Studienwahl Medizin oder Elektrotechnik?

vom 24.10.2012, 21:42 Uhr

Medizin oder Elektrotechnik?

Medizin
1
100%
Elektrotechnik
0
Keine Stimmen
 
Abstimmungen insgesamt : 1

Ich stehe vor einer echt schwierigen Entscheidung. Ich interessiere mich sowohl für den Beruf des Arztes, als auch für den des Ingenieurs. Ich habe mich sehr umfassend über beide Berufe informiert, Praktika gemacht, Bücher gelesen, im Internet gesurft, sogar vorhin noch mit einem Arzt gesprochen, der meint er liebt seinen Beruf. Deswegen würde ich gerne noch mehr Meinungen dazu hören. Natürlich mach ich das jetzt nicht sofort davon abhängig, was mir hier empfohlen wird, aber die Meinungen interessieren mich. :wink:

Folgendes: Ich bin sehr interessiert an Naturwissenschaften, es ist quasi schon eine Art Hobby für mich geworden, da ich unglaublich wissbegierig bin. Gerade in Physik und Mathe habe ich mich von einer absoluten Niete zum Stufenbesten hochgeackert, nicht weil ich ein Genie wäre, sondern die Motivation hatte. Trotzdem mag ich auch Chemie, und Bio hätte ich, wenn man es dürfte auch noch dazugewählt, so viel schonmal zu meinen Interessen. Außerdem komm ich gut mit Menschen klar, es macht mir Spaß mit Leuten zu quatschen und mir ihre Gedanken anzuhören. Medizin finde ich ebenso hochinteressant, gerade Chirurgie würde mich reizen, es ist eben auch ein sehr praktischer Beruf.

Ich habe mir quasi ne Pro-Contra-Liste gemacht:

    Ingenieur (E-Tech)
    + Mathematik und Physik in Technik umwandeln
    + Viel freiheitliches Denken, weniger von Gesetzen eingeschränkt wie in der Medizin
    + gutes Gehalt, fast sicherer Job
    + humane Arbeitsbedingungen
    - wirtschaftsabhängig
    - ich bin ein Fleissmensch, kein Genie, das Formeln im Kopf einfach mal so herleitet

    Arzt
    + Menschlicher, sozialer Beruf
    + Spannend, abwechslungsreich
    + großes Spezialisierungsgebiet
    + zeitlose Branche -> Arbeitsplatz noch sicherer
    + etwas sehr besonderes
    + mehr Praxis als im Ingenieurwesen
    - harter Beruf, lange Arbeitszeiten
    - unter Umständen verhältnismäßig schlecht bezahlt
    - viel auswendig Lernen
    - bürokratisches System erschwert den Beruf
    +/- hohe Verantwortung
Das sind so die Punkte, die mir am wichtigsten erscheinen. Wäre cool, wenn ihr mir eine Empfehlung geben würdet, aber bitte konkret, ich weiß, dass die Entscheidung letztendlich von mir und meinen persönlichen Wünschen abhängt.

» Krachi » Beiträge: 2 » Talkpoints: 2,18 »



Ich würde Deine Auflistung ein wenig umändern wollen. Du hast etwa bei den Ärzten geschrieben, dass diese eventuell schlecht bezahlt werden. Dem ist nicht so. Die Ärzteproteste der Vergangenheit haben vielleicht den Eindruck erweckt, aber wenn man mal ehrlich ist, dann ist dies eher ein Jammern auf hohem Niveau gewesen. Selbst junge Mediziner, die noch gar kein richtig fertiger Arzt sind und im Krankenhaus ihre Facharztausbildung absolvieren, bekommen dort so um die 3200 EUR brutto und da das im öffentlichen Dienst stattfindet, ist das Gehalt mit regelmäßigen Lohnsteigerungen verbunden. Du findest auf vielen Homepages von Krankenhäusern auch die dort geltenden Tarifverträge und kannst das da selbst mal nachlesen. Ärzte gelten als die am besten bezahlten Akademiker überhaupt und es gibt da auch entsprechende Statistiken, laut denen der Durchschnittsarzt 65000 EUR im Jahr verdient – davon können andere nur träumen. Zudem werden Ärzte irgendwie immer gesucht, da wird kaum einer arbeitslos und es ist ein Beruf mit einem hohen Ansehen.

Der Nachteil ist natürlich, dass man als Arzt viel Unschönes sehen muss, egal, in welchem Bereich man sich dann spezialisieren möchte. Gerade innere Medizin oder Neurologie sind Richtungen, wo dann meistens ältere Patienten da sind, die gleich mehrere Krankheiten gleichzeitig haben. Selbst Kinderärzte haben nicht nur liebe Engel vor sich sitzen, sondern bestimmt auch oft bockige kleine Monster. Man sieht also die ganzen Abgründe der Gesellschaft. Nicht jeder lässt sich freiwillig behandeln. Von einer Freundin, die im Krankenhaus arbeitet, weiß ich, dass mitunter Patienten auch nicht ganz bereitwillig in der Klinik sind, die werden von Angehörigen ins Krankenhaus gebracht und haben dann keinerlei Lust, an ihrer Genesung mitzuwirken und schlagen nach dem Personal.

Die Arbeitszeiten sind unterschiedlich. In Krankenhäusern müssen natürlich Schichten geleistet werden, auch mal an Feiertagen. Wer aber eine eigene Praxis hat, der kann seine Öffnungszeiten ja frei gestalten. Man ist aber abhängig von den Zahlungen der Krankenkassen, da kann sich angesichts der Überlastung des Gesundheitssystems schnell mal etwas ändern, was vielleicht die Verdienstmöglichkeiten sehr einschränkt. Und der Beruf ist nicht sonderlich abwechslungsreich, es sind meist immer wieder die gleichen Störungen und Krankheiten, die eine Rolle spielen.

Bei der Elektrotechnik wiederholt sich bestimmt auch immer wieder einiges. Zudem kenne ich durchaus auch Ingenieure, die arbeitslos sind, einer davon in meinem Bekanntenkreis. Derjenige hat Automatisierungstechnik studiert, was ja auch in Richtung Elektrotechnik geht und nach der langjährigen Tätigkeit in einem Unternehmen wurde er irgendwann entlassen und fand nie wieder wirklich in die Arbeit zurück, er wartet jetzt auf seine Rente. Das ist nun aber nicht unbedingt ein Einzelfall, gerade etwas ältere Ingenieure haben es manchmal schwer, wieder etwas zu finden. Ich habe oft mit der Jobbörse der Arbeitsagentur zu tun, weil ich da nach Bewerbern suche und da stehen schon einige Ingenieure drin, die also arbeitssuchend sein müssen. Ich habe auch schon Ingenieure gesehen, die dann ganz normale Handwerkerjobs ausgeübt haben.

Die Vorstellung, dass Ingenieure immer wahnsinnig gut verdienen, ist sicherlich auch nicht zutreffend. Wenn es hier Tarifverträge gibt, die den Verdienst regeln, dann ist man schon ganz gut entlohnt, sodass man sich nicht beschweren kann. Als Akademiker hat man aber oft das Problem, dass man da arbeitet, wo keine Tarifverträge angewendet werden. Es gibt bestimmt Ingenieure, die viel verdienen. Nur wenn ich mir mal ansehe, wer an meiner Uni Elektrotechnik studiert hat – ich glaube nicht, dass die alle wirklich hoch dotierte Jobs haben. Es gibt in jedem Studienfach einige, die wirklich Glück haben und eine gute Stelle erwischen, bei der sie dann vielleicht noch mit einem dicken Firmenwagen ausgestattet werden und jeden Monat 3000 EUR netto nachhause tragen. Ich würde auch sagen, dass diese „Elite“ in den technischen Studienfächern noch etwas besser abschneidet als in anderen Fachrichtungen. Aber der Großteil – also der Rest – hat es auch in den Ingenieurwissenschaften nicht leicht und bekommt nur mittelmäßige Jobs, wo sie auch nicht mehr verdienen, also der Biologe oder der Sportwissenschaftler oder der Geograf.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Danke, das war schon mal sehr ausführlich! Die erste wirklich gute Antwort, die ich im Internet bekommen habe. Es lässt mich aber auch so ein bisschen Richtung Medizin tendieren, da ich mir Ähnliches dachte.

Ich habe vorhin mit einem Chefarzt der Gastroenterologie gesprochen, der meinte, es würde natürlich viel Negatives an Medizin geben. Jedoch ist es trotzdem ein Beruf, der erfüllt und selbst in der Assistenzzeit doch recht viel Geld abwirft. Man sei als Assistenzarzt auch nicht mehr der Schuhabtreter wie früher, sondern es würde mittlerweile wesentlich besser gezahlt und auch die Arbeitszeiten sind humaner geworden. Das hat mich sehr zum Nachdenken angeregt, da meine Eltern mir raten, bloß nicht Medizin zu studieren und das waren ihre Hauptargumente, die der Doktor damit ausgeknipst hat.

» Krachi » Beiträge: 2 » Talkpoints: 2,18 »



Das sind schon zwei Berufe, die an sich nichts miteinander zu tun haben, von daher ist die Entscheidung wahrscheinlich noch schwieriger zu treffen. Ich hoffe, dir ist klar, dass dir die Entscheidung auch keiner abnehmen kann. Ich glaube auch, dass selbst die Pro- und Kontra-Liste nicht viel bringt.

Du solltest zuerst wissen, ob du überhaupt Chancen hättest, um für ein Medizin-Studium zugelassen zu werden. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob du Elektrotechnik eher an einer Universität oder an einer (Fach-) Hochschule studieren möchtest. Denn da sind wahrscheinlich auch Welten dazwischen, vielleicht nicht von der Schwierigkeit, sondern eher von den Schwerpunkten. Denn bei E-Technik wäre es wahrscheinlich für die spätere Laufbahn praktischer seinen Bachelor an einer FH zu machen und gegebenenfalls seinen Master an der Universität. So hättest du genug Praxiserfahrung und nicht nur Theoriewissen. Und deswegen solltest du deine Pro- und Kontra-Liste um einen Punkt erweitern: Ein Studium der Elektrotechnik dauert normalerweise nicht so lange wie ein Medizinstudium. Dass ein Ingenieur nicht sehr stark von den Gesetzen eingeschränkt ist, ist wahrscheinlich ein Irrglaube. Vor allem Ingenieure im Medizinbereich sind ziemlich "eingeschränkt" und müssen viele Gesetze kennen und beachten.

Ich finde, dass man nur Medizin studieren sollte, wenn man sich sozusagen dazu berufen fühlt. Jemand, der es aus den falschen Gründen tut, wird meiner Meinung nach kein guter Arzt. Und schlechte Ärzte haben wir mehr als genug.

Am Ende wirst du aus dem Bauch heraus entscheiden müssen. Ich wollte damals auch unbedingt Medizin studieren. Mein Schnitt hat allerdings nicht gereicht. Jetzt studiere ich Medizininformatik - also auch etwas technisches - und bin sehr glücklich damit.

» Märie » Beiträge: 459 » Talkpoints: 15,45 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Wenn du eine Pro- und Kontra-Liste anfertigen musst, um zu entscheiden, ob du eventuell Medizin studieren solltest, dann lass es lieber bleiben. Die Entscheidung, Arzt zu werden, sollte sich nicht an Arbeitszeiten oder Höhe der Bezahlung orientieren. Wie Märie so treffend geschrieben hat, hat der Arztberuf auch etwas mit Berufung zu tun, zumindest wenn man ein guter Arzt sein möchte. Man muss auch einiges an Rück- und Tiefschlägen einstecken können, jedenfalls wenn jemandem der Patient vorrangig Mensch und nicht Fall ist.

Ich habe Medizin studiert und das Studium auch abgeschlossen. Schon vorher hatte ich eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht, mir war als die Arbeit im Krankenhaus nicht unbekannt. Dennoch habe ich schon in meiner Studentenzeit gesehen, dass meine Vorstellungen vom Beruf nicht der Wirklichkeit entsprechen. Ich wollte helfen - das war für mich der Hauptgrund, dieses Studium zu beginnen.

Während meines Studiums habe ich im Nachtdienst weiter in der Pflege gearbeitet, um mein Studium zu finanzieren, zuletzt auf einer Intensivstation der Inneren Medizin. Ich habe vieles gesehen und erlebt, was meiner persönlichen Auffassung von Ethik widersprochen hat. Damals befand ich mich aber 'nur' in der Pflege, ich musste manche Dinge ausführen, die mir widerstrebten. Ich musste sie aber nicht anordnen.

Nach dem dritten Staatsexamen habe ich mein AIP gemacht und danach meine Assistenzzeit in der Inneren Medizin. Als ich das alles abgeschlossen hatte, wusste ich,dass ich eins nicht mehr wollte - und das war als Arzt zu praktizieren. Leider geht es eben nicht primär um den Menschen, sondern vor allem um den Profit. Ich entschloss mich dazu, nicht länger gegen meine Überzeugung zu handeln. Ich kündigte. Inzwischen habe ich eine Ausbildung als Ergotherapeutin gemacht, mittlerweile leite ich meine eigene Praxis und bin glücklich damit.

In den letzten Jahren hat sich einiges geändert. Es ist nicht mehr zulässig, dass Ärzte die Nachtbereitschaft übernehmen und anschließend noch den normalen Tag dran hängen. Damit soll es z.B. keine Chirurgen mehr geben, die nach 36 oder mehr Stunden Dienst immer noch im OP stehen und operieren. Das ist leider nicht in allen Häusern so - in einigen werden diese Überstunden immer noch geleistet, nur eben nicht offiziell. Den AIP gibt es auch nicht mehr - das war ohnehin überflüssig, da die gleiche Arbeit wie ein Assistenzarzt geleistet wurde bei weitaus schlechterer Bezahlung.

Apropos Bezahlung - ein Oberarzt im Krankenhaus bekommt etwa 85.000 € Grundgehalt, plus Einnahmen durch Privatpatienten und Schichtdienste ergibt sich ein Verdienst von ca 120.000 € im Jahr. Assistenzärzte verdienen je nach Fachrichtung und Bundesland zwischen 1500 und 4500 € brutto im Monat, im Süden und an Universitätskrankenhäusern gibt es das meiste Gehalt. Auch hier sind 50 und mehr Wochenstunden die Regel, mindestens ein Wochenende und 2-4 Nachtdienste im Monat.

Als niedergelassener Arzt sind die Zeiten als Großverdiener in den meisten Fällen vorbei. Die Krankenkassen zahlen seit 2009 nur noch Kopfpauschalen pro Versicherten an die Kassenärztliche Vereinigung. Aus diesem Topf wird dann umverteilt, errechnet nach einem ziemlich komplizierten Punktesystem.

Ein Allgemeinmediziner z.B. erhält pro behandelten Patienten etwa 39 € Regel-Leistungsvolumen - ob dieser Patient nun einmal oder 20mal im Quartal zum Arzt geht. Damit sind dann alle normalen Behandlungen abgedeckt. Hausbesuche, Ultraschall, Röntgen, Lungenfunktion und dergleichen werden zusätzlich honoriert, zusammen kommt ein Hausarzt auf etwa 46 € pro behandelten Patienten pro Quartal. Damit wird klar - viele Patienten behandeln, bringt mehr Geld. Geht nur ein bisschen zu Lasten der Qualität..

Von den Umsätzen der Praxis müssen Gehälter und Mieten gezahlt werden. Ein Allgemeinmediziner auf dem Land verdient etwa 85.000 € brutto pro Jahr, in der Stadt etwa 120.000 € - bei durchschnittlich 55 - 60 Stunden pro Woche , viel Verantwortung und möglichen Regressforderungen. Von diesem Gehalt bleibt ihm netto etwa ein Drittel. Ohne Privatpatienten würden viele Praxen schließen. Schon jetzt finden sich für viele Hausarztpraxen keine Nachfolger mehr.

Auch in einigen anderen Fachrichtungen ist es unwesentlich besser. Kinderärzte kommen auf etwa 136.000 € im Jahr, Neurologen in etwa dasselbe. Wenn viel am Patienten und wenig mit Technik gearbeitet wird, ist das Honorar niedriger. Viele junge und gesunde Patienten ergeben mehr Profit, viele alte und kranke Patienten mit häufigen Praxisbesuchen führen zu deutlich weniger Einnahmen.

Topverdiener sind Orthopäden mit etwa 204.000 € Verdienst und ganz weit vorn die Radiologen mit 290.000 €, sie haben aber auch entsprechend hohe Kosten für die Praxisausstattung.

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» Missi » Beiträge: 111 » Talkpoints: 5,85 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Das sind schon zwei unterschiedliche Berufsbilder, die du dir hier ausgesucht hast. Allein deshalb ist ein Vergleich schon gar nicht so leicht.

Ich stimme auch meinen Vorrednern zu: Es geht auch etwas darum, was du als Berufung siehst. Und das gilt nicht nur für Medizin, sondern genauso für Elektrotechnik! Dort muss man eine hohe Begeisterung für Technik und Mathematik mitbringen, um das Studium zu schaffen und danach einen guten Job finden zu können. Es gibt natürlich immer die "Zweckstudenten", die es nur für den Titel machen und sich später eine fachfremde Stelle suchen, aber ich halte so etwas auch nicht für erstrebenswert. Und wenn du ein reiner Fleißmensch bist, wirst du es in einem Ingenieursstudium sehr schwer haben.

Wie schon erwähnt wurde, ist es auch nicht mehr so, dass man als Ingenieur absolut sicher einen Job bekommt. Man muss sich schon sehr bemühen, um nicht irgendwann auf einem Abstellgleis zu landen. Die meisten Ingenieure werden arbeitslos, weil sie sie eine sicher geglaubte Stelle verlieren und sich nie bemüht haben, ihren Marktwert zu erhalten. Möchte man das verhindern, bedeutet das lebenslanges Lernen und gezielte Weiterbildung. Und das passiert in den allermeisten Fällen nicht im Job, sondern in der Freizeit. Zu einem 40-50h-Job kommt also noch einmal ein zusätzlich Zeitfaktor dazu, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 26.10.2012, 09:42, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Ich stimme auch meinen Vorrednern zu: Es geht auch etwas darum, was du als Berufung siehst. Und das gilt nicht nur für Medizin, sondern genauso für Elektrotechnik! Dort muss man eine hohe Begeisterung für Technik und Mathematik mitbringen, um das Studium zu schaffen und danach einen guten Job finden zu können. Es gibt natürlich immer die "Zweckstudenten", die es nur für den Titel machen und sich später eine fachfremde Stelle suchen, aber ich halte so etwas auch nicht für erstrebenswert. Und wenn du ein reiner Fleißmensch bist, wirst du es in einem Ingenieursstudium sehr schwer haben

Ich würde diese Forderung, dass man unbedingt für ein Fach gewissermaßen „brennen“ muss, nicht unterstützen. Wer fühlt sich schon wirklich zu einer Fachrichtung berufen? Das ist doch ein etwas zu hoher Maßstab. Für ein technisches Studium braucht man ein gewisses naturwissenschaftliches Verständnis und sollte mit der Mathematik nicht auf Kriegsfuß stehen. Es ist aber nicht notwendig, dass einem eine engelsgleiche Gestalt, die von ober herabgeschwebt kommt, die Nachricht überreicht, dass Dein Lebenszweck darin besteht, Elektrotechnik zu studieren. Man muss für kein Studienfach eine Berufung haben, es sollte einen interessieren und man muss ein paar geistige Fähigkeiten mitbringen. Mal ehrlich, es gibt doch in jedem Fach Inhalte, die einem weniger gefallen, und die man eben über sich ergehen lassen muss. Man benötigt keine frenetische Begeisterung für ein Fach und deswegen arbeitet man später auch nicht zwangsweise fachfremd.

Genauso wenig ist es unbedingt notwendig, sich in seiner Freizeit ständig fortzubilden. Es wird heute gerne mal so getan, als sei das irgendwie essentiell, in einer Welt, in der ständig neues Wissen gefragt sei, aber das ist doch auch vielfach nur Gerede. In vielen Jobs finden ab und an berufsinterne Weiterbildungen statt, da wird man dann zu einem Seminar geschickt und hat dann diese Zeit frei. Das ist bei mir so, warum sollte das nicht auch auf Ingenieure zutreffen. Die Weiterbildungen bezahlt der Chef und das ist eine nette Abwechslung zum Arbeitsalltag. Die Weiterbildungen sind aber nicht unbedingt notwendig. Zudem hat man nicht zwangsweise eine 50-Stunden-Woche. Überhaupt seid Ihr hier gerade dabei, das Berufsleben als immerwährende Last und Qual darzustellen, so ist es doch nicht. Wie viele Stunden man in der Woche arbeitet, hängt davon ab, wo man tätig ist. Bei manchen sind es 30 Stunden pro Woche, bei anderen vollzeit. Und Überstunden werden meistens auch mit Zuschlägen vergütet, so sehen das die Tarifverträge mehrheitlich vor. Ich denke nicht, dass man Angst haben muss, sein Leben nur noch auf Arbeit zu verbringen.

Das Problem, warum viele Ingenieure dann irgendwann keine Stelle mehr haben, liegt eher an der ungleichen Verteilung der Jobs. Wie hier schon geschrieben wurde, haben viele Ingenieure eine Stelle, die aber nicht ihr Leben lang besteht bleibt, sondern die sie irgendwann verlieren. Genauso, wie das bei allen Jobs ist, Stellen bleiben nicht für immer. In meiner Heimat war es etwa früher so, dass selbst kleine Orte irgendeinen Betrieb hatten, in dem Ingenieure gearbeitet haben. Nur lohnte sich das irgendwann nicht mehr, die kleinen Firmen haben sich verlagert, die Ingenieure waren arbeitslos. Nun kann man sich ja umorientieren, einen Job in einer anderen Region suchen, in größeren Städten. Aber dazu müsste man umziehen oder pendeln, viele wollen das nicht. So ist es auch in dem oben von mir genannten Beispiel meines Bekannten. Ich kann das nachvollziehen, ich würde auch wegen einer Stelle nicht umziehen wollen. Manche nehmen dann vor Ort vielleicht Jobs an, die eher zum Handwerk gehören, als CNC-Fachkraft oder als Mechatroniker. Und anderen fehlt vielleicht nicht mehr viel zur Rente und sie bleiben dann daheim.

Das Problem bei technischen Berufen auf akademischem Niveau ist einfach, dass sie ungerecht verteilt sind. Man findet in Großstädten als Ingenieur bestimmt relativ sicher einen Job, aber wenn man in einer strukturschwachen Region wohnt und da auch verwurzelt ist, nicht umziehen will, kann es schwer werden. Bei Ärzten ist es anders, gerade auf dem Land herrscht Ärztemangel und als Mediziner hat man es so auch in entlegenen Regionen leichter.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von ten points am 26.10.2012, 16:03, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


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