiß. Er ist eben auf diese Form der Kommunikation umgesprungen, weil es ja auch nur so gemacht wurde von A.
Ich sehe kein Problem oder keine falsche Verfahrensweise darin, meinen Vorgesetzten grundsätzlich zu siezen, ganz unabhängig davon, wie locker unser Umgangston ist. Außerdem bin ich der Meinung, dass jemand, der das Du gerne einführen will, das jederzeit tun kann, auch, wenn man sich jahrelang zuvor ausschließlich gesiezt hat. Allein die Tatsache, dass der Vorgesetzte eine direkte Anrede vermeidet, sagt für mich jedenfalls noch nicht aus, dass er sich ein Du überlegt oder selbst unsicher ist. Es mag ja sogar sein, dass er unsicher sein könnte, aber auch in diesem Fall spricht nichts dagegen, ihn einfach zu siezen und damit eine Umgangsform festzulegen, bis diese widerrufen wird, was meiner Ansicht nach vom Vorgesetzten kommen muss.
Wäre ich also an der Stelle des Herrn A, so würde sich für mich die hier gestellte Frage überhaupt nicht bieten, sondern ich würde selbstverständlich meinen Vorgesetzten siezen. Aus anderen Unternehmen kenne ich es übrigens auch so, dass irgendwann der Vorgesetzte auf einen Mitarbeiter zugekommen ist und diesem angeboten hat, dass man sich duzen könne, weil das in diesem Unternehmen eigentlich sogar so üblich ist. Selbst als neuer Mitarbeiter gleich das Du einzuführen, halte ich für keine gute Idee. Und wenn es sich um die Frage dreht, wie ich meinen Vorgesetzten anzusprechen habe, schon gleich gar nicht, weil dieser nun mal mir vorgesetzt ist, sich also hierarchisch auf einer ganz anderen Stufe befindet. Schon aus diesem Grunde gelten hier meiner Meinung nach die üblichen Spielregeln der Höflichkeit, die es mir verbieten, nicht meinerseits das Du anzubieten oder einfach zu praktizieren, ohne, dass ich dazu ermuntert worden bin.
Übrigens ist mir selbst noch in keinem einzigen Unternehmen das Du von einem Vorgesetzten angeboten worden und ich würde meinen Chef noch nicht mal "Chef" nennen, obwohl wir wirklich einen lockeren Umgang in der Kanzlei haben. "Chef" wäre für mich aber schon wieder zu flapsig und ich kann mir gut vorstellen, dass es auch lockere Menschen gibt, die das nicht so prickelnd finden, wenn ihre Angestellten zu flapsig in ihrem Umgangston werden. Ich würde also als Angestellter grundsätzlich immer auf Nummer sicher gehen und mich an die üblichen und gängigen Umgangsformen halten, also das Sie an dieser Stelle, bis es vom Vorgesetzten in ein Du gewandelt wird.
derpunkt hat geschrieben:Für den Herrn A gilt dies nicht und solange dem so ist, sollte Herr A hier auch - wir üblich - den Herrn B mit "Sie" ansprechen.
Es ist aber eben in dem Unternehmen nicht üblich sich zu siezen, sondern es duzen sich alle. So hat der direkte Abteilungsleiter von Herrn A sich auch direkt am ersten Tag mit Vornamen vorgestellt und bei der ersten Betriebsführung wurde grundsätzlich gesagt, dass sich alle duzen. Verbunden mit der Frage, ob das für die neuen in Ordnung ist, wobei diese Frage eher obligatorisch war.
Es ist auch sonst üblich, dass die Mitarbeiter sich mit Vornamen vorstellen untereinander und auch Vorgesetzte bzw. Gruppenleiter aus anderen Abteilung sich mit Vornamen melden. Nur der oberste Chef wird gesiezt, wobei mit diesem die einfachen Mitarbeiter sowieso nicht kommunizieren, abgesehen von der Begrüßung.
Ramones hat geschrieben:Er ist eben auf diese Form der Kommunikation umgesprungen, weil es ja auch nur so gemacht wurde von A.
Nein Ramones, da muss ich dir widersprechen. Herr A stellte sich von selbst Herrn B mit Vornamen vor, woraufhin dieser allerdings seinen Nachnamen nannte. Mittlerweile ist sich Herr A aber nicht mehr sicher, ob dies nicht quasi automatisch war. Und da Herr B nicht der direkte Vorgesetzte ist (aber eben doch über Herr A steht), sieht er ihn auch nur unregelmäßig, hat ihn allerdings häufiger am Telefon. Wobei er ihn dort lediglich verbindet, was ja ebenfalls ohne direkte Anrede stattfindet. Nur manchmal würde Herr A doch lieber eine direkte Anrede benutzen, um zum Beispiel zu fragen, ob Herr B später nochmal anrufen kann. Und auch bei den persönlichen Aufeinandertreffen fühlt sich Herr A nie ganz wohl. Er neigt auch dazu Herr B einfach zu siezen, hat aber doch Bedenken, dass das eigenartig rüber kommt, da Herr A ja eigentlich weiß, dass sich alle duzen.
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