Praktikumsplatz - Arbeitgeber wollen erfahrene Praktikanten

vom 02.11.2012, 15:17 Uhr

Letzte Woche hatte ich ein Vorstellungsgespräch für ein Praktikum. Anfangs war ich sehr motiviert, denn die Stelle war super und ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich perfekt auf die Stellenausschreibung passen würde. Meine Zuversicht und Motivation senkte sich aber im Verlauf des Gesprächs immer mehr. Ich kann es nicht genau sagen, aber irgendwie konnte ich ziemlich viele Fragen nicht beantworten, weil mir einfach das praktische Wissen dazu fehlte. Sehr begeistert waren meine Gesprächspartner dann natürlich nicht von mir. Ich habe auch leider erst ein Praktikum gemacht und an der Uni bekommt man bestimmte praktische Dinge einfach nicht beigebracht, sondern lernt sie eben erst in einem entsprechenden Praktikum.

Und genau das ist auch der Punkt, der mir schon häufiger passiert ist: Warum wollen anscheinend viele Arbeitgeber nur Praktikanten, die schon alles können? Ich meine, ich möchte ja ein Praktikum machen, um Erfahrung zu sammeln und Neues zu lernen damit ich für einen richtigen Job später gut vorbereitet bin. Ein Praktikum hat ja genau diesen Sinn und deshalb kann ich das einfach nicht verstehen. Es ist schließlich noch gar kein richtiger Job und trotzdem sind die Erwartungen extrem hoch angesetzt und manchmal kaum zu erfüllen. Ich bin ziemlich enttäuscht von dem Gespräch und glaube auch kaum, dass ich die Stelle so bekommen werde.

Was glaubt ihr woher diese Einstellung der Arbeitgeber kommt? Ist es nicht ungerecht, wenn man gar nicht erst die Chance bekommt, Erfahrung sammeln zu können?

Benutzeravatar

» fairyland » Beiträge: 104 » Talkpoints: 60,72 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Genau dafür ist ein Praktikum je eigentlich da, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Schüler leisten Praktika ab, um einen kleinen Einblick in den Beruf zu bekommen, den sie dann nach dem Schulabschluss erlernen können. Studenten sollen die Möglichkeit bekommen, das theoretisch erlernte Wissen mal in der Praxis, sozusagen am lebenden Studienobjekt auszuprobieren.

Leider sehen viele Firmen in den Praktikanten nur billige Arbeitskräfte. Der Praktikant soll möglichst alles können und möglichst wenig dafür bekommen müssen. Auch kommt es nicht selten vor, dass der Praktikant oder die Praktikantin gewissermaßen den Laufburschen macht. "Kopier mir mal, hol mir mal, bring mal dahin" usw.. Dafür ist dieser kleine Einblick ins Berufsleben aber nicht gedacht, und ein wirkliches Reinfühlen bewirkt er auf diese Weise auch nicht. Oft weiß man hinterher lediglich, dass man so einen Job später nicht haben will.

Ich habe mal ein Praktikum bei einem Rechtsanwalt gemacht, das ist schon fast zwanzig Jahre her, war aber damals schon ernüchternd. Ich war dort allerdings nur vier Wochen lang. Klar konnte man mir nicht wirklich viel beibringen in der kurzen Zeit, aber man kann einen Praktikanten durchaus an die Hand nehmen und ihn einfach mitgehen lassen. Bei mir leider Fehlanzeige, und so wusste ich hinterher, dass ich auf jeden Fall schon mal keine Rechtsanwaltsgehilfin werden wollte.

Anders ist das bei einem Praktikum, das ein ganzes Jahr dauert. Da ist es eher möglich, tiefere Einblicke zu gewähren Aufgaben zu übertragen. Aber auch das wird leider wenig getan. Solche langen Praktika machen aber meines Wissens nur Fachoberschüler.

Der Angestellte, der den Praktikanten betreut, braucht dann zwar Extrazeit, aber dafür hat der Praktikant auch was von seinem Praktikum. Vor allem bekommt man dann vielleicht auch einen engagierten Auszubildenden, der Interesse am Job hat uns ihn gut machen will.

» Thaddäus » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 22,78 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Interessant wäre es zu erfahren, was du überhaupt studierst. Ich muss sagen, dass ich deine Erfahrungen nicht wirklich teilen kann. Ich habe mich damals für mein aller erstes Praktikum bei drei großen Firmen beworben und wurde bei zwei davon genommen, obwohl ich davor keinerlei Berufserfahrung hatte.

Mir ist aber aufgefallen, dass viele solcher großen Firmen Praktikanten eher als billige Arbeitskraft einsetzen wollen. Ich konnte bei meinem Praktikum nicht wirklich von einem Praktikum sprechen. Ich musste wirklich schuften, habe meine Deadlines gehabt und von einer 40-Stunden-Woche will ich nicht erst reden. Unter einem Praktikum stellt man sich normalerweise was anderes vor. Zumindest habe ich mir das anders vorgestellt. Und da die Firmen wie gesagt keine Praktikanten, sondern Arbeitskräfte wollen, muss man sich nicht wundern, wenn man Berufserfahrung gewünscht ist. Richtig ist das aber nicht!

Wenn du denkst, dass du für eine Stelle laut der Ausschreibung gut geeignet bist, und dann im Gespräch doch merkst, dass es nicht der Fall ist, dann stimmt meiner Meinung nach was anderes nicht. Man kann nicht immer nur sagen, dass einem an der Universität nicht beigebracht wird. Je nachdem was du studierst, sollte es doch möglich sein, sich praktische Dinge selber anzueignen - vor allem bei technischen Studiengängen. Bei uns war es damals so, dass wir zwei Semester lang Vorlesungen zum Programmieren hatten. Nach den zwei Semestern konnte ich aber noch lange nicht programmieren. Ich musste mich auch zu Hause hinsetzten und Bücher wälzen und viel üben, weil ich weiß, dass ich das nicht kann, aber man das später von mir erwartet. Ein bisschen Eigeninitiative hat denke ich noch keinem geschadet.

Die Stellenanzeigen sind natürlich immer etwas übertreiben ausgelegt. Von dir erwartet keiner, dass du alles kannst. Lass dir deine Vorstellungsgespräche durch den Kopf gehen - vor allem die Stellen, bei denen du Probleme hattest. Gehe die Fragen, die du nicht beantworten konntest, noch einmal durch und lerne daraus! Einen Praktikumsplatz zu finden ist wirklich alles andere als schwer. Zumindest waren das meine Erfahrungen.

» Märie » Beiträge: 459 » Talkpoints: 15,45 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Zu meinem Studienfach: Ich studiere Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing. Bei einem technischen Fach, wie du es beschrieben hast, ist üben vorher schon möglich aber ich glaube beim Marketing muss man einfach in das Unternehmen rein, um etwas zu lernen. Das habe ich auch bei meinem ersten Praktikum. Nur leider glaube ich, dass ich mit den Theorien und Modellen, die ich in Vorlesungen gelernt habe, nichts an Erfahrung gut machen kann. Am "lebenden Objekt" kann ich in meinem Studienfach wohl nur während eines Praktikums lernen.

Benutzeravatar

» fairyland » Beiträge: 104 » Talkpoints: 60,72 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich habe nur die einfachen Schulpraktika gemacht und da wurde ich eigentlich direkt dort genommen, wo ich eben auch nach einer Stelle gefragt hatte. Ich war beim Tierarzt, bei einem Kaufhaus und auch in einer Parfümerie. Damals gab es aber keine besonders hohen Ansprüche und es wurden von den Betrieben auch in dem Sinne keine Praktikanten gesucht. Ich musste so auch nicht zu einem Vorstellungsgespräch.

Aber ich denke auch, dass viele Betriebe Praktikanten einfach als kostenlose Angestellte ansehen. Meistens bekommt man ja für ein Praktikum keinen Lohn oder ähnliches. Vielleicht dann am Ende ein kleines Dankeschön, aber machen müssen es die Betriebe und Unternehmen ja nicht. Ich wäre auch traurig, wenn man mir so viele Fragen stellt, die ich nicht beantworten könnte und ich einfach das Gefühl hätte, irgendwie läuft es doch falsch. Ein Praktikum ist eben um Einblicke zu bekommen und so heraus finden zu können, ob der Beruf etwas für einen ist. Aber das vergessen die Meisten wohl.

Benutzeravatar

» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Arbeitgeber nutzen Praktikanten schnell aus und stellen sehr hohe Erwartungen an diese Leute, die eigentlich etwas erklärt bekommen wollen. Ich finde das Ausnutzen von Praktikanten einfach furchtbar, schließlich bekommen sie für ihre Arbeit kaum einen Cent. Die Arbeitgeber fordern viel zu viel von ihnen und sehen immer mehr eine billige Arbeitskraft im Praktikanten.

Eigentlich sagt der Begriff "Praktikant" schon aus, dass es sich dabei um einen Menschen handelt, der Null Erfahrungen im Beruf hat und gern mal hinein schnuppern möchte. Das eigentliche Konzept ist total aus der Bahn geraten, denn ein Praktikant muss in der Realität genauso mit anpacken wie ein voll bezahlter Angestellter. Das finde ich schon sehr schade.

» Sternchen* » Beiträge: 2804 » Talkpoints: 2,78 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Leider ist es inzwischen und das schon auch eine ganze Weile so, dass man am besten schon einige Jahre an praktischer Erfahrung hat, egal, ob man nun eine Ausbildung, eine neue Arbeitsstelle oder auch einen Praktikumsplatz angehen möchte. Ich denke mal, es ist schon deutlich geworden, dass man einen Praktikumsplatz, den man für ein Studium dringend benötigt, nicht mit einem gewöhnlichem Praktikum aus der Schule vergleichen kann. Jedenfalls sollte dieses Praktikum ja gerade dienlich sein, um Erfahrungen zu sammeln und erste eigene Abneigungen, aber in erster Linie eben die Befähigungen herauszufinden und dazu auch noch das Gelernte umzusetzen.

Du hattest davon geschrieben, dass das Praktikum als normale Stellenausschreibung angeboten wurde. War in dieser Stellenausschreibung auch davon die Rede gewesen, dass man bereits Erfahrungen in dem Bereich haben sollte? Konntest Du selbst auch damit argumentieren, dass Du motiviert bist, erste Erfahrungen zu sammeln? Vielleicht auch darauf hinweisen, dass man ja erst Erfahrungen sammeln kann, wenn man dazu überhaupt die Möglichkeit bekommt? Solche Hinweise helfen auch gern mal dem Arbeitgeber, seine Ansprüche gelinde gesagt etwas nach unten zu schrauben.

Wie schon gesagt wurde, ist es oftmals so, dass Praktikanten leider gern mal als billige Arbeitskräfte angesehen werden und leider auch ausgebeutet werden. Nach Deinen Schilderungen scheint es auch hier der Fall zu sein, sodass Du vielleicht unter Umständen froh sein kannst, wenn Du nicht das Praktikum bekommst. Ich würde Dir jetzt gern ein paar ermunternde Worte mit auf dem Weg geben, aber diese Phrasen sind mir an sich ein Greuel, also unterlasse ich es eben. Aber wenn man jemanden mit Erfahrungen haben möchte, sollte man entsprechend auch die Erfahrungen mit in der Stellenausschreibung erwähnen!

Benutzeravatar

» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Sternchen* hat geschrieben:Ich finde das Ausnutzen von Praktikanten einfach furchtbar, schließlich bekommen sie für ihre Arbeit kaum einen Cent.

Mittlerweile hat sich das geändert und ist gesetzlich so geregelt, dass Praktikanten unter bestimmten Voraussetzungen den Mindestlohn erhalten. Das macht es aber sehr problematisch, einen Praktikumsplatz erhalten. Ich kenne viele Studenten, die nur deswegen einen Praktikumsplatz bekommen haben, weil sie mehrfach versichert und "beweisen" konnten, dass es eben ein Pflichtpraktikum ist - denn für Pflichtpraktika gilt der Mindestlohn in der Regel nicht.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^