Wie viel Zeit haben Studenten?
So nun fange ich ab Anfang Oktober an Wirtschaftsinformatik zu studieren. Von Eltern, Verwandten und Freunden bekomme ich immer wieder zu hören, wie viel Freizeit Studenten doch hätten. Diese Meinung unterstütze ich ja mal so gar nicht. Ich finde mit Tutorien, Praktikas und Klausuren in vorlesungsfreien Zeiten hat man kaum noch Freizeit.
Natürlich weiß ich auch, dass die Freizeit vom Studiengang und von der Universität abhängt aber alle Studien-
gänge, die später mal Brot einbringen sollen können doch nicht so locker gehandhabt sein oder liege ich da falsch? Wie seht ihr das haben Studenten heutzutage wie ich finde sogar zu wenig Freizeit oder etwa genau das Gegenteil?
Ja, diese Vorurteile hört man immer wieder, aber man muss sich mal anschauen von wem solche Vorurteile kommen. Die Leute haben entweder nie selber studiert oder sie haben ihr Studium schon vor einiger Zeit abgeschlossen. Vor ein paar Wochen konnte man hier auch mal wieder lesen, dass man als Student ja nebenbei arbeiten könnte um das Studium zu finanzieren, worüber ich nur den Kopf schütteln konnte.
Ich habe vor Kurzem einen Bericht über die Bachelor und Master Studiengänge gelesen und da wurde unter anderem bemängelt, dass die Studenten dadurch sehr wenig Zeit haben. Und mit Zeit war hier nicht mal Freizeit gemeint sondern Zeit um neben dem Studium durch Praktika und Auslandsaufenthalte erste Berufserfahrungen zu sammeln.
Ich habe zum letzten Semester gehört, das noch nach der alten Studienordnung sein Studium begonnen hat und ich konnte es damals noch so machen, dass ich mir nur ein oder zwei Veranstaltungen auf den Freitag gelegt habe und den Rest des Tages an meinem Semesterprojekt arbeiten konnte. Das war für Leute mit Bachelor Studium dann schon nicht mehr möglich und die saßen dann teilweise bis spät Abends an ihren Projekten.
Ich habe ja selbst auch studiert und sogar ein NC-Fach und muss sagen, dass das Vorurteil gar nicht so weit hergeholt ist. Ich hatte an manchen Tagen nur zwei oder drei Lehrveranstaltungen und konnte mir in den meisten Semestern die Stunden auch so aus dem Wahlangebot aussuchen, dass ich nicht all zu früh aufstehen musste und entweder montags oder freitags frei hatte. Wenn Vorlesungen in der ersten Stunde stattfanden, also halb acht, dann sind wir irgendwann kaum noch hingegangen und haben nur das Skript zum Lernen genommen. Meistens gab es von denen aus höheren Semestern auch vollständige Mitschriften, die man nutzen konnte. Insgesamt gab es im Grundstudium sieben und im Hauptstudium fünf mündliche Prüfungen, dazwischen Klausuren, aber diese Klausuren konnte man bei Nicht-Bestehen beliebig oft wiederholen; nur die mündlichen Prüfungen zählten also wirklich und gingen in die Gesamtnote des Diploms ein.
Und dabei habe ich noch Zusatznebenfächer absolviert und ein Fremdsprachen-Begleitstudium hinzugewählt und hatte trotzdem nicht den Eindruck, wahnsinnig viel zu tun zu haben. Nur das Lernen für die Prüfungen war anstrengend, aber dazwischen gab es nicht viel zu tun. Das war überhaupt nicht zu vergleichen mit einer 40-Stunden-Arbeitswoche, wo man nicht einfach mal frei machen kann, wenn man keine Lust hat. Außerdem sitzt man in der Vorlesung ja nur herum und schreibt mit, dazu muss man sich nicht sonderlich anstrengen. Das ist auch keinesfalls so stressig wie eine richtige Arbeitstätigkeit. Ich habe aber nicht nebenbei gearbeitet, weil mir eben meine Eltern das Studium bezahlt haben und Auslandsaufenthalte hatte ich auch keine, da fehlte mir die Lust dazu.
Im jetzigen Bachelor-Master-System mag das anders sein. Ich habe auch mitbekommen, dass es nun viel mehr Prüfungen und Klausuren gibt. Allerdings gibt es bei den modularisierten Studiengängen den Vorteil, dass sich Noten ausgleichen können. Man kann also durch eine Prüfung durchfallen, wenn man die anderen Prüfungen des Faches mit genügend Punkten besteht, das gab es bei mir damals nicht.
Wie du richtig sagst, hängt es auch vom Studiengang ab, aber auch vom Arbeitswillen des Studenten. Der Studiengang kann insoweit großen Einfluss auf die Freizeit nehmen, als dass im Bachelor/Master-System, zumindest war es bei mir so, die einzelnen Module so aufeinander abgestimmt waren, dass man Modul A erst abgeschlossen haben musste, bevor man Modul B machen durfte. Fehlte einem nur ein Teil aus Modul A und musste dieses erst beenden, so hatte man unter Umständen doch mehr Freizeit als man wollte. Natürlich verlängerte sich dadurch das Studium. Dadurch hatte ich auch die Zeit, um mein Studium zu finanzieren. Andere müssen ihr Studium finanzieren und können eben nicht den Regelstudienplan einhalten.
Unter den richtigen Voraussetzungen, hat man keine Freizeit, weil man die Anforderungen des Studiums erfüllen kann. Andere wollen gar nicht dem Regelstudienplan folgen, haben auch so genug Geld und gehen bewusst dem Image des faulenzenden Studenten nach. Es kommt dabei auch viel auf die Einstellung des Studenten an. Bei uns an der Uni sind etwa 50% gewissenhafte Studenten. Der Rest geht auch eher dem Faulenzer-Image nach.
Ehrlich gesagt kann ich die sogenannten Vorurteile durchaus so unterschreiben. Ich habe den direkten Vergleich zwischen dem Studieren und Arbeiten gehen. Seit ich arbeiten gehe weiß ich erstmal, wie schön das Studentenleben war und das ich beinahe Unmengen an freier Zeit hatte. Und ich habe etwas studiert, wo man durchaus auch Hausarbeiten schreiben musste, Tutorien hatte und natürlich auch Vorlesungen. Und trotzdem hatte ich bei Weitem mehr Zeit als jetzt.
Jetzt arbeite ich im Schichtdienst, was ich schon anstrengend finde. Nach dem Frühdienst bin ich todmüde, beim Zwischendienst ist der ganze Tag gelaufen und Spätdienst und Nachtdienst sind reichlich unsozial, weil da nie jemand Zeit hat, was zu machen. Man war das schön, als ich noch studiert habe. Ich hatte immer Zeit. Für den Sport, für Freunde, Party machen ließ sich super einrichten. Doch, ich kann nur sagen, dass ich vermutlich nie wieder so viel Zeit haben werde, wie ich damals hatte.
Mal davon abgesehen: wundert es dich nicht, dass so viele Studenten Zeit zum weggehen haben? Das so viele Studenten in den Parks abhängen, dass so viele Studenten immer in den Bädern sind? Das Studenten Stammgäste im Eisladen sind? Wer bitte hat soviel Zeit? Ich war schon ewig nicht mehr im Bad. Als Student war ich relativ regelmäßig und Schlafmangel, so wie jetzt, hatte ich auch nicht. Gott, was das ein Leben. Nur den Medizinstudenten, denen es nicht zufällt, gestehe ich zu, dass sie weniger Freizeit haben als andere Studenten. Aber immer noch mehr als die meisten arbeitenden Mitbürger.
Lustigerweise habe ich den Satz, dass Studenten ja soviel Freizeit haben, bisher nur von Menschen gehört, die selber nie studiert haben. Also von Leuten die sich natürlich ungemein eine Meinung über das Studentenleben bilden können. Natürlich hängt die Freizeit vom Studiengang ab, davon ob man nebenher arbeiten muss und auch davon wie gewillt ein Student ist, sein Studium gut durch zu ziehen. Ich hatte zum Beispiel auch in 2 Semestern extrem viel Freizeit, weil ich Prüfungen schreiben musste, dessen Vorlesungen in dem jeweiligem Semester gar nicht angeboten wurden; dadurch hat man natürlich schon mehr Zeit, muss sich ja aber dennoch um andere Dinge kümmern und auch auf die Prüfungen alleine vorbereiten.
Die Zeit für einen Nebenjob habe ich erst seit dem letzten Jahr, und ich befinde mich jetzt im letzten Semester; musste allerdings auch ein paar dranhängen, sodass ich jetzt nicht mehr viel schaffen muss. Ansonsten ist es aber auch so, dass einem die Freizeit gar nichts bringt, weil man gar nicht das Geld hat diese zu nutzen. Besonders die Vorlesungen in denen wir Gruppenarbeiten hatten waren sehr Zeit aufwendig; man musste sich sehr oft seiner Freizeit treffen um bestimmte Themen zu besprechen. Ein Auslandssemester hatte ich auch; da ging das letzte Semester in Deutschland nahtlos in das nächste im Ausland über; da hatte ich nicht mal Semesterferien.
Zusammen gefasst kann man schon sagen, dass Studenten mehr Freizeit haben als Menschen die Vollzeit arbeiten, aber Studenten können die freie Zeit nicht unbedingt zum faulenzen nutzen, sondern müssen sich auf Prüfungen Vorbereiten, Seminare machen, Praktika machen und so weiter. Bei meinem Bruder war es zum Beispiel so, dass er seine Prüfungen so gelegt bekommen hat, dass er die Vorlesungsfreie Zeit zum Lernen nutzen musste um zu Lernen, da die Prüfungen mit in den "Ferien" lagen; kurz darauf ging es schon wieder mit den Vorlesungen los. Es kommt also definitiv auf verschiedene Dinge an; aber dass alle Studenten soviel Freizeit haben stimmt auf keinen Fall.
Studenten haben heutzutage sehr viel weniger Zeit als früher. Mein Sohn arbeitet sehr viel für sein Studium. Wenn ich das mit mir früher vor 35 Jahren vergleiche, hatte ich ein wirkliches Studentenleben mit langen Sommerferien und Faulenzen. Ich hatte die Zeit, mir mein komplettes Studium mit Nebenjobs selbst zu finanzieren und trotzdem noch in der Welt herumzufahren, abends Sport zu machen und in heißen Diskussionen über politische Systeme zu debattieren und natürlich, nicht zu vergessen, die sexuelle Revolution mitzumachen. Heutzutage wäre das wahrscheinlich nicht mehr möglich. Ich habe etwas Ähnliches studiert wie mein Sohn. Deswegen kann ich es ganz gut vergleichen. Manchmal würde ich ihm mein Studentenleben gönnen.
Aber damals war es auch schon von Studiengang zu Studiengang sehr unterschiedlich. Die Lehramtsstudenten in Biologie und Chemie hatten zum Beispiel durch ihre praktischen Übungen in den Semesterferien sehr viel zu tun, außerdem hatten sie mehr und härtere Prüfungen. Ich weiß aber nicht, wie das bei den Geisteswissenschaften war.
winny2311 hat geschrieben:Mal davon abgesehen: wundert es dich nicht, dass so viele Studenten Zeit zum weggehen haben? Das so viele Studenten in den Parks abhängen, dass so viele Studenten immer in den Bädern sind? Das Studenten Stammgäste im Eisladen sind? Wer bitte hat soviel Zeit? Ich war schon ewig nicht mehr im Bad. Als Student war ich relativ regelmäßig und Schlafmangel, so wie jetzt, hatte ich auch nicht.
Ich bin Studentin und weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal Zeit hatte in den Park zu gehen, oder schwimmen zu gehen. Stammgast im Eisladen bin ich nur, weil ich zur Zeit in einem arbeiten gehe. Schlafmangel kenne ich erst, seit ich studiere, weil ich dort Nächte durch gelernt habe, Nächte durch gemacht habe, weil ich eine Hausarbeit abgeben musste oder einen Bericht für eine Gruppenarbeit abgeben musste. Urlaub ist mir ein Fremdwort; wie ich mich richtig entspannen kann ohne an das zu denken, was ich noch erledigen muss weiß ich nicht mehr. Es dreht sich alles nur um das Studium; wie kriege ich das Geld dafür? Wie schaffe ich jene Prüfung? Was brauche ich noch für meine Bachelorarbeit und so weiter und so fort.
Ich arbeite zwar nicht jeden Tag von morgens bis abends (das habe ich aber bereits auch erfahren), aber dennoch kann ich nicht sagen dass ich arg viel Freizeit habe, weil sich diese damit füllt, arbeiten zu gehen, oder mich mit dem Studium zu beschäftigen. In den letzten Wochen konnte ich zwar auch etwas Sonne genießen, wenn schönes Wetter war, aber ich habe jedes Mal ein Fachbuch dabei gehabt, welches gelesen werden musste
Ich habe während der Bachelorphase nebenbei im FSR gearbeitet und an zwei größeren Uniprojekten mehrere Jahre gearbeitet. Dafür brauchte ich auch ein Fachsemester länger für meinen Abschluss. Ein "richtiges" Praktikum in Vollzeit kam nur im Übergang zwischen BA und Master in Frage. Das ging ansonsten einfach nicht. Zur weiteren Finanzierung werde ich auch noch weiterarbeiten, meine Eltern unterstützen mich nur mit dem Kindergeld, dass bald weg fällt.
Viel Freizeit haben im Grunde nur die Studenten, die sich die Freizeit auch nehmen und nicht neben den Seminaren und deren Bearbeitung noch aktiv sind, was Ihre Ausbildung oder ihr Engagement angeht. Da ist einfach jeder anders drauf. Ein Kollege von mir zum Vergleich, wir haben zusammen das Studium begonnen, ist noch nicht annähernd in der Abschlussphase des BA-Studiums. Er hat jedoch auch den Vorteil noch großzügig von seinen Eltern unterstützt werden zu können.
Freizeit und Studentsein. Das ist so eine Sache! Das kommt unter anderem auf den Studiengang und einen selbst an. Am Anfang des Studiums muss man meist mehr Vorlesungen besuchen als zum Ende hin. Bestimmte Studiengänge (ich spreche aus Erfahrung) haben jedoch einen speziellen Studienaufbau (vor allem im Bereich Medien etc.). Da wird Vormittag studiert (also Lehrveranstaltungen mit Theorie besucht) und anschließend wird praktisch in anderen Veranstaltungen gearbeitet. Das heißt dann eben, dass man einen Studientag von zwölf Stunden hat. Da hat man aber als Student weder eine Vorlesung nach gearbeitet oder hat sich in einer Lerngruppe sehen lassen.
Und seitdem der Bologna-Prozess angekurpelt wurde, ist alles noch knapper bemessen. Da sind am Semesterende zwölf Prüfungen bei vielen Studiengängen Standard. Da sind die Hausarbeiten aber noch nicht mit eingerechnet! Also, lange Rede kurzer Sinn: Studieren ist kein Zuckerschlecken, aber trotz allem auch eine tolle Erfahrung.
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