Wie mit psychisch labilen Menschen umgehen?

vom 05.10.2012, 20:51 Uhr

Eine sehr gute Freundin von mir hat nun schon einige Jahre mit psychischen Problemen zu kämpfen. Sie hat bereits eine Therapie gemacht, ich blicke aber nicht ganz durch, ob sie da regelmäßig hingegangen ist, oder ob sie das mittlerweile überhaupt noch macht. Einen Krankenhausaufenthalt, den sie anderen Menschen mit einem Nervenzusammenbruch begründete, hat sie nach einem Selbstmordversuch schon hinter sich. Als ich davon erfuhr, konnte ich es nicht glauben. Man kann sich das gar nicht vorstellen, wenn man plötzlich gesagt bekommt, dass sich die beste Freundin umbringen wollte und der Gedanke, dass sie nicht mehr am Leben sein könnte ist kaum zu ertragen!

Wie gesagt, das liegt aber schon in der Vergangenheit, trotzdem hat sie permanent mit ihrer psychischen Labilität zu kämpfen. Das wirkt sich natürlich auch auf ihre berufliche Zukunft aus - es fällt ihr sehr schwer, eine Ausbildung zu finden, da sie auch zu hohe Ansprüche an ihr Leben stellt und scheinbar erwartet, dass alles von allein gut wird. Nun teilte sie mir die Diagnose mit, die sie vor ein paar Tagen von ihrem Arzt erhalten hat. Eigentlich hatte sie ihn wegen ständig wiederkehrenden Kopfschmerzen und wegen Übelkeit aufgesucht, verlassen hat sie die Praxis mit der Diagnose, dass sie als psychisch extrem labil einzustufen sei und sie an extremen Minderwertigkeitskomplexen leide.

Nach dieser Diagnose war sie wohl sehr aufgelöst, zumindest erzählte sie mir, dass sie wieder mit dem Gedanken spielte, sich das Leben zu nehmen und sie ging auch soweit, sich selbst zu verletzen. Sie behauptet permanent, dass es ja sowieso allen egal wäre, wenn sie nicht mehr da ist und dass sie sich total allein gelassen fühlt. Ich weiß aber, dass dem nicht so ist! Sie hat viele Freunde, ihre Familie, einen Bruder, der immer für sie da ist! Und die Freunde würden sich sicherlich für sie ein Bein ausreißen und alles tun, wenn sie wüssten, wie es ihr geht, mich einbeschlossen.

Ich habe keine Ahnung, wie ich ihr helfen kann, wobei ich es so gern tun würde. Natürlich weiß ich selbst, dass da nur eine professionelle Therapie helfen kann, aber ich als beste Freundin will ich doch für sie da sein. Ich kann nur nicht einschätzen, ob sie das überhaupt will, denn manchmal scheint es auch so, als sei ich ihr nicht genug, als sei ich schon selbstverständlich.

Nunja, um auf meine eigentliche Frage zurückzukommen, die natürlich nicht so leicht zu beantworten ist: Habt ihr so etwas ähnliches auch schon erlebt und wurdet damit in eurem Freundeskreis konfrontiert? Ich weiß, dass man solche Einzelfälle nicht aufeinander übertragen kann, aber vielleicht hat trotzdem jemand von euch einen Tipp für mich, wie ich mit dieser Situation klarkommen kann, schließlich nimmt mich das alles auch ganz schön mit. :(

» Schnuffline » Beiträge: 1019 » Talkpoints: 33,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Wie fängt man am besten an auf so einen Text zu antworten. Ich weiß es nicht, erstmal muss ich sagen, dass mir das sehr leid tut für dich, ich kann mir vorstellen, dass es sehr hart ist so etwas mitzuerleben. Als gute Freundin macht man sich immer sehr viele Gedanken, aber das wichtigste ist erstmal, dass du stark bleibst, nur so kannst du auch deiner Freundin ein positives Gefühl vermitteln. Ich kann aus Erfahrung sagen, das schlimmste ist es den Leuten die sowieso schon psychisch labil sind noch zu bemitleiden. Diese Leute wollen kein Mitleid, sie wollen nicht noch mehr als Außenseiter da stehen, als sie sich eh schon fühlen.

Also der erste und wichtigste Schritt ist es, deiner Freundin das Gefühl zu vermitteln, dass du sie trotz der ganzen Geschichten die vorgefallen sind immer noch als völlig normal ansiehst und sie in keiner Weise eine extra Behandlung kriegt, weil sie ja so (psychisch) krank ist. Des Weiteren ist es wichtig Perspektiven zu finden, versuche deiner Freundin eine Aufgabe zu geben, für die es sich zu leben und zu kämpfen lohnt. Wenn sie Minderwertigkeitsgefühle hat, braucht sie Erfolgserlebnisse, das können ganz kleine alltägliche Dinge sein, wie ein schönes Geschenk für jemanden Basteln oder ein Bild malen, alles bei dem man nachher sieht, was man geschafft hat.

Durch viele kleine Erfolgserlebnisse wird langsam das Gefühl wieder zu etwas in der Lage zu sein und nicht nutzlos zu sein geschaffen. Aber grundsätzlich lässt sich sagen, du als Freundin bist nicht ihre Therapeutin, sie sollte sich in eine ärztliche Behandlung begeben und notfalls medikamentös Behandelt werden, wenn ihre depressiven Phasen überhand gewinnen. Du als Freundin kannst mit ihr beispielsweise einen "Vertrag" schließen, dass sie bevor sie versucht sich das Leben zu nehmen vorher mit dir redet. Dann weiß sie genau wenn es ihr schlecht geht, stehst du ihr zur Seite und im Notfall kannst du auch eingreifen und die Polizei oder Rettungsdienst benachrichtigen, der sie dann rechtzeitig in eine Psychiatrie bringt, bevor sie sich das Leben nimmt.

Du solltest dir nicht zu viele Gedanken machen, du bist ihre Freundin und damit ein wichtiger Bestandteil von ihr, du bist weder für ihre Minderwertigkeitskomplexe, noch für Selbstmordversuche verantwortlich. Wenn du das zu sehr an dich ranlässt, endest du nachher selbst noch in der Psychiatrie wegen Depressionen oder anderem. Versuche für sie da zu sein, wenn sie dich braucht, mache dich aber nicht für ihre Handlungen oder Gefühle verantwortlich. Bei psychisch labilen Personen ist es sehr wahrscheinlich, dass du ihnen nicht helfen kannst und damit solltest du von vornherein rechnen. Du darfst dir niemals die Schuld für ihr verhalten geben. Ich hoffe ich konnte dir damit ein paar hilfreiche Tipps geben, damit du in Zukunft besser mit ihr und mit deinen Gefühlen umgehen kannst.

» frankiskrank » Beiträge: 289 » Talkpoints: 15,61 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich finde es auch schwer mit solchen Menschen umzugehen. Habe auch einen Freund der Psychisch labil und depressiv ist. Einerseits will man ihn auch nicht verletzen wenn man etwas sagt, andererseits will man sich auch nicht alles gefallen lassen. Finde es immer schwer einen guten Kompromiss zu finden, da ich auch gerne meine Meinung sage, wenn mir was nicht passt, aber bei solchen Menschen sollte man echt aufpassen.

Außerdem haben psychisch labile Menschen extremste Stimmungsschwankungen, ein falsches Wort und alles ist vorbei. Von Guter Laune in 2 Sekunden auf extremste depressiv ist da nicht selten. Ich bin auch oft verzweifelt und weiß dann nicht was ich tun soll. Vor allem lassen solche Menschen sich dann auch nicht mehr so einfach beruhigen oder wieder aufheitern, wenn sie einmal schlecht drauf sind. Da hilft dann meist nur Abwarten und Tee trinken.

» beckfrau89 » Beiträge: 228 » Talkpoints: 6,30 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich finde und fand es immer wichtig, psychisch labile Menschen eben nicht anders zu behandeln als andere Menschen. Sie sind nicht "behindert", vielleicht aber besonders. Auch, wenn man aufgrund seiner psychischen Krankheit einen Behindertenausweis hat, heißt das meiner Meinung nach nicht, dass man anders behandelt werden sollte. Mitleid ist meiner Meinung nach in einer solchen Situation ebenso fehl am Platz. Auch, wenn deine Freundin leidet und sicherlich auch in bestimmten Situationen eingeschränkt ist oder anderes reagiert als andere Menschen, ist das kein Grund, sie zu bemitleiden. In vielen Fällen ist betroffenen Personen Mitleid sehr lästig und auch störend, in manchen Fällen führt es zur Verschlimmerung der Erkrankung oder dem Gefühl, man könne sich "alles leisten, weil man eben krank ist".

Mein Rat wäre, sie so zu behandeln, als wäre sie nicht krank und stattdessen ihre Krankheit als Teil ihres Charakters zu sehen: Stärken und Schwächen. Wenn sie beispielsweise Depressionen hat, sollte man sie nicht bemitleiden oder sie zu sehr "bemuttern", sondern ihr einen schlechten Tag oder eine schlechte Phase zugestehen und versuchen, in Gesprächen für sie da zu sein. Für dich als Freundin ist das Ganze sicherlich nicht einfach, es wird (und hat bestimmt auch schon) eure Freundschaft auf die Probe stellen und die Beziehung zu ihr erschweren. Wichtig dabei ist, dass du darauf achtest, dass dich die Situation oder ihr Verhalten nicht auch noch herunterzieht oder belastet. Damit wäre Keinem geholfen. Manchmal braucht man als psychisch kranker Mensch Anreize und Motivation von außen, um bestimmte Dinge zu tun oder manchmal auch nur, sich einfach aufzuraffen. Dabei solltest du keinen Druck aufbauen und versuchen, möglichst sachlich und nicht vorwurfsvoll zu klingen.

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen haben unter sehr starken Vorurteilen und großen Vorbehalten zu leiden. Viele Menschen verstehen das, was sie nicht sehen können nicht und verhalten und äußern sich auch so. Das solltest du als gute Freundin natürlich vermeiden. Rede mit ihr, lasse dir erklären, wie es ihr gerade geht und sprich auch mit ihr über Methoden, mit schwierigen Situationen umzugehen. Sie ist Expertin, was ihr Verhalten und ihre Emotionen angeht. Die Tatsache, dass du etwas wissen möchtest und sie um Rat fragst, wird ihr zeigen, dass sie dir wichtig ist, du Verständnis hast und es dir ein Anliegen ist, mit ihrer Krankheit gut umzugehen.

Pauschale Ratschläge, wie man mit welcher Krankheit umzugehen hat, gibt es nicht bzw. sie werden den Betroffenen nicht gerecht. Bei jedem Menschen sind Ausprägung, Begleitsymptome und Folgen einer Krankheit ganz anders. Das trifft besonders auf psychische Krankheiten zu, in denen Gefühle, Gedanken, also alles Subjektive eine große Rolle spielen. Verständnis ist natürlich -in gewissen Grenzen- auch eine wichtige Sache, die du in der Beziehung zu ihr haben solltest. Manchmal sind manche Dinge unmöglich aufgrund der Krankheit, manches Verhalten wird dir sonderbar erscheinen. Situationen, die für dich normal und alltäglich sind, können sie überfordern, sie wird sie eventuell ganz vermeiden oder sich vollkommen unrational verhalten. Das hat nichts damit zu tun, dass sie dich verärgern oder enttäuschen will, sondern damit, dass sie nicht anders kann. Wenn man sich das vor Augen hält, wird Vieles einfacher. Keinesfalls sollte man solche Dinge persönlich nehmen, das könnte dir sehr weh tun und eure Freundschaft gefährden.

Wichtig ist zudem aber auch, dass du Grenzen setzt, in denen du ihr Verhalten tolerieren kannst. Ihr möglichst sachlich zu sagen, dass ihr Verhalten oder ihre Äußerung dich verletzt hat, kann helfen, gewisse Dinge in Zukunft zu vermeiden. So lange du dich in eurer Freundschaft wohlfühlst und umso mehr du ihr individuelles Verhalten verstehst, umso besser kannst du mit ihrer Krankheit umgehen. Sich parallel über die bestimmte Krankheit zu informieren kann ebenfalls helfen, mit Betroffenen umzugehen. Manche Dinge werden von Betroffenen nicht gerne angesprochen (Beispiel: Suizidgefährdung), trotzdem gehören sie zur Krankheit dazu und sind wichtig, um Situationen und Verhalten einschätzen zu können. Je mehr du über ihre Krankheit weißt (eigene Äußerungen und Fachinformationen), desto besser kannst du mit ihrer Krankheit, mit ihr und eurer Freundschaft umgehen.

» TheDutchess » Beiträge: 537 » Talkpoints: 0,67 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich denke, dass man in so einem Fall nicht pauschal sagen kann, was zu tun ist. Ich kann dir aber nur raten, dass du für sie da bist und eben auch deine Grenzen bei der Sache kennst. Sie muss professionelle Hilfe bekommen und dann wird es auch besser werden, aber als Freundin solltest du versuchen einfach für sie da zu sein. Wenn sie reden will, dann rede mit ihr. Ganz normal eben. Sie wird sicherlich viele schlimme Sätze sagen, aber da musst du durch.

Ich kenne es auch von einem Freund. Er hat Borderline. Bei ihm war es so, dass er viele Jahre eine sehr schlechte Phase hatte. Er wollte sich mehrere Male umbringen und hat sich immer geritzt. Ich war immer für ihn da, hab ihn abgelenkt und auch mit ihm gesprochen, wenn ich es konnte. Ich war für ihn immer erreichbar, was nicht gerade leicht ist, wenn jemand nachts anruft und dir am Telefon sagt, dass er sich umbringen will. Ich habe dann lange mit ihm geredet und dann ging es auch.

Seinen Therapeuten hat er sich eher weniger geöffnet und mir eben über seine Probleme berichtet. Bei ihm hat das erstaunlich gut funktioniert, dass er mich als Freundin hatte. Das ist aber keine Lösung, die ich dir empfehlen würde. Das heißt aufopfern und das bringt eben auch nicht immer etwas. Zumal man es ja auch mit einer erwachsenen Person zu tun hat und keiner gerne wie ein Kind behandelt wird. Geh einfach auf sie ein, wenn sie dich anspricht und biete ihr deine Hilfe an, wenn sie sie braucht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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