Dumpinglohn immer noch besser als gar keiner?
Oft muss man hier in Deutschland, wenn man einmal arbeitslos war oder ist, einen Job annehmen, der so wenig Geld einbringt, dass man noch ergänzende Mittel vom Staat beantragen muss, damit man durch kommt. Dumpinglöhne sind keine Seltenheit. Da arbeitet man sich den Rücken krumm und bekommt am Ende des Monats so wenig raus, dass man ohne Hilfe des Staates nicht auskommt und sich trotz harter Arbeit nichts leisten kann.
Was haltet ihr von diesen Dumpinglöhnen? Würdet ihr einen Vollzeitjob annehmen, der am Ende des Monats vielleicht gerade mal 800 Euro oder gar weniger bringt? Denkt ihr, dass es besser ist als gar nichts?
Durch den Mindestlohn ist die Situation ja inzwischen etwas entschärft. Bei einem Vollzeitjob sollte man jetzt eigentlich nicht mehr auf Aufstocken angewiesen sein.
Grundsätzlich ist es immer besser, einen schlecht bezahlten Job anzunehmen, als komplett arbeitslos zu sein. Aus einer ungekündigten Stelle kann man sich immer besser bewerben. Außerdem wird eine unschöne Lücke im Lebenslauf geschlossen.
Die Chancen, an einen besser bezahlten Job zu kommen, ist so also sehr viel höher. Und das ist einfach wichtiger als der momentane Verdienst. Leider ist es wohl oft so, dass Leute, die in solchen Jobs landen, sehr große Schwierigkeiten haben, langfristig zu denken und diesen Sachverhalt richtig zu erkennen.
Weasel_ hat geschrieben:Grundsätzlich ist es immer besser, einen schlecht bezahlten Job anzunehmen, als komplett arbeitslos zu sein. Aus einer ungekündigten Stelle kann man sich immer besser bewerben. Außerdem wird eine unschöne Lücke im Lebenslauf geschlossen.
Die Chancen, an einen besser bezahlten Job zu kommen, ist so also sehr viel höher. Und das ist einfach wichtiger als der momentane Verdienst. Leider ist es wohl oft so, dass Leute, die in solchen Jobs landen, sehr große Schwierigkeiten haben, langfristig zu denken und diesen Sachverhalt richtig zu erkennen.
Da muss man dann aber schon sagen, dass ein schlecht bezahlter Job besser ist als gar keiner, wenn der schlecht bezahlte Job zumindest fair bezahlt ist. Denn ansonsten führt das nur dazu, dass in den entsprechenden Branchen die Löhne weiter sinken. Das zu erkennen, bedeutet auch, langfristig zu denken. Das gilt auf jeden Fall für die Zeit vor dem Mindestlohn.
Ich denke da nur an Bekannte aus dem Sicherheitsdienst, die gerade mal 3,50 pro Stunde bekommen haben oder gelernte Verkäuferinnen für 4.50 Euro die Stunde. Wenn ich dagegen schaue, was der gleiche Arbeitgeber im Sicherheitsbereich bereit ist zu zahlen, wenn der dringend Kräfte braucht, dann ist das alles eine Frechheit.
Jetzt mit dem Mindestlohn bekommt ein guter Freund für den Sicherheitsdienst mit Hund genau die 8.50 Euro pro Stunde und eine Pauschale von 6 Euro pro Tag für den Hund. Wenn das Personal knapp ist, dann bekomme ich auf 450-Euro-Basis 25 Euro plus eine Pauschale von 12 Euro für den Hund. Ich muss mir also maximal drei Fußballspiele "antun", damit ich auf das die 450 Euro komme und bekomme die Pauschale für den Hund noch oben drauf, während der Kollege für 900 Euro netto verdammt lange strampeln muss.
Da muss man dann aber schon sagen, dass ein schlecht bezahlter Job besser ist als gar keiner, wenn der schlecht bezahlte Job zumindest fair bezahlt ist. Denn ansonsten führt das nur dazu, dass in den entsprechenden Branchen die Löhne weiter sinken. Das zu erkennen, bedeutet auch, langfristig zu denken. Das gilt auf jeden Fall für die Zeit vor dem Mindestlohn.
Selbst wenn es noch so wäre, muss man zuallererst an sich denken. Und da muss man vielleicht auch einen schlecht bezahlten Job akzeptieren. Schließlich gibt es sonst jemand anders, der es macht.
Das andere Problem ist eine Aufgabe der Politik, da es ein einzelner Arbeitnehmer nicht lösen kann. Die Politik hat auch reagiert und den Mindestlohn eingeführt.
Ich bin ein starker Befürworter des Mindestlohns. Man darf auf keinen Fall in die Lage kommen, mit einem Vollzeitjob noch mit Sozialhilfe aufstocken zu müssen. Das wurde so umgesetzt und damit ist das Argument der sinkenden Löhne hinfällig.
Das ist mir zu kurz gedacht. Gewerkschaften und Politik sind schön und gut, aber zuerst einmal ist jeder für sich selbst verantwortlich. Arbeitnehmer denken zu wenig unternehmerisch. Dabei gilt für sie das, was auch für Unternehmen gilt. Niemand kann es sich leisten, seine Leistung unter Wert zu verkaufen.
Wenn Arbeitnehmer mehr dieses diese Sichtweise verinnerlichen, desto weniger Kräfte sind bereit, sich unter Wert zu verkaufen. Das war vor Hartz IV noch ziemlich normal. Aber das Lohndumping in unserem Land war schließlich politisch gewollt. Dass jetzt gegen gesteuert wird, das ist nichts, worüber Arbeitnehmer dankbar sein müssen.
Mittlerweile arbeite ich seit Jahren selbstständig. Nach deiner Argumentation müsste ich jeden Auftrag annehmen. Das habe ich selbst in der Anfangszeit nie gemacht. Denn arbeitet man erst einmal im Dumpingsektor, bekommt man die Preise kaum wieder hoch.
Sicherlich ist ein Arbeitnehmer in einer schwächeren Position, aber mir als Freiberufler geht es auch nicht anders. Auch früher als Angestellte habe ich hart verhandelt. Warum sollte man sich mit dem Tariflohn zufrieden geben, wenn man seinen Job versteht? Ich war noch nie dankbar, einen Job zu haben. Ich biete meine Arbeitsleistung und meine Kenntnisse an, dafür erwarte ich eine angemessene Vergütung und Absicherung.
Das ist mir zu kurz gedacht. Gewerkschaften und Politik sind schön und gut, aber zuerst einmal ist jeder für sich selbst verantwortlich. Arbeitnehmer denken zu wenig unternehmerisch. Dabei gilt für sie das, was auch für Unternehmen gilt. Niemand kann es sich leisten, seine Leistung unter Wert zu verkaufen.
Genau das ist ja mein Argument. Jeder ist erst einmal für sich selbst verantwortlich und darf sich dabei nicht um langfristige gesellschaftliche Folgen von Dumpinglohn kümmern. Das ist der Job der Politik und der Gewerkschaften, weil man als Einzelner darauf keinen echten Einfluss hat. Man selbst muss also nur dafür sorgen, dass man einen möglichst gut bezahlten Job bekommt.
Natürlich sollte man alles versuchen, um ein gutes Gehalt heraus zu holen. Nur ist man als Hartz-IV-Empfänger in einer denkbar schlechten Verhandlungsposition. Von daher ist es durchaus geschickt, wenn man sich erst einen schlechter bezahlten Job annimmt, um langfristig seine Verhandlungsposition zu verbessern. Wenn man diesen Zwischenschritt nicht braucht, ist das natürlich besser.
Wenn Arbeitnehmer mehr dieses diese Sichtweise verinnerlichen, desto weniger Kräfte sind bereit, sich unter Wert zu verkaufen.
Weil viele eben den nächsten Schritt nicht gehen, sondern aus Angst oder Bequemlichkeit lieber beim schlecht bezahlten Job bleiben, als sich ernsthaft um einen besser bezahlten Job zu bemühen.
Mittlerweile arbeite ich seit Jahren selbstständig. Nach deiner Argumentation müsste ich jeden Auftrag annehmen. Das habe ich selbst in der Anfangszeit nie gemacht. Denn arbeitet man erst einmal im Dumpingsektor, bekommt man die Preise kaum wieder hoch.
Auch als Selbstständiger kann man durchaus bei einem ersten Auftrag mit einem Kampfpreis anbieten, wenn man damit rechnen kann, dass der Kunde besser bezahlte Folgeaufträge einbringt oder durch die sehr gute Referenz andere Kunden anlockt. Das ist eine übliche Geschäftspraxis, die zum langfristigen Denken gehört.
Bei einem Kunden, bei dem man durch einen Dumpingpreis keinen langfristigen Vorteil erhält, darf man das nicht machen.
Ein Arbeitnehmer ist genau in einer solchen Situation, dass er durch einen schlecht bezahlten Auftrag seine Chancen erhöht, einen besser bezahlten Auftrag zu bekommen. Der Vergleich passt hier also.
Auch früher als Angestellte habe ich hart verhandelt. Warum sollte man sich mit dem Tariflohn zufrieden geben, wenn man seinen Job versteht? Ich war noch nie dankbar, einen Job zu haben. Ich biete meine Arbeitsleistung und meine Kenntnisse an, dafür erwarte ich eine angemessene Vergütung und Absicherung.
Natürlich wäre es dumm, wenn man seine Verhandlungsposition nicht ausnutzt. Da stimme ich dir völlig zu. Ich denke auch, dass viele Arbeitslose eine viel stärkere Verhandlungsposition haben, als sie selbst glauben und sich damit unter ihrem Wert verkaufen.
Trotzdem würde ich lieber die sichere Strategie fahren und zumindest nach einer längeren Arbeitslosigkeit auch einen schlecht bezahlten Job annehmen, um dann direkt anschließend einen besser bezahlten Job anzunehmen. Wenn jemand fragt, wieso man so schnell wechseln will, kann man die schlechte Bezahlung durchaus als Grund anführen. Das ist auch ein guter Einstieg in Gehaltsverhandlungen.
Was ist daran die sichere Strategie? Du machst dir selbst deinen Markt kaputt, weil dein aktueller Arbeitgeber und seine Mitbewerber sehen, dass sie die Leistung so günstig haben können. Auch dein neuer Arbeitgeber weiß, dass er dir nicht viel bieten braucht, schließlich bist du bereit für weniger zu gehen.
Der Mindestlohn ist doch auch absolut kein Garant dafür, dass du nicht auf das Amt angewiesen bist. Die Rechnung geht nur auf, wenn du keine Familie hast, wenn keine langen Anfahrten nötig sind und wenn du die entsprechende Anzahl Stunden arbeiten kannst. Das ist auch nicht bei jedem Jobangebot der Fall.
Fit bleiben, dich einbringen und weiterbilden kann man sich, während man keine Arbeit hat. In meinem Freundeskreis machen einige ehrenamtliche Arbeiten und frischen dabei Wissen auf beziehungsweise erwerben frisches Wissen. Das klappt auch und zeigt deutlich, welches Selbstverständnis dieser Mensch als Bewerber mitbringt.
Dass in unserem System die Nummer mit dem kleinen Einstieg und dem hocharbeiten in der Regel nicht aufgeht, das zeigen die ganzen armen Praktikanten. Wenn ich bedenke, welche Großprojekte für 400 Euro pro Monate von Praktikanten gestemmt wurden ... Wenn das die Öffentlichkeit wüsste, dann würde es einen Sturm der Entrüstung geben.
Deine potentielle Arbeitgeber wissen aber auch, dass sie für den Preis nur Langzeitarbeitslose bekommen. Und das möchten längst nicht alle Arbeitgeber. Andere bezahlen lieber einen wesentlich höheren Preis und nehmen aber nur Leute, die nicht oder nur kurz arbeitslos waren. Und auf dieser Tatsache basiert die Strategie, dass man auch mal ein schlecht bezahltes Angebot eingehen kann.
Außerdem: Wenn man selbst das Angebot nicht annimmt, kann man sich ganz sicher sein, dass es jemand anders tut. Ansonsten würde der potentielle Arbeitgeber ein höheres Angebot abgeben.
Wie gesagt, wenn man es nicht nötig hat, für einen niedrigen Preis zu arbeiten, dann muss man es ja auch nicht tun. Wenn sich jemand ständig in Eigeninitiative weiterbildet und ehrenamtlich engagiert ist, wird auch sehr leicht wieder einen Job finden und wird gar nicht in Verlegenheit kommen, einen schlecht bezahlten Job anzunehmen.
Und natürlich funktioniert das "hocharbeiten" nicht in einer Firma. Wenn eine Firma Leute mit Praktika ausnutzen will, dann möchte man dort sowieso nicht länger als nötig arbeiten. Aber das machen noch lange nicht alle Firmen. Deshalb muss man ja die Firma auf jeden Fall wechseln, um weiter zu kommen. Aber das habe ich ja schon im ersten Post gesagt.
Was nützen dir verschiedene Firmen, wenn sich ein ganze Branche auf Praktika eingestellt hat. Ich kenne mehrere Bauingenieure, die haben nach etwa 20 Praktika in verantwortungsvollen Positionen schlichtweg etwas anderes studiert. Denn in der Branche stellt man einfach kaum ein, es gibt doch qualifizierte Kräfte für einen warmen Händedruck.
Und ein anderer den Job macht, das kann dem Bewerber doch vollkommen egal sein. Welchen Einfluss hat das auf ihn? Ich habe eine Ausbildung in einem Bereich gemacht, wo auf einen Platz mehr als 80 Bewerber kommen. Trotzdem habe ich nicht nur eine Stelle gefunden, ich wurde auch über Tarif bezahlt.
Später habe ich ein betriebswirtschaftliches Studium abgeschlossen. Das war mein Zweitstudium, da ich aus gesundheitlichen Gründen im ersten Job nicht arbeiten konnte. Ich war also alt, ich hatte keine Berufserfahrung und dazu einen Abschluss in der Tasche, den alle haben.
Trotzdem habe ich einen sehr guten Einstieg gefunden. Allerdings habe ich vorher mehrere Stellen abgelehnt. Das war mir zu wenig für das, was ich leiste. Danach habe ich mich abwerben lassen. Aber dazu gehört natürlich das entsprechende Engagement. Ansonsten säße ich wohl heute als eine von vielen in der Buchhaltung und würde Bilanzen erstellen. Da fällt aber nicht auf, was man eigentlich kann.
Jetzt habe ich seit Jahren meine kleine Firma. Und jeder sagt mir, dass ich so schrecklich teuer bin. Das war ich vom ersten Tag an. Trotz der Konkurrenz, die meine Leistung zu einem Sechstel meines Preises anbietet, muss ich Aufträge ablehnen. Ich reibe mich nicht auf, damit ich über einen Kampfpreis irgendwo reinkomme. Wer gute Leistung haben möchte, der muss dafür zahlen.
Genauso wurde mir hier im Forum erklärt, dass es doch absolut übertrieben wäre, für eine Putzfrau 18 Euro pro Stunde zu zahlen. Da frage ich mich dann: Wieso? Zuerst einmal bedeutet diese wunderbare Frau für mich eine große Zeiteinsparung. Ich kann in dieser Zeit entspannen oder mehr verdienen als ich ihr zahle. Sie kommt mit fünf nicht einfachen Hunden klar, versteht sich mit meinen Kindern, ist absolut loyal und nutzt den Zugang zu brisanten Unterlagen nicht aus. Da finde ich die Entlohnung fair. Außerdem ernährt sie mit ihrer Arbeit zwei Kinder, das geht nicht von zwei Pfennig fünfzig in der Wundertüte.
Was nützen dir verschiedene Firmen, wenn sich ein ganze Branche auf Praktika eingestellt hat. Ich kenne mehrere Bauingenieure, die haben nach etwa 20 Praktika in verantwortungsvollen Positionen schlichtweg etwas anderes studiert. Denn in der Branche stellt man einfach kaum ein, es gibt doch qualifizierte Kräfte für einen warmen Händedruck.
Und ich kenne Bauingenieure, die Angebote mit sechsstelligen Jahresgehältern angeboten bekommen. Von daher würde ich sicher nicht von einer ganzen Branche reden, die nur noch von Praktika lebt.
Wenn man in seiner Branche überhaupt keine Perspektive mehr sieht, muss man logischerweise wechseln. Mit Hartz-IV kommt man aber garantiert nicht weiter.
Und ein anderer den Job macht, das kann dem Bewerber doch vollkommen egal sein. Welchen Einfluss hat das auf ihn?
Dein Argument war, dass man sich nicht auf Dumpinglohn einlassen soll, weil man sonst den Preis kaputt macht. Aber gerade weil man keinen Einfluss auf andere Bewerber hat, funktioniert das nicht.
Ich habe eine Ausbildung in einem Bereich gemacht, wo auf einen Platz mehr als 80 Bewerber kommen. Trotzdem habe ich nicht nur eine Stelle gefunden, ich wurde auch über Tarif bezahlt.
Was hat diese Selbstbeweihräucherung nun mit dem eigentlichen Thema zu tun?
In meinem Beruf habe ich keine Konkurrenz, weil 99% der Bevölkerung nicht dazu in der Lage wären, aber trotzdem auf dem Arbeitsmarkt massiver Bedarf besteht. Deshalb werde ich auch kein Problem mit Dumpinglohn haben. Das hat nun genauso wenig mit dem Thema zu tun.
Trotzdem habe ich einen sehr guten Einstieg gefunden. Allerdings habe ich vorher mehrere Stellen abgelehnt. Das war mir zu wenig für das, was ich leiste.
Und du wärst genauso weit gekommen, wenn du die erst beste Stelle angenommen hättest und dann weiter gesucht hättest. Nur wärst du etwas früher im Beruf gewesen.
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