Wie versteht man bloß diese Reiseabbruchversicherungen?

vom 10.07.2012, 18:57 Uhr

Sicher hat der ein oder andere von euch schon eine Reiserücktrittkosten- oder Reiseabbruchversicherung abgeschlossen. Diese Dinger sollen einen vor finanziellem Schaden schützen, falls man - ich formuliere mal ungenau - z. B. aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses, wie einem gebrochenen Bein, die Reise abbrechen muss. Der Abbruchgründe gibt es allerdings viele: Das Arbeitsamt hat plötzlich einen Job für den Arbeitslosen, die Wohnung säuft wegen eines Gewitters vollkommen ab, die Oma ist gestorben usw. Das sind alles weitgehend klare Fälle. Ein weites Feld sind allerdings die Fälle von krankheitsbedingten Abbrüchen. Und da ergeben sich dann natürlich auch diverse Probleme.

Stellen wir uns mal vor, Herr Tourister will in den Urlaub fahren. Seine alte Mutter lag bis vor 4 Wochen mit diversen Wehwechen im Krankenhaus. Wasser in den Beinen und in der Lunge, das Herz und die Nieren haben dementsprechend auch schon so ihre Schwierigkeiten gehabt und insgesamt hat die alte Dame schon ziemlich abgebaut. Aber nach mehreren Wochen Krankenhaus kommt Mutter Tourister aus dem Krankenhaus nach Hause. Sie kommt nicht mehr ganz alleine zurecht, hat sich aber in den letzten 4 Wochen leidlich berappelt. Sie ist weiter in ärztlicher Behandlung, einmal in 14 Tagen kontrolliert der Arzt ihren Zustand. Akut lebensbedroht ist sie nicht, die Probleme sind mit Medikamenten unter Kontrolle.

Also bucht Herr Tourister einen Urlaub und sagt 1 Woche später: "Adios!" Nach 8 Tagen ruft ihn sein Bruder an und teilt mit, dass Mutter Tourister wieder Wasser im ganzen Körper hatte und seit gestern im Krankenhaus liegt. Der Arzt hätte mitgeteilt, die Sache sei nun lebensbedrohlich und es wäre besser, die Familie würde nun zum Abschied bereitstehen. Herr Tourister bricht den Urlaub ab, muss nun zusätzlich einen teuren, plötzlichen Rückflug buchen. Er wähnt sich aber finanziell geschützt, da er eine Reiseabbruchversicherung hat.

Nun stellen wir uns 2 unterschiedlich formulierte Versicherungen vor und fragen uns, wie das unter den o. g. Umständen zu verstehen ist:

Versicherung 1 - Hansa Orion
Versichert ist eine unerwartete und schwere Erkrankung. Die Versicherung leistet nicht, wenn der Versicherungsfall vorhersehbar war. Nicht versichert ist eine Erkrankungen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung bekannt war und die in den letzten 6 Monaten vor Abschluss behandelt worden ist.

Versicherung 2 - ACDA
Erkrankt ein naher Verwandter lebensgefährlich und man muss außerplanmäßig heimreisen, dann zahlt die Versicherung bis 2600€. Der Grund für die außerplanmäßige Heimreise ist nachzuweisen.

Im Kern geht es also darum, ob Herr Tourister bei einer, beiden oder keiner der Versicherungen einen Anspruch auf Rückerstattung der Rückflugkosten hat? Was sagt euch euer gesunder Menschenverstand? Was das Bauchgefühl? Oder habt ihr diesbezüglich sogar praktische Erfahrungen?

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Bei der ersten Versicherung würde ich ganz klar sagen: Nein, die Versicherung kommt nicht auf, da die Krankheit ja bereits bekannt war, wenn auch nicht der erneute Ausbruch. Außerdem bezieht man sich hier wohl nicht auf mögliche Erkrankungen Angehöriger, sondern auf die des Reisenden.

Bei der zweiten Versicherung steht nichts davon, dass die Krankheit nicht bereits bekannt sein darf, also würde ich sagen, sofern es nachgewiesen werden kann, haftet hier die Versicherung. Natürlich kann es auch hier noch irgendwelche Ausnahmeregelungen o.Ä. geben.

» thairu » Beiträge: 184 » Talkpoints: 8,77 » Auszeichnung für 100 Beiträge


thairu hat geschrieben:[...]Bei der zweiten Versicherung steht nichts davon, dass die Krankheit nicht bereits bekannt sein darf, also würde ich sagen, sofern es nachgewiesen werden kann, haftet hier die Versicherung. Natürlich kann es auch hier noch irgendwelche Ausnahmeregelungen o.Ä. geben.


Genau so habe ich das eigentlich auch gesehen. Konkrete Ausnahmeregelungen für die Versicherungsbedingungen gibt es aber nicht. Wenn man aber weiß, dass heute so gut wie alle dieser Reiserücktritt- und Reiseabbruchversicherungen so formuliert sind, wie im Fall 1, dann wäre eine solche Reiseabbruchversicherung wie im Fall 2 eigentlich ein ziemlicher Knaller. Zwar ist diese Versicherung mit 2600 € summenmäßig recht niedrig begrenzt, aber damit lässt sich durchaus ein Rückflug für 2 Personen aus dem weiteren Ausland organisieren.

Um der Sache mal etwas mehr Fleisch zu geben, habe ich aus der Theorie gerade Praxis gemacht und habe mal mit dem Verkäufer der Versicherung 2 ein längeres Gespräch geführt, weil mich der konkrete Fall interessiert. Er brauchte seine Zeit, bis er die Problematik vollumfänglich verstand, versicherte mir dann aber, nachdem er sich rückversichert hatte, dass es tatsächlich nur darauf ankomme, dass eine lebensbedrohliche Situation vorläge. Hier wird es dann wohl auf die Zusammenarbeit zwischen attestierendem Arzt und der Versicherung ankommen. Wobei aber - und das ist nur meine persönliche Sicht - auch das fraglich ist. Wenn ein Begriff in den AGB nicht definiert ist, dann ist er durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist dann, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer so eine Klausel bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung und Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs verstehen muss. Und da ist dann noch ein wenig Gummi für den Versicherungsnehmer. Aber natürlich bleibt immer ein Risiko und es kommt immer auf den Einzelfall an. Aber die telefonische Auskunft war, die Vorerkrankung würde hier dann keine Rolle spielen, im Gegensatz zu Fall 1.

Insgesamt bin ich erstaunt, dass es eine Versicherung wie diese im Fall 2 gibt, aber sie leistet natürlich insgesamt auch nicht so viel, wie eine Reiseabbruchversicherung leistet.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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