Bei Textaufgaben jammern, aber Bezug zum Alltag fordern

vom 12.08.2012, 12:41 Uhr

Viele Schüler mögen bekanntlich den Mathematikunterricht nicht. Wenn man dann wissen möchte, warum sie eine Abneigung dagegen haben, sagen sie meistens, dass der Mathematiklehrer den Schülern nicht erkläre, wozu man das braucht. Man würde den Mathematikunterricht viel interessanter finden, wenn mehr Bezug zum Alltag herrschen würde. Wenn man wüsste, wozu man diese Dinge braucht, dass mache es auch mehr Spaß. Das stimmt ja wahrscheinlich auch, widerspricht aber meiner anderen Beobachtung, dass Schüler keine Textaufgaben mögen.

In jeden Alter jammern die Kinder über Textaufgaben. Aber das ist ja gerade der Alltagsbezug. Eigentlich müssten Textaufgaben doch Spaß machen. Bei Textaufgaben zu Meinungsumfragen kann man die Prozentrechnung, ein anscheinend besonders verhasstes Thema, anwenden und Diagramme zeichnen. Gerade auf dem Gebiet der Prozentrechnung gibt es in den Mathematikschulbüchern eine reichhaltige Auswahl von Aufgaben aus den verschiedensten Sachgebieten, da müssten die Schüler sich doch drauf stürzen, leider ist das Gegenteil der Fall.

Auch in höheren Klassen gibt es viele Sachaufgaben zur Differential- und Integralrechnung, zum Beispiel zu Rotationskörpern. Die Stochastik besteht nur aus Sachaufgaben. Trotzdem mögen sie viele Schüler nicht, bzw. verstehen sie nicht, obwohl gerade hier der Bezug zur Wirklichkeit offensichtlich ist und auch der Nutzen für das tägliche Leben.

Gehört ihr auch zu den Menschen, die jammern, dass die Mathematik zu wenig Bezug zum Alltag hat, ihr aber trotzdem über Textaufgaben jammert? Wie sollte man die Mathematik gestalten, damit man die Nützlichkeit einsieht?

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Das Problem wird ja in der Grundschule schon massiv gefördert. Wenn ich in die Mathebücher meiner Nichte gesehen habe, dann kamen darin seitenweise Päckchenaufgaben dran. Ganz selten waren mal anwendungsbezogene Textaufgaben dabei. Die Kinder werden in dieser Zeit darauf getrimmt, einfach die Rechenoperationen auszuführen. Sie lernen meist das Schema wie es geht, aber nicht warum es so geht. Später wird es dann zum Problem, weil die nötigen Kompetenzen nicht vorhanden. Die Kinder können keine Informationen aus den Texten gewinnen und diese verarbeiten. Ihnen fehlt das eingeübte Muster.

Es ist leider ein typisches Problem bei der Nachhilfe: Textaufgaben kann ich nicht! Und dann liest man auch gar nicht richtig. Ich bitte dann immer darum, dass der Text mehrmals gelesen wird und versuche ihnen schrittweise zu erläutern, dass sie sich aufschreiben sollen, was gegeben und was gesucht ist. Klar, so kriegen sie auch wieder ein Muster, aber sie sind es leider gewöhnt in Mustern zu denken.

» musicality » Beiträge: 809 » Talkpoints: 1,77 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich glaube das Problem liegt darin, dass nicht nur mathematisches Können, sondern auch Textverständnis verlangt ist, wogegen sich Kinder manchmal gern sperren. Außerdem weiß ich nicht, ob die Textaufgaben heute genauso wenig Bezug zu den Kindern haben, wie zu meiner Zeit. Mir war es damals beispielsweise herzlich egal, an welcher Stelle sich zwei aufeinander zufahrende Züge treffen. Schließlich hatte ich keine Eisenbahn und bei der Bahn arbeiten wollte ich auch nicht.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Die Textaufgaben sind ja mittlerweile so dämlich formuliert, dass man sich das Ganze auch hätte sparen können. Man wird immer komplizierter um einen Sachverhalt zu schildern, der Kindern oder Jugendlichen egal ist, um dann den Text so zu formulieren, dass man den Sinngehalt der Rechnung noch unterbringen kann.

Meiner Meinung nach sollte man sich mal zusammensetzen und eine wirkliche Textaufgabe formulieren. Mit Themen, die die Jugend auch interessieren. Statistiken zu Konzertbesuchen beispielsweise. Man kann sich meiner Meinung nach schon wirklich mehr Mühe geben und einen größeren Praxisbezug schaffen. Mathematik umgibt uns, das kann man doch nutzen oder nicht?

Schüler die meckern kann ich verstehen, denn es wird nichts getan um die Aufgaben zu verbessern. Ganz im Gegenteil sie werden immer komplizierter geschrieben mit keinen Bezug zur Praxis. Es kann doch sein, dass ein Studium besser ist, als das Fach, was man in der Schule hat.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich kann dieses Gejammer über die Mathematik ehrlich gesagt auch nicht verstehen und konnte das auch noch nie. Mathematik ist einfach ein tolles Fach, zumindest in der Schule. Ich hätte das nun nicht studieren wollen und ich möchte mich auch nicht für den Rest meines Lebens mit der Mathematik beschäftigen. Aber die Mathematik ist eines der Fächer, mit denen man im weiteren Leben am meisten anfangen kann. Grundlegende Mathematik- und Deutschkenntnisse braucht einfach jeder, alles andere ist Bonus. 

Wenn man sich die Aufgaben mal anschaut, die in vielen Mathematikbüchern zu finden sind, handelt es sich sehr oft um Textaufgaben mit klarem Alltagsbezug. Eigentlich sollte man dann davon ausgehen, dass die Schüler diesen Zusammenhang auch erkennen können. Abgesehen davon ist man doch auch ohne Mathematikunterricht im Alltag andauernd mit Mathematik konfrontiert. Irgendwie erkennen das ganz viele nicht. 

Ich vermute ja, dass bei sehr vielen einfach eine grundlegende Abneigung gegen dieses Fach vorliegt und dass die Leute deshalb keine mathematischen Zusammenhänge erkennen können oder wollen. Ich glaube nicht, dass Kinder mit einer Abneigung gegenüber Mathematik geboren werden. Es ist eher so eine grundsätzliche Haltung, die viele haben und diese dann auch auf ihre Kinder übertragen. Es gibt so viele Eltern, die ihren Kindern mit auf den Weg geben, dass Mathe schwer und unverständlich ist. Das ist natürlich nicht der Fall, aber wenn Kinder in diesem Glauben aufwachsen, dann finden sie Mathe irgendwann auch total schrecklich und verstehen nicht, was das mit ihrem Alltag zu tun haben könnte. Dazu kommt noch, dass gerade Textaufgaben einen schlechten Ruf haben. Dieser wird dann auch weiter gegeben. 

Viele haben auch keine Lust darauf, sich diese Knobelei anzutun. Die schaffen es vielleicht, die eigentliche Rechenaufgabe zu bewältigen, aber sie können aus einer Textaufgabe nicht die Informationen herausfiltern, die wirklich wichtig sind. Viele lesen auch einfach überhaupt nicht richtig und geben direkt auf, wenn sie nicht sofort weiterkommen. In manchen Fällen ist das auch einfach eine Art von Bequemlichkeit. Und viele haben einfach zu wenig Biss. Komplett erklären kann ich das trotzdem nicht. Ich fand Textaufgaben immer sehr leicht und oftmals viel angenehmer als andere Aufgaben. 

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Textaufgaben sind insofern komplexer, weil es auch darum geht, den Text zu verstehen und sich gegebenenfalls auch die Aufgaben selbst herauszusuchen. Dass es manchen Kindern nicht passt, kann ich schon nachvollziehen, immerhin muss man dazu mehr nachdenken und auch überlegen, sich darauf einlassen können und nicht nur ein mathematisches Rechnen anbringen, sondern etwas mehr.

Ehrlich gesagt finde ich Textaufgaben durchaus praktisch und sinnvoll, aber mir wäre es auch wichtig, dass den Kindern beigebracht werden würde, wie man bei solchen Aufgaben auch vorgeht und ihnen unterschiedliche Lösungsansätze beibringt. Inwiefern so etwas heute stattfindet, weiß ich nicht, da ich mit der Grundschule oder mit dem Grundschulunterricht nichts zu tun habe, aber durchaus mit Kindern zu tun hatte und habe, die noch in die Grundschule gehen.

Manchmal kam es mir dort so vor, als hätte es nur einen richtigen Lösungsweg gegeben, aber hier sollte man so ansetzen, dass es eben mehrere Lösungswege geben kann und solange das Ergebnis stimmt, ist es auch in Ordnung. Sicherlich gibt es da wieder einmal irgendwelche Vorgaben und Bestimmungen, die einzuhalten sind und die man nicht anderweitig umgehen kann, aber dennoch sollte man eben den Kindern auch beibringen, dass so etwas auch anders gelöst werden kann.

Was viele Kinder wohl auch genervt hat oder nervt, sind bei solchen Textaufgaben einfach die selbst zu schreibenden Texte, bestehend aus der Frage, dem Rechnungsweg und dem Antwortsatz. Da habe ich auch schon genügend miterlebt, wie sich Kinder darüber aufregen, weil es eben nicht nur um das eigentliche Rechnen ging. Ob es nun an der Faulheit oder Lustlosigkeit lag, sei mal dahingestellt, vielleicht auch lag es daran, eine solche Aufgabe nicht analysieren zu können?

Bei Mathematikaufgaben in den hören Stufen bin ich selbst auch absolut überfragt, da es irgendwann einen Punkt gab, an dem ich nichts mehr verstanden habe. Hätte man sich mit mir hingesetzt und es mir anders begreiflich gemacht, wäre es sicherlich auch besser gewesen, aber diese Möglichkeiten hatte ich nicht und so war ich allein auf mich gestellt, konnte es im Grunde nicht wirklich und bin mehr oder weniger dann in dem Bereich untergegangen. Und wenn man dort einmal den Anschluss verliert, ist es sowieso zu spät.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Ich kann nicht über den Mathematikunterricht klagen und habe in der Oberstufe auf den Leistungskurs gewählt. Und dennoch würde ich nicht sagen, dass die Textaufgaben die wir in der Schule hatten irgendeinen Bezug zum Alltag hätten. Ich meine, es ist die eine Sache, wenn man mathematische Formeln und Bereiche kennenlernt, mit denen man Dinge ausrechnet, die man an sich nicht braucht und es ist an sich nichts anderes, wenn man diese Formel in eine Textaufgabe steckt, die vermeintlichen Alltagsbezug hat, die sich aber mit Dingen beschäftigt, die dennoch kein Mensch ausrechnen oder wissen wollen würde!

Ich finde die Begründung an sich auch eher unangebracht und denke, dass es einfach nur eine Ausrede ist. Wenn man mathematisch nicht sonderlich begabt ist, dann ist das Fach ja auch nicht gerade leicht und dann sucht man eben auch nach Ausreden, um seine Abneigung gegen dieses Fach kundzutun. Das was man im Sportunterricht lernt, im Religionsunterricht oder beispielsweise im Physikunterricht, kann man im Alltag meistens auch nicht gebrauchen, aber darum geht es in der Schule ja auch nicht, was man im Alltag braucht, darf einem ruhig die Mama und der Papa beibringen, in der Schule geht es beim Abitur darum einfach zu zeigen, dass man sich auf mehreren Bereichen beweisen kann und demnach auch studierfähig ist, egal ob man diese Sachen im Alltag braucht oder nicht, denn in anderen Bereichen wie der Industrie werden diese Dinge eben gebraucht.

Was an Textaufgaben laut den Schülern dann auch wieder falsch ist, ist eben die Tatsache, dass sie mitunter schwer zu verstehen sind. Viele Mathelehrer fangen mit einer bestimmten Formel oder einem Rechenansatz an und dann heißt es eben, a, b und c und das ist dann so und so zu verrechnen. Wenn man dann aber eine Textaufgabe bekommt, dann fällt es vielen Schülern sogar schon schwer nachzuvollziehen, was denn überhaupt in dem Text a, b und c ist und manchmal können diese Variablen dann noch nicht einmal einfach so übernommen werden, sondern man muss noch etwas umrechnen oder so und dass fällt vielen Schülern eben schwer, auch wenn ein Alltagsbezug vorherrscht.

Die Prozentrechnung war bei uns sehr beliebt, zumal das auch sehr einfach ist, als unbeliebte Themen galten bei uns eigentlich nur Stochastik und bei einigen Schülern die Analysis, wobei Stochastik meistens deutlich verhasster war. Bei der Differential- und Integralrechnung sind viele Textaufgaben zwar scheinbar alltagsbezogen aber meiner Ansicht nach eher realitätsfern, bei dem Sachgebiet der Stochastik gibt es aber wirklich sehr sinnvolle Textaufgaben. Hier ist das aber so, Stochastik an sich ja ein Themengebiet ist, welches offensichtlich seinen Nutzen hat, zumindest habe ich nicht mitbekommen, dass sich irgendwer fragen würde, wofür man eine Wahrscheinlichkeit ausrechnen muss. Allerdings ist gerade dieses Themengebiet mitunter auch sehr anspruchsvoll, was nun bedeutet dass die Schüler auch ohne Textaufgaben teilweise schon überfordert sind und wenn dann die Aufgabe umformuliert wird, ist das ganze nur noch um so schwerer.

Ich finde an sich eigentlich nicht, dass man Mathe umgestalten muss, damit den Schülern die Nützlichkeit des ganzen offensichtlich wird, denn immerhin geht es in der Schule jetzt nicht zwingend darum, den Schülern etwas für den Alltag beizubringen oder? Der Lehrer könnte beispielsweise sagen, dass man diese und diese Rechnungen für die Wissenschaft, Industrie und so weiter benötigt und konkrete Beispiele nennen, aber an sich reicht mir das und ich habe Textaufgaben nicht zwingend nötig, sehe aber auch eine Herausforderung darin. An sich bin ich mir sicher, dass es einfach Schüler gibt, die können Mathe und welche die können es eben nicht und die Fragen sich dann natürlich auch, was denn der Blödsinn soll.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



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