Muss ein Lehrer wirklich alles wissen?

vom 02.08.2012, 08:05 Uhr

In der Uni unterhielten sich letzten ein Professor und seine Angestellten darüber, dass ein Lehrer alles wissen müsse und jede Frage der Schüler ad hoc beantworten können müsse. Das Gespräch ging ziemlich lange und sie meinten, dass ein Lehrer, der nicht alle Fragen beantworten könne, keinen Respekt erfahren würde.

Bereits Anfang 1900 sagte Berthold Otto, dass ein Lehrer nicht vorheucheln müsse, dass er alles wisse, da es immerhin auch kein abgeschlossenes Weltbild geben würde. In dem Punkt stimme ich ihm zu, die Wissenschaft entdeckt doch immer neue Sachen, so wie jetzt in der Physik das Higgs-Teilchen gefunden wurde. Wenn man glauben würde, unser Weltbild sei abgeschlossen, hätte niemand auch nur ein Anzeichen für die Existenz eines Higgs-Teilchens gesehen, weil wir ja bereits alles wissen würden.

Ich persönlich finde es völlig legitim, wenn man sagt, dass man adhoc keine zufriedenstellende Antwort geben kann, man sich aber gern nochmal schlau machen würde und die Frage in der nächsten Stunde beantworten würde. Natürlich sollte das nicht beim aktuellen Thema passieren. Aber so wie das Gespräch an der Uni war, müsse man also auch, wenn in der 5. Klasse die Frage nach einem Thema der Oberstufe gestellt würde, diese Frage adhoc beantworten können, auch wenn man den Stoff in letzter Zeit gar nicht behandelt hat.

Auch gerade in den Wissenschaften kann ich doch nicht immer auf dem neuesten Stand sein oder jedes noch so weit entfernte Randgebiet akribisch studiert haben. Immerhin gibt es da ja auch Fächerübergreifungen und Gebiete, die abseits des Schulstoffs liegen. Kann man das alles wissen?

Wie seht ihr das? Muss ein Lehrer roboterhaft auf jede Frage eine Antwort wissen? Darf einem da nichts entfallen? Zeigt es nicht auch Menschlichkeit, wenn man eben nicht alles adhoc weiß?

» musicality » Beiträge: 809 » Talkpoints: 1,77 » Auszeichnung für 500 Beiträge



So ein Unfug! Ein Lehrer ist ein Mensch und kein Gott. Ein Mensch kann nicht alles wissen. Ein Lehrer weiß zum Beispiel nicht, welche großartige Entdeckung gerade eben der Physiker A. E. in Australien gemacht hat. Mathematische Fragen sind teilweise gar nicht beantwortbar. In jedem naturwissenschaftlichen Gebiet gibt es viel mehr offene als beantwortete Fragen. Jede beantwortete Frage wirft eine neue auf.

Auch Deutschlehrer können nicht alles wissen, sie können ja nicht alle Daten aller Lebensläufe aller Schriftsteller im Kopf haben, noch nicht einmal die der größten deutschen Schriftsteller, wie Goethe und Schiller. Ein Lehrer macht ein wissenschaftliches Studium und zusätzlich noch ein Didaktik-Studium.

Ich würde von einem Lehrer gar nicht erwarten, dass er alles in seinem Fachgebiet weiß, weil man nichts Unmögliches von ihm erwarten kann. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt,d err das von einem Lehrer erwartet.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich finde, dass ein Lehrer nicht alles wissen muss. Ein Lehrer sollte sich in seinem Fachgebiet zwar natürlich schon überdurchschnittlich gut auskennen, aber alles wissen kann er gar nicht. Ein Lehrer ist immerhin noch ein Mensch und kein wandelndes Lexikon.

Als ich ein Semester Lehramt studiert hatte, wurde diese Frage auch öfters aufgegriffen. Uns wurde dabei gesagt, dass es kein Problem ist, wenn man als Lehrer mal etwas nicht weiß. Wichtig sei nur, dass man dabei ehrlich gestehen würde, etwas nicht zu wissen. Außerdem solle man sich später über das informieren, was man nicht gewusst hat und sich das Wissen aneignen. Am nächsten Tag solle man den Schülern dann die Antwort auf die Frage geben.

Wenn ich recht überlege, gab es bei uns auch ziemlich oft Fälle, in denen Lehrer die Antwort auf eine Frage nicht wussten. Vor allem auf dem Gymnasium war es dann so, dass die Lehrer mit manchen Fragen schlicht überfordert waren. Gemeinsam mit den Schülern spekulierten und diskutierten sie dann aber über mögliche Antworten. Das hat sie, wie ich finde, sehr sympathisch wirken lassen.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Vielen Dank für eure Antworten. Sie beruhigen mich schon ein wenig, da bei diesem Gespräch auch Mitstudenten zugestimmt haben, dass ein Lehrer alles wissen müsse.

anlupa hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt,d err das von einem Lehrer erwartet.


Jener Professor tut es. Ich hatte im letzten Semester ein "Streitgespräch" mit ihm, weil ich schlichtweg der Meinung war, dass Lehramtsstudenten diesen hochgradigen Theoriekram nicht brauchen und wir gar nicht beide Klausuren bestehen können (das Modul bestand aus 2 Vorlesungen), wenn nur 1 Übung Pflicht sei. Das war ihm aber völlig egal. Wenn es nach ihm ginge, müssten wir noch viel mehr Theorie hören. Viel mehr Stoff behandeln, der fernab von jeglichem Schulstoff liegt. Es hat mich damals schon sehr frustriert, dass einem so viel abverlangt wird, was man im Beruf gar nicht nutzen kann. Aber all das hat mich immer mehr zu der Meinung gebracht, dass ich nicht alles wissen kann.

» musicality » Beiträge: 809 » Talkpoints: 1,77 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich denke als Lehrer muss man schon auf einem guten Stand mit seinem Wissen bleiben und sich eben auch weiterbilden. Man kann ja aber nicht verlangen, dass ein Lehrer alles weiß. Ich denke daher, dass es sicher auch möglich ist, als Lehrer, dass man sagt, das man nachsieht und dann am nächsten Tag auf die Frage antwortet.

Ich hatte auch mal eine Frage, die mir nicht gleich beantwortet werden konnte. Ich wollte eine Übersetzung für ein doch nicht so oft verwendetes deutsches Wort ins Englische. Meine Lehrerin hat dann eben in ihrem Wörterbuch nachgesehen und es auch dort nicht gefunden, worauf sie das Wort auch gleich im Internet nachgesehen hat. Ich habe das wirklich toll gefunden. Denn es zeigt ja einem Schüler, dass der Lehrer auch menschlich ist und das er sich auch um einen bemüht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Natürlich ist niemand allwissend und dein Professor scheint ja irgendwie auch ein bisschen realitätsfremd zu sein, wenn ihm das lernen von Theorie, die keinen praktischen Nutzen im späteren Beruf hat, so wichtig ist.

Ich denke aber schon, dass ein Lehrer auf jede Frage eine Antwort haben sollte. Man kann ja eine Frage auch beantworten, indem man dem anderen sagt, dass man darauf im Moment keine genaue Antwort hat, dass man bis zur nächsten Stunde nachschauen wird oder, dass es darauf aktuell überhaupt keine fundierte Antwort gibt, weil die Wissenschaft noch am Anfang steht. Ich denke, dass es für die Schüler viel wichtiger ist zu sehen, dass ihre Fragen ernst genommen werden, als einen Lehrer zu haben, der einfach nur Wissen wiederkäut.

Und zum respektiert werden gehört doch mehr als angelesenes Wissen. Wenn ich an meine Schulzeit zurück denke, ich habe eigentlich die Lehrer am meisten respektiert, die nicht mit ihrem Wissen vor der Klasse geprahlt haben. Der Grund, warum ich den Physikunterricht so toll fand, war zum Beispiel ein Lehrer, der uns nie das Gefühl gegeben hat uns weit überlegen zu sein. Wenn wir Versuche gemacht haben war er genauso gespannt wie wir, was dabei heraus kam und man hat gemerkt, dass ihm das selber immer noch großen Spaß macht. Wenn ich einen Lehrer gehabt hätte, der sich gelangweilt daneben gestellt hätte, weil er ja eh schon alle Antworten hat, hätte sich das sicher auch negativ auf meine Begeisterung für das Fach ausgewirkt.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich sehe es wie Cloudy24. Ein Lehrer muss nicht alles wissen. Niemand kann alles wissen, auch nicht auf seinem Fachgebiet. Aber gerade ein Lehrer sollte zu allem was zu sagen haben und er sollte entweder einen kennen, der es weiß, oder wissen, wo es steht. Auf diese Weise gehe ich mit meinem ungepflegten Halbwissen auch durch die Welt.

Die einzige Erkenntnis, die ich bisher gewonnen habe und da bin ich nicht der erste: Das einzige, was ich weiß, ich weiß gar nichts. Und je mehr ich zu wissen glaube, desto mehr schwarze Löcher tun sich links und rechts des Weges auf. Überhaupt erweist sich doch vieles von dem, was wir heute noch zu wissen glauben, morgen schon als heiße Luft, oder fremdgesteuertes Wissen. Und meist geht unser Wissen auch nicht sehr tief, es ist eher ein wie ein sich langsam bewegender dicker Ölfilm auf einem Meer der Unkenntnis. Und im Grunde geht es einem Lehrer da auch nicht anders. Im Gegenteil, er hat es schwerer, weil er den ganzen Mist irgendwie zusammenhalten muss und ständig so tun muss, als würde er beim Schwimmen keine nassen Füße kriegen.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Niemand kann alles wissen. Dazu bräuchte er mehrere Leben und nicht nur eins. Aber auf seinem Fachgebiet sollte er zumindest fit sein. Das heißt nicht, dass er alles wissen muss, aber das heißt, dass er viel wissen sollte. Und es gibt einfach mal auch Standartfragen und die sollte jemand, der vielleicht schon 20 Jahre unterrichtet dann schon drauf haben.

Vor allem sollte ein Lehrer aber auch zugeben, wenn er mal etwas nicht weiß und es dann in der nächsten Stunde noch einmal von sich aus aufgreifen und besprechen. Es ist keine Schande, wenn man nicht alles weiß, aber ich finde es immer nicht gut, wenn dann um den heißen Brei herum geredet wird oder die Sache auch einfach mal totgeschwiegen wird. Das zeichnen dann nicht gerade einen guten Lehrer aus. Wir hatten auch mal einen Lehrer, der hatte wirklich auf jede Frage eine Antwort und Nachforschungen (ja, er hat uns dadurch sogar dazu gebracht, die Richtigkeit seiner Aussagen zu überprüfen obwohl wir sein Wissen nie wirklich in Frage gestellt haben) haben ergeben, dass auch alles vollkommen richtig war. Ich muss ehrlich sagen, dass wir doch alle zutiefst beeindruckt waren und ja, dadurch hat er sich gleich noch mehr Respekt verdient. Also Wissen ist schon Macht und Respekt und das kann ich nicht abstreiten.

Ein Lehrer, der auf vieles eine Antwort hat, wird also in meinen Augen schon glaubwürdiger als ein Lehrer, der ständig sagen muss, dass er das selber noch einmal nachgucken muss. So ein Exemplar hatten wir auch und als Lehrer war er nicht wirklich hoch angesehen, weil zum Teil die Schüler mehr wussten und das kann es dann ja auch nicht sein.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Die Frage hast du dir doch eigentlich schon selbst beantwortet, oder? Selbstverständlich kann und muss ein Lehrer nicht alles wissen, da dies auch gar nicht möglich ist. Ständig gibt es neue Entwicklungen, Theorien, Entdeckungen, etc. Hinzu kommt sicherlich auch noch, dass man sich, selbst wenn man sich bemühen würde, immer auf dem neusten Stand zu sein, selbst überfordern würde. Niemand kann auf allen Gebieten der Wissenschaft alles wissen, das ist nahezu unmöglich. Selbst wenn man sich nur auf das Gebiet beschränken würde, welches man selbst Unterrichtet, gibt es hier etliche Dinge, die man selbst weder wissen kann noch wissen muss.

Aus meiner Schulzeit erinnere ich mich auch noch sehr gut an den Physik- und Biologie-Unterricht, wo wir unseren Lehrern auch häufiger mit Fragen kamen, wo diese auch erst mal recherchieren mussten und manchmal gar nicht erst mit einem Ergebnis ankommen konnten, weil sie es schlichtweg nicht wussten und auch keine Ahnung hatten, wie sie dies in Erfahrung hätten bringen sollen.

Klar sollte ein Lehrer die Grundlagen aus dem Gedächtnis beherrschen und ein Mathe Lehrer sollte zum Beispiel Formeln herleiten können, da dies einfache angewandte Mathematik ist, aber in der Theorie kann man sich einfach nicht alles behalten. Wer also zumindest praktisch alles auf dem Kasten hat, ist für mich ein guter Lehrer, der seine Jahre an der Universität nicht verschwendet hat.

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» damomo » Beiträge: 3334 » Talkpoints: -0,80 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Wenn der Professor an der Uni recht hätte, würden alle Lehrer durchfallen bei einem Test. Denn nicht einer kann wird wissen. Er mag noch so schlau und belesen sein, aber alles wissen kann er wirklich nicht. Ein Lehrer, der etwas nicht weiß und dann sofort sagt, dass es es nicht weiß, aber nachsehen und das in der nächsten Stunde besprechen wird, ist glaubwürdig. Während jemand, der versucht sich herauszureden, nicht ernst genommen werden kann.

@anlupa, klar ist, dass auch ein Deutschlehrer Lücken hat und nicht alle Daten der Schriftsteller im Kopf haben kann. Aber du erwähnst Goethe und Schiller. Das allerdings erwarte ich von einem Deutschlehrer, diese Daten im Kopf zu haben. Ich glaube nicht, dass ein Lehrer damit überfordert wäre. Wir mussten sie auch lernen und dann später im Kopf haben, so viel verlangt ist das nun wirklich nicht.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


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