Wie verkraften Richter und Geschworene das Todesurteil?

vom 23.08.2012, 14:06 Uhr

Nicht in allen Länder, die noch die Todesstrafe praktizieren, wird diese nach einem gefällten Urteil vollzogen. Aber dort, wo eine Gerichtsverhandlung stattfindet und über einen Menschen ein Urteil gefällt werden soll, gibt es Richter, die die Strafe für das Vergehen festlegen. Handelt es sich nun um einen Mordprozess und der Angeklagte wird zum Tode verurteilt, fällen die Richter oder auch Geschworenen den Urteilsspruch.

Wie verkraften die Richter, die über Leben und Tod entscheiden, einen solchen Urteilsspruch? Sehen sie es so, dass es beruflich sein muss und haken es anschließend ab und gehen zur weiteren Tagesordnung über oder sind sie dazu nicht in der Lage, weil sie ein Gewissen haben, das ihnen einflüstert: „Du hast gerade einen Menschen in den Tod geschickt! Konntest du nicht anders handeln?“

Ob der Verurteilte den Tod verdient hat oder nicht, ist hier nicht die Frage, um die es geht. Einzig und allein möchte ich gerne wissen, wie Menschen damit umgehen, einen Angeklagten zum Tode verurteilt zu haben. Was wird der Richter anschließend machen, um wieder zum normalen Alltag zurückkehren zu können? Kann er die Gedanken an das Todesurteil ausblenden?

Wenn es nun Geschworene sind, die gemeinsam über den Angeklagten beraten und zu dem Entschluss kommen, dass der Angeklagte schuldig ist und das sein Todesurteil bedeutet, wie schuldig fühlen diese sich nach ihrer Entscheidung? Gehen sie nach Hause und sind froh, dass sie es hinter sich haben? Oder quält auch sie ihr Gewissen, obwohl sie nicht anders entscheiden konnten, als mit „schuldig“ abzustimmen? Wie kommen sie damit zurecht, wenn der Verurteilte in die Todeszelle kommt?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich denke mal, so einige dieser Richter haben das Gefühl, dass sie eben das Richtige tun. Nämlich das Recht sprechen, dass in diesem Fall angebracht ist. Es gibt ja ziemlich viele Menschen, welche die Todesstrafe befürworten. Ich denke mal, als Richter hat man es generell nicht leicht, man kann ja als solcher immerhin auch nicht einfach irgendetwas nach Lust und Laune beschließen, es gibt ja immer noch Gesetze, an die man sich bei der Urteilsverkündung halten muss. Ich möchte ehrlich gesagt nicht in der Situation sein, dass ich jemandem zum Tode verurteile, egal ob ich finde, die Person hat es verdient oder nicht. Darüber möchte ich wirklich nicht entscheiden. Aber ich denke mal, wenn jemand Richter wird, weiß er auch, worauf er sich einlässt.

» Schneeblume » Beiträge: 3095 » Talkpoints: -0,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Du stellst die Frage, wie ein Richter mit einem Aussprechen der Todesstrafe umgeht, willst aber nicht die Frage nach der Gerechtigkeit aufwerfen? Das ist meiner Meinung nach nicht zu bewerkstelligen. Denn natürlich würde ein Richter kein Todesurteil aussprechen, wenn er nicht von der Schuld und der Gerechtigkeit die in dem Urteil ihren Ausdruck findet, überzeugt sein. Wieso sollte ein Richter sich schlecht fühlen, wenn er ein "gerechtes" Urteil fällt? Schließlich wägt der Richter ja auch alle Argumente gegeneinander ab und Berücksichtigt auch das, was der Angeklagte zu seiner Verteidigung vorbringt. Wenn hier dann die Schwere der Schuld so groß ist, dass die maximale Strafe verhängt werden kann (nach Ansicht des/der Richter), dann handeln sie mit "reinem Gewissen".

Es ist doch auch so, dass die Menschen, die z.B. zahlreiche unschuldige Menschen in den Tod geschickt haben, auch mit dem "Wissen" gehandelt hatten, das "richtige" zu tun. Sie waren davon überzeugt, es mit "Untermenschen" zu tun gehabt zu haben, die nichts anderes als den Tot verdient hatten. Ganz gleich, ob es nun Juden, Kommunisten oder Homosexuelle waren. Sie mussten hier nichts "verkraften".

Dann bei den "Geschworenen": ist es nicht sogar in den USA so, dass diese lediglich über Schuld und Unschuld zu entscheiden haben? Ein Todesurteil können sie nicht aussprechen. Und hier kann man reinen Gewissens, wenn man eben davon überzeugt ist, einen Mörder des Mordes schuldig sprechen. Ob es dann zur Todesstrafe oder zu einer lebenslangen Haft kommt, entscheiden Dritte.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Die Richter und die Geschworenen entscheiden doch nach Recht und Gerechtigkeit. Wenn in einem Land die Todesstrafe gilt, dann fällen sie das Urteil doch nur, wenn sie es für gerechtfertigt halten. Warum sollten sie ein schlechtes Gewissen haben?

Einen Menschen lebenslang ins Gefängnis zu schicken, wird einem Richter auch kein schlechtes Gewissen machen. Eine solche Strafe ist für den Verurteilten doch auch nicht schön.

Außerdem kann man als Außenstehender wohl kaum eine Aussage darüber machen, wie sich ein Geschworener oder Richter nach einem Urteilsspruch wohl fühlt. Da müsste man ihn schon selber fragen.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Es ist vielleicht ein bisschen herzlos, wenn ich das so sage, aber ich würde mal behaupten, dass die Richter damit kein Problem haben und ich würde es ehrlich gesagt auch nicht. Das ergibt sich einfach aus dem Kontext, denn wenn man den Beruf des Richters wählt, dann ist man sich doch der Aufgabe bewusst. Man kann selbst niemals so genau wissen, ob die Person nun schuldig ist oder nicht, aber wenn es sich um einen schlimmen Mord handelt, dann wird am Ende wohl kaum einer im Bett liegen und mit den Zähnen klappern, sondern sich eher freuen, dass ein solcher Mensch bald keine Bedrohung mehr für alle anderen darstellt oder sehe ich das jetzt falsch?

Bei Richtern ist das letztendlich ja nun mal so, dass sie entscheiden müssen und so sicher kann man sich da nie sein. Aber sie entscheiden ja nicht nach eigenen Kriterien und wenn sie jemandem eine Todesstrafe verwehren, der eigentlich laut Gesetzt eine bekommen müsste, dann ist das auch nicht möglich, beispielsweise nicht in Ordnung. Der Richter entscheidet weniger nach eigenen Gesetzmäßigkeiten, sondern orientiert sich am Gesetzt des Staates und tut hier, was möglich ist und wenn es eine Todesstrafe ist, dann ist das eben so und meistens steht sowas in einem klaren Fall ja schon vor dem Prozess fest, da kann der Richter gar nicht so viel beeinflussen.

Auch sind die Richter ja auch an ihren Beruf gewöhnt und tun das tagtäglich, würde ihnen das so auf das Gewissen schlagen, dann wären sie doch kaum in der Lage diesen Beruf ohne weiteres auszuüben. Eine Todesstrafe kommt nicht von ungefähr und ich muss ehrlich sagen, dass mich sicherlich keine Gewissensbisse plagen würden, wenn ich jemandem eine Todesstrafe verhängen würde, der eine solche verdient hat. Man muss hierbei schauen, was für alle das Beste ist und wenn die Tat wirklich so schlimm ist, dass auch keine Rehabilitationsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden können, dann ist das der einzige Weg und an sich auch kein sonderlich falscher.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Jeder Beruf hat seine Aufgaben. Die einen Aufgaben sind halt die, dass man nach Recht und Gerechtigkeit entscheiden muss und dann ist es eben so, dass ein Richter oder die Geschworenen dann auch ein Urteil fällen müssen. Ich muss sagen, dass ich da ehrlich gesagt auch keine Probleme und kein schlechtes Gewissen haben würde, wenn wirklich feststeht, dass dieser Mensch einen anderen Menschen auf dem Gewissen hat.

Ein schlechtes Gewissen sollten doch dann eher die Leute haben, die das Gesetz haben wollten und dieses Gesetz erst in Kraft treten ließen. Ohne die müsste kein Richter und kein Henker diese Strafe verrichten. Aber wenn man nach dem Gesetz handelt, warum sollte man da ein schlechtes Gewissen haben?

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Diamante hat geschrieben:Aber wenn man nach dem Gesetz handelt, warum sollte man da ein schlechtes Gewissen haben?

Das ist so zwar nicht falsch, aber doch eher vereinfacht. Denn es geht ja gar nicht nur darum, "nach dem Gesetz" zu handeln. Vielmehr muss man dieses Gesetz auch wollen und vielleicht sogar gutheißen. Denn kein Richter wäre verpflichtet, eine Todesstrafe zu verhängen, auch wenn diese als Höchststrafe vorgesehen ist. Hier darf ein jeder Richter in seinem Ermessen und nach seinem Gewissen die Einwände des Angeklagten in seine Urteilsfindung einfließen lassen. Und dann wäre es einem Richter auch möglich, immer maximal eine (mehrfache) lebenslange Haftstrafe zu verhängen. Es ist also nicht "das Gesetz" ausschlaggebend, sondern schon die eigene Befindlichkeit.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



@derpunkt, in diesem Falle hatte ich vorausgesetzt, dass der Angeklagte schuldig des Mordes ist. Mir ging es einzig um die Frage, wie ein Richter damit umgeht, wenn er die Todesstrafe verhängt hat, obwohl er vielleicht auch Argumente gefunden hätte, die ein „lebenslänglich“ begründen würden. Da könnte ich mir vorstellen, dass er irgendwann zweifeln wird, ob er nicht doch anders hätte urteilen können. Denn immerhin lässt er ein Menschenleben auslöschen. Diese Entscheidung muss sehr schwer sein, zumal er im Grunde noch gegen die Verhängung einer Todesstrafe sein könnte und das Gesetz als falsch ansieht.

Mit den Geschworenen in den USA hast du recht. Sie entscheiden nicht über das Strafmaß, sondern nur über die Schuldfrage. Von daher dürften sie ein reines Gewissen haben.

@Diamante, ich finde, dass man es sich zu einfach macht zu sagen, wenn man nach dem Gesetz handelt, ist das richtig. Der Richter ist an das Gesetz gebunden. Dieses ist jedoch dehnbar. Es ist Auslegungssache in jedem Einzelfall, der begründet wird. Der Tatbestand ist gegeben, aber der Richter hat einen Beurteilungsspielraum. Es kommt immer darauf an, was im Einzelfall möglich ist.

Selbst eindeutige Vorkommnisse können verschieden ausgelegt werden. Ein Richter wird sich die Auslegung unter Berücksichtigung der verschiedensten Möglichkeiten erst erarbeiten müssen. Verurteilt ein Richter einen brutalen Mörder nur lebenslänglich anstatt zum Tode – was ihm möglich wäre, wird er das Urteil begründen und darlegen, warum das Todesurteil nicht anzuwenden ist. Wenn ein Richter von einem Gesetz nicht überzeugt ist, wird er versuchen, es zu umgehen und moralisch handeln.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


anlupa hat geschrieben:Die Richter und die Geschworenen entscheiden doch nach Recht und Gerechtigkeit. [...]

So ähnlich sagte sich vermutlich Johann Baptist Reichart das auch, als er im Jahr 1943 den 876. Delinquenten für Adolf Hitler in den Tod schickte. Alles im Namen von Recht und Gerechtigkeit. Fragt sich nur, wessen Recht und wessen Gerechtigkeit. So einfach kann man sich das machen. Von 1933-1945 kam das 16500 mal vor.

Mir ist schleierhaft, wie ein Mensch einen anderen Menschen in den Tod schicken kann, egal was für eine Bestie der war oder wie sich hin und wieder herausstellt, man meint, was für eine Bestie der war. Das widerspricht zutiefst meinem Welt- und Menschenbild.

Interessant ist, dass hier nur die Frage nach Richtern und Geschworenen gestellt wird. Viel direkter hat ja der Henker, Scharfrichter oder Nachrichter mit dem Tod zu tun. Diese Leute waren schon immer miteinander verwandt und verschwägert, waren auch immer geächtet und gerade das band sie sehr eng zusammen. Wenn der Vater diesen Beruf hatte, musste auch der Sohn ran. Das ging über viele Generationen. Und wenn es eine Tochter gab, wurde sie auch nur innerhalb dieses Standes verheiratet. So entstanden über die Jahrhunderte ganze Dynastien. Diesen Leuten soll Familie über alles gegangen sein, aber das war vermutlich auch das Resultat aus dem Gemisch von Blut, Schande und Ächtung. Da rückt man zusammen. In Deutschland sind da ein paar Familien bekannt. Neben den Reicharts, Familie Abrell, Reindel, Deibler, Steinmeyer und Grasmann.

Ich weiß nicht, wie diese Leute am Abend ins Bett gehen konnten. Sicher war es auch für die nicht leicht. Richter und Geschworene haben da ja noch eine gewisse Distanz und können sich für sich Gründe für die Entscheidung zurechtbiegen, aber der Scharfrichter, der muss foltern und töten. Für mich unbegreiflich, aber ich vermute mal, diese Leute haben das einfach zu einer Art Kunst vervollkommnet und sehen mehr das "Handwerk", als den Menschen und sein Schicksal. Reichart z. B. hat nach dem 2. Weltkrieg doch tatsächlich die Amerikaner aufgrund seiner guten Kenntnisse beraten. Seine Familie hat dieses "Handwerk" 200 Jahre betrieben. Er ist erst 1972 einsam in München gestorben. Sein Sohn hat sich schon 1950 selbst gerichtet. Ich kann das alles nicht nachvollziehen.

Benutzeravatar

» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


@Richtlinie2, die Frage nach dem Henker hatte ich separat gestellt hier, weil mir doch die psychische Belastung des Henkers weit schlimmer vorkam. Aber was du geschrieben hast über die Dynastien von Henkern, ist sehr aufschlussreich und interessant. Solche Familien wurden dann von der Bevölkerung verschmäht, das ist vorstellbar. Aber trotz allem müssen sie doch auch Gefühle gehabt haben. Man kann doch nicht sagen, dass man nur das ausführt, was andere beschlossen haben. Denn es geht doch um das Auslöschen von Leben.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^