Verniedlichung von Alltagsbegriffen

vom 03.07.2012, 20:49 Uhr

Auch bei meinem Beitrag geht es um das Thema „Verniedlichungen“. Der Fall, den ich beschreiben möchte, liegt nun zwar schon knapp 25 Jahre zurück und er belastet mich im eigentlichen Sinne auch nicht, aber ab und zu denke ich noch dran und gerate dann doch ein wenig in Rage, weil’s damals halt so irre nervig war.

Mir geht es weniger darum, andere zu denunzieren oder schlecht zu machen, ich möchte einfach nur wissen, ob auch andere schon einmal derartige Extremerfahrungen gemacht haben bzw. was andere von dem Fall halten.

Ort der Handlung war mein (damals neuer) Arbeitsplatz, ich kam als junger Techniker von der Schule und wurde einem Mitarbeiter gegenüber gesetzt, der so ca. Anfang 60 war. Der Mitarbeiter stammte ursprünglich aus Österreich, war aber schon seit den 60er-Jahren in Deutschland, so dass man nur hin und wieder an seiner Aussprache bemerkte, dass er kein Einheimischer war. Außerdem hatte ich immer den Eindruck, er traute sich nicht so recht im Dialekt reden und ich vermutete damals, dass das evtl. der Grund für seine „sprachlichen Besonderheiten“ sein könnte.

Zum eigentlichen „Problem“: dieser Mitarbeiter hat nun alles, aber auch wirklich alles, verniedlicht und zu einem großen Teil auch sehr kindlich erzählt. Anhand einiger Beispiele, die sich mir nahezu wortwörtlich eingebrannt haben, möchte ich das mal demonstrieren:

Beispiel 1: „Am Wochenende waren wir so a kleins bisserle im Altmühltal, da bin ich dann mit meiner Frau so a kleins bisserle auf die Wegerle spaziern gegangen. Und am Abend haben wir dann so a kleins bisserle gegrillt, so die kleinen Wurschterle. Und im Kartoffelsalat waren dann so a kleins bisserle die kleinen Speckbröckerle…“

Beispiel 2: Besagter Mitarbeiter ruft während der Mittagspause zu Hause an, weil er kurz Hallo sagen will. Unerwarteterweise ist nicht seine Frau, sondern seine Tochter (Anfang 20) am Telefon, die noch zu Hause wohnt, weil sie noch zur Schule geht. (Wer erinnert sich noch an den Sketch mit Peter Frankenfeld? Ich habe ihn 3 Jahre lang live erlebt): „Ja Hallo, hier der Babba, ja bist Du schon zu Hause? Hast Du schon was gegessen? Was hast Du denn gegessen? Nuderle hast Du gegessen, und a bisserle so a Soßerle…“

Beispiel 3: „Am Sonntag hab ich dann so a bisserle für meine Frau gekocht. Da hab ich dann die kleinen Schweinelenderle gemacht (inkl. schmatzendes Geräusch!). Da waren dann so die kleinen lustigen Pfefferkörnderle im Soßerle und so a paar Kartofferle…“

Beispiel 4: Ich habe mich lange Zeit gewundert, warum in der Nähe meines Arbeitsplatzes eine Plastikschale mit Sand steht. Irgendwann habe dann doch mal gefragt, wozu das gut sei und bekam dann folgende Antwort: „Ja, das war mal für den Herrn H… (mein Vorgänger an dem Arbeitsplatz), der war im Urlaub mal auf Mallorca. Und immer wenn er so a bisserle Sehnsucht hat, dann kann er so a kleins bisserle mit die Fingerle im Sand spielen…“ Sorry, aber in einem unbeobachteten Moment habe ich Plastikschale samt Sand und mittlerweile auch toten Mücken und Staub kurzerhand im Abfall entsorgt!

Wie denkt Ihr alle darüber? Ist so was noch normal? Kann man so was psychologisch erklären? Braucht es dafür überhaupt eine psychologische Erklärung? Eure Meinung dazu würde mich wirklich sehr interessieren.

» Kentucky1667 » Beiträge: 1 » Talkpoints: 0,70 »



Hauptsächlich wurde ja in den gezeigten Beispielen mit dem Attribut "ein bisschen" gearbeitet. Für die und ähnliche Deminutiva gibt es den linguistisch-psychologischen Begriff "captatio benevolentiae", zu Deutsch "Erheischung des Wohlwollens". Oder, dadurch, dass man sich selbst nicht so sehr ins Rampenlicht stellen möchte, wählt man relativierende Formulierungen.

Das sowas genau das Gegenteil bewirken kann, kommt dann dadurch, dass man das schnell als "Masche" erkennt. Bei uns im Betrieb wurde, wenn nicht die verbale Kommunikation aufs knallharte Performative beschränkt war, bei persönlichen Quatschereien so geredet, wie den Leuten "der Schnabel gewachsen" war. Auch Ausländer mit nicht so perfekter Ausdrucksweise wurden nicht ausgelacht deswegen. Das hat man dann halt toleriert. Und wenn einem etwas auf den Nerv ging, haben die Leute das auch schnell gemerkt, wenn keine Antworten mehr kamen, die Konversation erstickt war.

» Gorgen_ » Beiträge: 1139 » Talkpoints: 405,92 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Zumindest in und um Wien sind Verkleinerungen typisch für die Mundart und bringen eigentlich eher Sympathie und Gemütlichkeit zum Ausdruck, als dass tatsächlich eine Verkleinerung oder Verniedlichung gemeint ist. :D

» cooper75 » Beiträge: 13396 » Talkpoints: 513,31 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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