Verhalten auf Konzert - Wie würdet Ihr reagieren?

vom 07.07.2012, 09:12 Uhr

Ich habe letztes Wochenende etwas erlebt, worüber ich bestimmt noch eine Weile nachdenken werde. Wir waren auf einem Grönemeyer-Konzert auf der Lorelei, was auch ganz toll war. Die Akustik war klasse und Herbert ja sowieso. Bei der Location handelt es sich um eine Naturbühne. Es sieht aus wie in einer Arena, die Sitze bzw. eher lange Reihen, sind aus Stein und sind wie in einem Halbkreis um die Bühne errichtet worden. Nun ja, es waren ca. 15.000 Menschen da und damit ausverkauft. Es war auch sehr warm und schwül. Wir saßen so ziemlich in der Mitte und vor uns ist ein großer und schwerer Mann umgefallen.

Zum Glück waren dann direkt ein paar Sanitäter in der Nähe, die sich zu dem Mann "vorgearbeitet" haben. Als er dann mit der Trage aus der Menschenmasse heraus transportiert werden sollte, ist dann der Mann zwei Reihen neben mir ausgerastet. Er wollte einfach keinen Platz machen und schrie die Helfer an, sie sollen woanders lang gehen. Er hätte nicht umsonst 60,00 EUR fürs Ticket gezahlt und er würde keinen Platz machen. Ich war echt unglaublich schockiert von dem Verhalten und konnte das gar nicht verstehen. Da braucht ein Mensch Hilfe und es zählen vielleicht Sekunden und dann so was. Da kriegt man doch richtig Angst. Was ist, wenn man selbst einmal Hilfe braucht? Mein Mann meinte dann später, dass man den auch wegen unterlassener Hilfeleistung hätte anzeigen können.

Und auch sonst war das Verhalten einiger Leute dort extrem rücksichtslos. Viele haben die Treppen zu den Getränkeständen blockiert und man wurde nur widerwillig vorbei gelassen, wenn man sich was zu trinken holen wollte. Von den Toiletten gar nicht zu sprechen. Versteht mich nicht falsch, ich war das erste Mal auf einem Konzert und fand die Musik grandios, aber das hat mir zu denken gegeben. So hätte ich das nicht erwartet. Was haltet Ihr davon?

» Pommeline » Beiträge: 189 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Das ist leider wieder eines der Beispiele, welches zeigt, dass doch jeden Menschen von Grund auf eine gewisse Portion Egoismus auszeichnet. Mir fällt da sofort ein Beispiel aus meinem Ethik-Unterricht ein, als wir zwei Texte gegenübergestellt haben, die von Nächstenliebe handelten. Freud war der Meinung, dass "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" die falsche Formulierung sei. Er schlug vor, das Gebot in "Liebe deinen Nächsten so, wie dein Nächster dich liebt" zu ändern. Doch dieses Gebot würde auf einem Geben und Nehmen basieren, was gar nicht immer möglich ist und so einer grundlegenden ablehnenden Haltung gegenüber fremden Menschen führen.

Wahrscheinlich vertritt der Mann, von dem du berichtet hast, diese Auffassung. Er fühlte sich nicht mit dem Betroffenen verbunden, es war ein Fremder, somit fühlte er sich auch nicht verantwortlich. Leider ist das, was Freud beschreibt, die Realität. Wer ist schon immer zu Fremden oder zu unfreundlichen Menschen nett? Jeder ist sicher mal in einer Situation, in der er die Schiene "Liebe deinen Nächsten wie dein Nächster dich liebt" fährt und das ist einfach menschlich, allerdings ist es einigen Situationen (zum Beispiel in deiner) sehr unangebracht.

Obwohl wir darum wissen, wie es um die Realtität steht, finde ich es sehr wichtig, sich an Idealen zu orientieren: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Würde man sich wirklich Freuds Idee zum Leitspruch nehmen, würde es Normalität werden, andere Menschen zu verachten, sofern sie nichts zu Geben haben. Und solltest du mal Hilfe brauchen in solch einer Situation, gibt es sicher immer Leute, die ihren Egoismus hinten ranstellen und dir helfen, denn zum Glück sind nicht alle Menschen so wie dieser Mann auf dem Konzert. :)

» Schnuffline » Beiträge: 1019 » Talkpoints: 33,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich finde das Verhalten der betreffenden Personen, aber besonders von dem Mann sehr rücksichtslos. Man ist geneigt, ihnen mal so eine Situation zu wünschen. Es ist sicher schon schwer genug, in einem Konzert umzufallen, wenn dann aber noch keiner Platz machen will, ist das schier eine Katastrophe. Für mich ist so etwas einfach ein Verhalten, was so gar nicht geht. Es ist meiner Meinung nach unterlassene Hilfeleistung und sollte auch bestraft werden. Der Mann kann ja außerdem noch weiter zu hören, auch wenn er zur Seite tritt. Meiner Meinung nach ist sein Verhalten einfach eine Frechheit und ich hätte ihm wahrscheinlich ordentlich die Meinung gegeigt.

Ich bin mir aber sicher, dass das nicht immer so abläuft und es viele Menschen gibt, die Rücksicht nehmen würden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ein Mensch, der Sanitäter nicht durchlässt, macht sich wegen Behinderung von Rettungsarbeiten strafbar. Ich habe keinerlei Verständnis für ein solches Verhalten und kann mir nicht vorstellen, dass es oft vorkommt. Die meisten Menschen sind Gott sei Dank anders, so erlebe ich es zumindest. Jeder kann einmal in eine solche Situation kommen und auf schnelle Hilfe angewiesen sein.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Stimmt, Schnuffeline, zum Glück sind nicht alle Menschen so wie dieser eine Mann auf dem Konzert, aber obwohl ich jetzt schon 28 Jahre alt bin und schon so einiges erlebt habe, hat mich dieses Verhalten sehr nachdenklich gemacht. Auch gab es ja noch andere Leute, die die Treppen blockiert hatten und als man vorbei wollte, waren die auch ziemlich rücksichtslos. Natürlich kann man nicht zu jedem Fremden besonders freundlich sein oder wie auch immer. Das entscheidet ja auch immer die jeweilige Situation.

Trotzdem kann ich von mir behaupten, dass ich hilfsbereit bin und auch einen gewissen Anstand besitze. Liege ich damit falsch, wenn ich das von meinem Gegenüber, egal ob fremd oder nicht, auch erwarte? Natürlich, so ein Konzert, ist ja eher eine Ausnahmesituation und ich weiß auch nicht, wie sich die Leute sonst so im Alltag verhalten.

» Pommeline » Beiträge: 189 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich finde solch ein Verhalten seiner Mitmenschen gegenüber einfach nur egoistisch, schließlich muss die Rettung eines Menschen gewährleistet sein. Es kann ja durchaus auch vorkommen, dass es einem mal selbst schlecht wird und man auf Hilfe angewiesen ist. Es ist echt schlimm, wie rücksichtslos Menschen sein können. Meiner Meinung nach haben solche den Status Mensch nicht verdient. Auf Großveranstaltungen gehe ich daher nur noch sehr ungern, da bei einer so großen Menschenmenge gar kein Miteinander mehr herrscht, sondern jeder nur noch an sich denkt.

Leider musste ich auch solch eine Rücksichtslosigkeit selbst erfahren. Vor etwa 15 Jahren war ich auf einem Volksfest bei einem großen Umzug. Da ich die ganze Zeit über in der Sonne stand, spielte bei mir der Kreislauf verrückt und mir wurde schwarz vor Augen. Da ich mich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, ging ich in die Hocke. Einen Arzt wollte ich nicht. Da ich aber nicht allein war, bat ich meine Mutti, mir am Getränkestand ein Wasser zu holen. Da ich bei enormer Hitze schon öfters die Probleme hatte, wusste ich, dass ich einfach nur Wasser brauchte. Kaum war meine Mutti weg, um mir etwas zu holen, benahmen sich die Leute hinter uns scheußlich und sahen ihre Chance, nun vor an die Absperrung zu gelangen. Dass ich da unten hockte interessierte keinen. Ich hatte echt schon Angst, dass sie noch auf mich traten, um ja alles vom Umzug mit zu bekommen. Als meine Mutti mit dem Wasser zurück kam, hatte sie richtig Probleme, wieder zu mir vor zu kommen. Die Leute haben sich richtig darüber aufgeregt. Ich konnte aber partout nicht weiter und war richtig froh, als ich endlich Wasser bekam.

» Sternchen* » Beiträge: 2804 » Talkpoints: 2,78 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Das tut mir echt Leid, Corona1983, dass du auch schon mal in so einer Situation warst. Dann warst du ja auch noch gar nicht so alt gewesen, als dir das passiert ist. Sehr schlimm, dass die Leute damals auch so reagiert haben. Ich habe vorhin nochmal mit einer Freundin darüber gesprochen, weil mich das einfach nicht so richtig losgelassen hat. Sie meinte auch, dass sie es nicht verstehen kann. Ich werde evtl. in Zukunft auch große Menschenansammlungen meiden. Habe einfach Angst, dass mir das auch einmal passiert.

» Pommeline » Beiträge: 189 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich bin schon auf sehr vielen Konzerten gewesen, aber so etwas habe ich in all den Jahren noch nie erlebt. besonders dann nicht, wenn Sanitäter vorbei müssen, dann macht man doch automatisch Platz und zwar unaufgefordert. Das aber die Treppen mal als Sitzgelegenheiten benutzt werden ist mir auch schon passiert, aber dann bitte ich höflich mich kurz vorbei zu lassen und das hat bisher auch immer sehr gut funktioniert. Ich hoffe doch sehr, dass die Sanitäter noch rechtzeitig bei dem Mann waren, der ihre Hilfe benötigt hat und dass es ihm wieder gut geht. Ich habe auf Konzerten bisher immer nette, höfliche Menschen getroffen, die sich auch immer sehr rücksichtsvoll verhaltenen haben und konnte jedes Konzert, welches ich bisher besucht habe immer sehr genießen.

» HelloKitty34 » Beiträge: 1651 » Talkpoints: 53,78 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich habe auch schon einige Konzerte und größere Feste erlebt. Aber die beschriebene Situation kenne ich selbst auch nicht. Weder als Zuschauer, noch als Betroffener. Gut, betroffen war ich selbst noch nie und auch keine Leute, mit denen ich unterwegs war. Aber es wurde in solchen Fällen zumindest den Sanitätern immer schnell ein Weg gebahnt.

Dass es natürlich auch die berühmten Ausnahmen gibt, will ich damit nicht abstreiten. Aber es sind eben Ausnahmen und man sollte ihnen nicht so viel Aufmerksamkeit schenken. Denn damit würden sie sich noch bestätigt fühlen. Wenn man sie aber verbal und vor allem sachlich angreift, wird man schnell Unterstützer finden. So jedenfalls sind meine Erfahrungen. Zwar in einer anderen Situation, aber wenn erst mal jemand das Wort ergreift ist der Anfang gemacht.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich hätte da auch ein kleines Beispiel anzubringen, welches für mich schon an eine Grenze stößt, die ich mit Worten nicht beschreiben kann. Vielleicht auch deshalb, weil es mich ,persönlich, emotional getroffen hat.

Mein Stiefvater, zu dem ich einen recht guten Kontakt hatte, war damals über drei Monate in Thailand und hatte sich dort so eine Hütte direkt am Strand gemietet. Er wollte damals die Zeit nutzen, um sich von einem Unfall zu erholen den er zuvor erlitten hatte. Am Tag seiner Abreise stieg er ins Flugzeug und erlitt auf dem Rückflug, über indischem Gebiet, einen Herzinfarkt und verstarb noch im Flugzeug. Der Flieger musste in Kalkutta Notlanden und der Weiterflug verschob sich um 1-2 Stunden. Während dieser Wartezeit regten sich ein paar Passagiere fürchterlich darüber auf, dass sie nun zu spät zu Hause ankommen würden und dass sie keine Möglichkeit hätten ihren Familien oder wem auch immer Bescheid zu sagen. Als ich das hörte, bin ich innerlich so ausgeflippt, dass ich nicht mal ein Wort raus brachte.

Ich kann bedingt verstehen, dass Leute sich aufregen wenn durch die Zeitverzögerung mögliche Anschlussflüge nicht erreicht werden können und dadurch die gesamte Verweildauer in die Länge gezogen wird. Hier ging es aber um ein Menschenleben und mit Absicht hat sich mein Stiefvater den Tod sicher nicht herbeigewünscht. Ja natürlich, die Anderen kannten ihn nicht, was geht es sie also an aber ein gewisses Maß an Menschlichkeit darf man da doch verlangen? Also das fand ich schon sehr übel.

Unabhängig davon, erlebe ich es aber auch immer mehr, dass sich das Grundverhalten der Menschen sehr verändert. Es interessiert sich niemand mehr für den der neben einem steht und wenn der zusammenbricht, dann ist halt Pech. Ich bin damals anders aufgezogen worden und wenn vor mir jemand zusammenbricht oder auch auf der anderen Straßenseite, versuche ich zu Helfen. Irgendwann werde ich vielleicht mal derjenige sein der darauf angewiesen ist, dass jemand zur Hilfe eilt. Ich finde so ein Verhalten echt schlimm.

» Vancouver » Beiträge: 266 » Talkpoints: 1,02 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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