Zählen Gesten/Bemühungen wirklich etwas?
Oft hört man, dass Leute sagen, dass die Bemühungen zählen oder dass eine Geste zählt. Damit wollen sie zum Ausdruck bringen, dass auch die Bemühungen alleine schon etwas wert sind, selbst wenn sie nicht das gewünschte Ergebnis hervorgebracht haben oder wenn letztendlich alles nicht so ideal war, wie man sich das eigentlich gewünscht hatte. Ich muss zugeben, dass ich in der Vergangenheit auch der Meinung war, dass oftmals einfach die Bemühungen das sind, was wirklich zählt.
Aber im Grunde genommen hat man davon nichts. Was bringt es einem, wenn man sich zum Beispiel beim Sport oder für eine Klausur sehr angestrengt hat und dann doch versagt? Natürlich sollte man in solchen Situationen immer alles geben, aber ich finde es eigentlich nicht hilfreich, wenn man sich dann selbst damit beruhigt, dass man es wenigstens versucht hat. Oft wird ja gesagt, dass die Geste zählt, wenn man jemandem zum Beispiel etwas schönes mitbringen wollte, was dann vielleicht doch nicht so gelungen ist. Natürlich ist es nett, wenn jemand überhaupt daran gedacht hat, aber davon hat der andere eigentlich auch nichts. Wenn ich zum Beispiel jemandem eine tolle Schokolade mitbringen würde, dabei aber vergesse, dass derjenige Schokolade nicht ausstehen kann, würde mir die Aussage, dass es sich immerhin um eine nette Geste handelte, nicht weiterhelfen. Es wäre mir dennoch sehr unangenehm und der andere hätte nichts davon.
Zählt die Geste, beziehungsweise die Bemühung allein, wirklich so viel? Oder ist das nicht letztendlich einfach nur eine Floskel, die man aus Höflichkeit anderen gegenüber oder aus Rücksichtnahme auf sich selbst verwendet? Was bringt eine Bemühung, wenn sie letztendlich nicht zum gewünschten Ergebnis führt?
Gerade wenn man kleine Kinder hat, weiß man, wie wertvoll Bemühungen und Gesten sind. Man freut sich über die Geste, wenn ein Kind einem ein Bild schenkt, wie dilettantisch es auch gemalt ist. Man freut sich, weil das Kind einem durch das Geschenk seine Zuneigung zeigt.
Ein Mann, der für mich kocht, ist mir lieber als einer, der mir eine Delikatessenplatte von Catering Service holt, auch wenn das Essen misslungen ist. Er zeigt damit, dass ich es wert bin, dass er Zeit für mich aufbringt. Es ist im Normalfall ein größerer Liebesbeweis als ein gebrachtes Essen. Wenn er allerdings weiß, dass ich selbst gekochte Essen überhaupt nicht mag, aber es mein größter Wunsch ist, eine Delikatessenplatte zu bekommen, ist das auch ein Liebesbeweis, weil er sich ja Gedanken über mich macht. Er zeigt mir dadurch seine Wertschätzung. Falls der Fahrer die Delikatessenplatte unterwegs durch einen Unfall verliert, ist die Bemühung nicht weniger wert.
Ich finde nicht, das das eine reine Floskel ist. Gut, wenn mir meine Verwandten wieder einmal ein total unpassendes Geschenk machen, obwohl sie mich schon ziemlich lange kennen und eigentlich wissen sollten, wofür ich mich interessiere und wofür absolut gar nicht, und ich dann sage, dass es eine nette Geste war mir dieses Geschenk zu überreichen, dann ist es wirklich nicht mehr als eine Floskel, denn in Wirklichkeit bin ich enttäuscht, dass man mich nicht besser einschätzen konnte und vermute vielleicht sogar, dass man mir absichtlich etwas bestimmtes geschenkt hat um mich in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Wenn mir jemand das gleiche Geschenk gemacht hätte, diese Person mich aber gar nicht richtig kennt, dann hätte ich mich allerdings über diese Geste sehr gefreut! Das Geschenk berührt mich noch immer nicht, denn es passt einfach überhaupt nicht zu mir, aber in diesem Falle hat man gezeigt, dass man an mich gedacht hat und das man mir einfach eine Freude machen möchte. Oder zumindest, dass man höflich sein möchte und ein Gastgeschenk mitbringt. In diesem Falle könnte man auch sagen, dass mein Gast "versagt" hat, aber dennoch ist die Geste sehr lobenswert.
Und auch beim Sport und in der Schule finde ich es wichtiger, dass man sich auch wirklich Mühe gibt, als dass man nun besonders gut abschneidet. Eine Note, für die man absolut nichts getan hat, ist für mich viel weniger Wert als eine Note, für die man sich so richtig bemüht hat. Und wenn es auch nur eine schlechte Note ist, man hat sich wenigstens angestrengt und ist vielleicht deswegen am Thema vorbei gerannt oder hat das eigentliche Ziel leicht aus den Augen verloren. Das ändert aber ja nichts daran, dass man gute Absichten hatte und sich bemüht hat. Beim nächsten Mal muss man dann allerdings gut aufpassen, damit man sich nicht wieder verrennt.
Ich kann mit Sicherheit sagen, dass für mich tatsächlich die Geste unglaublich viel zählt und möglicherweise sogar überhaupt der Stein des Anstoßes oder der Kern von allem ist. Die eigentliche Handlung ist gar nicht der ausschlaggebende Punkt, obwohl diese natürlich auch rühren kann, wenn sie denn ausgeführt wird. Aber allein der Gedanke dahinter, möglicherweise ein ganzer Gedankengang, der auf verschiedenen Empfindungen beruht, die mit dieser geplanten Handlung ausgedrückt werden sollen, ist doch der eigentliche Motor der letztendlichen Aktion, die bei bloßem Vorhandensein der Geste aus irgendwelchen verhindernden Gründen nicht ausgeführt wurde.
Gestern habe ich etwas erlebt, das mich in dieser Hinsicht eigentlich wieder ziemlich aus der Bahn geworfen hat. Ich war mit meinem Ex-Partner unterwegs, von dem ich mich vor einem Monat getrennt habe und wir wollten Eisessen gehen. Auf dem Weg zum Eiscafé kamen wir auf meinen kürzlichen Geburtstag zu sprechen, oder besser gesagt: Er fing an, von meinem Geburtstag zu sprechen. Da ich wusste, dass er einmal angedeutet hatte, dass er mir irgendetwas Besonderes schenken will und ich mir nicht sicher war, ob das, was ich von ihm letztendlich bekommen habe, wirklich das war, was er ursprünglich im Sinn gehabt hatte, habe ich ihn gestern einfach mal gefragt, was er mir eigentlich schenken wollte, denn irgendwie wurde deutlich, dass er mir das gestern verraten wollte.
Er sagte dann, dass er zwei Ideen hatte, von denen er eine auch schon umgesetzt, aber eben nicht bis zum Schluss durchgezogen hat: Ich hatte ihm vor etwas über einem Jahr mal, als wir noch gar nicht zusammen waren, einen Ring gezeigt, der mir unglaublich gut gefällt und ein halbes Vermögen kostet, jedenfalls an meinem Einkommen gemessen. Er hat mir gestern nun erzählt, dass er mir diesen Ring schenken wollte und ihn auch schon zu Hause bei sich liegen hatte. Da er meine Ringgröße allerdings nicht kennt, hat er mit dem Schmuckhändler wohl auch schon vereinbart, dass er diesen Ring zurückbringen kann, wenn er mir nicht passen sollte, um ihn in ein passendes Modell umzutauschen. Ehrlich, das hat mich zutiefst gerührt und ich musste wirklich meine Reaktion kontrollieren. Ich bin ja eigentlich heilfroh, dass er diesen Plan nicht umgesetzt hat, denn vor allem vor dem Hintergrund unserer Trennung hätte ich diese Schenkung natürlich ablehnen müssen. Allerdings bin ich mir, und das sagte ich ihm gestern auch, nicht einmal sicher, ob ich diesen Ring hätte annehmen können, wenn wir noch zusammen gewesen wären, als ich Geburtstag hatte. Allein diese ganzen Gedanken, die er sich um den Ring herum allerdings gemacht hat und die Tatsache, dass er sich an diesen Ring noch genau erinnern konnte, hat mich allerdings wirklich so gerührt als hätte er mir eben diesen Ring gestern geschenkt. Um den Ring selbst geht es mir dabei offenbar gar nicht, jedenfalls nicht in Verbindung mit dieser Hintergrundgeschichte.
Es gibt noch diverse weitere Anekdoten, die ich erzählen könnte und die mit großen Gesten zu tun haben. So fällt mir zur Zeit auch immer mal wieder ein, dass mein Chef sich Anfang des Jahres sehr engagiert hat, als ich eine eigene Wohnung gesucht habe, die er wohl unbedingt für mich finden wollte. Jedenfalls hat er wirklich alles mögliche in Bewegung gesetzt und irgendwann selbst die einschlägigen Online-Immobilienbörsen bemüht, um eine passende Wohnung für mich zu finden, er wusste die Eckdaten, die ich suche und hatte auch noch im Kopf, welche Kaltmiete und welche Nebenkosten ich bezahlen kann und will. Im Endeffekt hatte ich dann einfach mehr Glück und habe selbst eine Wohnung gefunden, aber es ist mir nicht entgangen, dass mein Chef doch ziemlich enttäuscht war, nicht weiterhelfen zu können. Er hat aber weitergeholfen, nämlich dadurch, dass er gezeigt hat, wie sehr er sich dafür interessiert, dass ich irgendwie weiterkomme und Hilfe erfahre, dass ich nicht allein bin und mich auch nicht so fühle. Die Geste ist hier das Entscheidende, wie so oft.
Dass es sich bei all solchen Gesten nur um Floskeln handelt, wenn ich sage, dass diese zählen und nicht eben ihr Ergebnis oder die genaue Ausführung, dann ist das für mich schlichtweg eine Tatsache. Es ist für mich entscheidend, dass jemand wirklich will und bereit ist, dass ich Menschlichkeit spüren kann und Hilfsbereitschaft, Anteilnahme und Mitgefühl. Das alles gibt mir ein Gefühl, geliebt zu werden und nicht egal zu sein, unwichtig oder unentscheidend. Ich spiele im Leben verschiedener Menschen eine Rolle, die nicht geringfügig ist, und all das wird mir durch solche Gesten doch so deutlich vor Augen gehalten. Wie das für mich nicht zählen und ausschließlich ausschlaggebend sein könnte, weiß ich nicht, ich wäre aber wohl ziemlich ignorant, wenn ich all das nicht zählen lassen würde.
Ja, ich muss sagen, dass mir in manchen Situationen wirklich eine Geste oder eine Bemühung mir sehr viel bedeutet. Nicht alles würde ich so sehen, insbesondere dann nicht, wenn man mich gut kennt oder meint, mich gut zu kennen und man dann doch völlig daneben liegt. Es ist ja nicht böse gemeint, das weiß ich, aber bei solchen Situationen habe ich mich schon sehr oft gefragt, ob man mich wirklich eher schlecht kennt oder ob man mich einfach nur foppen wollte. Ich muss auch sagen, dass es darauf ankommt, von wem eine Bemühung gekommen ist und es davon abhängig mache.
Mir bedeuten Gesten vor allem dann etwas, wenn ich nicht damit rechne und völlig überrascht werde. Dabei ist es in meinen Augen auch egal, von wem es kommt. Das Mitbringen einer nicht gemochten Schokolade ist natürlich in Ordnung, aber nicht gleich das, worüber ich mich nun einen Ast freuen kann. Handelt es sich dabei aber um eine seltene Schokolade, weil man diese beispielsweise gar nicht in unseren Breitengraden erhalten kann, ist es wieder etwas anderes.
Auch bei Kindern ist es so, dass ich die eine oder andere Geste als unglaublich liebevoll und völlig überraschend empfinde. Dabei ist es noch nicht einmal wichtig, ob man ein Bild gemalt hat und man darauf nicht viel erkennen kann, oder ob es eine Bastelarbeit ist, die krumm und schief geworden ist und so weiter. So etwas empfinde ich als sehr nett und eben auch nun einmal süß, sodass ich eben die Bemühungen, die dahinter stecken auch als positiv bewerten kann.
Nun habe ich ja eher den privaten Bereich angesprochen und ja, da zählen eben solche Bemühungen mit der Berücksichtigung von gewissen Umständen einfach etwas mehr. Im beruflichen, schulischem oder studentischem Leben kommt es auf die Situation an. Ich muss sagen, dass ich beispielsweise ja in der Schule allein schon aufgrund meines Gewichtes immer schlechter im Sportunterricht bewertet worden bin, man hat eben die Leistung nicht gesehen, die ich hätte erbringen sollen. Nachdem ich aber nach Beendigung der allgemeinbildenden Schule auf eine andere Schule gegangen bin, habe ich auch einen anderen Sportlehrer bekommen. Dieser Sportlehrer hat in der Tat eher meine Umstände berücksichtigt, meine Motivation und die Bemühung gesehen und mich eben mit einer durchschnittlichen Note dafür belohnt.
Auch, wenn man vielleicht einige Grenzen überwindet, kann man im Berufsleben durchaus diese erbrachte Mühe bewerten. Ein konkretes Beispiel fällt mir zwar nicht ein, aber wenn man über sich hinaus wächst und man bereit ist, mehr zu leisten, sich um eine Lösung bemüht, die einem einiges abverlangt, kann so etwas schon auch wohlwollend anerkannt werden.
Ich weiß ja nun nicht, ob du deine Gedanken nur auf eine Partnerschaft beziehst, aber hier wurde auch schon das Thema Kinder angesprochen. Ich hatte bereits an anderen Stellen schon mehrmals davon berichtet, dass eine meiner Töchter die Förderklasse für Lese-Rechtschreibschwäche besucht. Da wurde gerade im ersten Jahr der Förderung sehr viel mehr an Lernstoff den Kindern vermittelt, als es ihre gleichaltrige Schwester in der dritten Grundschulklasse hatte.
Beim Zeugnis war meine Tochter nun enttäuscht, weil sie fast nur die Note Zwei bekommen hat. Dennoch weiß ich, dass sie immer bemüht war die besten Leistungen zu erbringen. Daher sehe ich ihr Zeugnis als genauso gut an, als das Einser-.Zeugnis ihrer Schwester. Eben weil ich weiß, dass wesentlich mehr Arbeit in diesen Zensuren steckt.
Auch bei meinem Freund ist mir die Geste oder das Bemühen wichtiger, als das eigentliche Handeln. Selbst wenn es dann misslingt, aber ich werte eben dabei, dass er mir eine Freude machen oder Arbeit abnehmen wollte. Und das sollte man doch auch entsprechend bewerten. Nicht das Ziel allein ist wichtig, sondern auch der Weg dahin.
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