Wie kann man "stolz" auf sein Land sein?

Ab und zu hört man ja von Leuten, dass sie stolz auf ihr Land sind. Ich frage mich dabei immer, worauf diese Personen genau stolz sein wollen. Ich bin der Ansicht, dass zum Stolz auch eine eigene, selbst erbrachte Leistung gehört. Wenn jemand einen guten Schulabschluss erreicht, seine Ausbildung oder sein Studium abschließt oder sich in seiner Freizeit sozial engagiert, kann er mit gutem Recht stolz auf seine Leistung sein. Bürger eines bestimmten Landes ist man hingegen ab dem Tag der Geburt automatisch oder man wird es, indem man in ein anderes Land umzieht und die Staatsbürgerschaft des jeweiligen Landes annimmt. Letzteres kann man zwar aus freien Stücken und Überzeugung tun, aber dennoch sehe ich dahinter keine eigene Leistung. Worauf genau sind Menschen also stolz, die stolz auf ihre Nationalität sind?

Ich lebe gerne in Deutschland und bin froh, dass ich hier geboren wurde und nicht in einem Elendsviertel der dritten Welt. Das sollte man auch immer zu schätzen wissen. Ich bin froh darüber, dass ich in einer Demokratie lebe. Allerdings bin ich nicht stolz darauf, deutscher Staatsbürger zu sein. Dazu habe ich schließlich nichts beigetragen. Ich kann lediglich sagen, dass ich froh bin, in Deutschland zu leben und die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Seid ihr stolz auf eure Nationalität? Oder denkt ihr vielleicht auch, dass zu Stolz auch immer eine eigene Leistung gehört, auf die man stolz sein kann? Dies wäre im Falle der Nationalität nicht gegeben.

Der Nationalstolz hat in erster Linie eine soziale Funktion und soll Menschen zu einer Gemeinschaft auf einem relativ kleinen Nenner bringen. Dieser Nationalstolz ist auch ein wichtiger Bestandteil gewesen, als es darum gegangen ist, die Nationalstaaten zu bilden und damit das Zeitalter der feudalistischen und absolutistischen Gesellschaftsordnung umzustürzen. Das ist gelungen und man kann sagen, dass damit der Zweck und die Idee der Nationalstaaten erfüllt wurde. Ab jetzt kann dieses Konzept als Rückwärtsgewand gesehen werden und Fortschritt wäre, diese Form der Ordnung abzulösen. Leider bedarf es dazu immer einer gewalttätigen Auseinandersetzung, weil die Nutznießer (hier jetzt die Bourgeoisie) sich natürlich ihre gewonnenen Pfründe nicht abnehmen lassen wollen. Ähnlich wie der Adel davor.

Nationalstolz ist zusätzlich ein prima Herrschaftsmittel, weil es nichts kostet und man auch dem dümmsten wie dem ärmsten nahe legen kann, dass er wenigstens seinen Nationalstolz haben kann. Leider geht dem gleich einher, dass dieser Nationalstolz nur funktioniert, wenn dieser sich gegen andere Nationen richtet. Ansonsten würde es im Rahmen einer anerkannten Gleichgewichtigkeit ja keinen Sinn machen! Nationalstolz bedeutet immer die Überhöhung der "eigenen" Nation. Nachdem Nation aber letztlich ein künstliches Gebilde ist, muss es auch künstlich zusammen gehalten werden. Auch dafür gibt es Formeln - und leider bedeuten die, dass ein Gewaltpotential bzw. eine Gegnerschaft aufgebaut werden muss. Die Pfeiler der Nation sind immer mindestens ein äußerer wie ein innerer Feind. Beides muss man sich im Notfall konstruieren und danach kann man sich dagegen abheben bzw. die Nation einen, um gegen diese Feinde vorzugehen.

Jetzt davon zu sprechen, eben auf seine Nation "stolz" zu sein, bedeutet eben das völlige Aufgehen in dieser Masse. Viele Menschen neigen dazu, sich eben ganz aufzugeben und verleugnen ihre Individualität. Man spricht dann von "wir Deutschen". Plötzlich gibt es dann keine Parteien mehr usw. Ebenso beim Fußball, wenn die Vereine praktisch bedeutungslos werden. In meinen Augen ist es ein Armutszeugnis, wenn man eben sich selbst dann als Teil einer künstlichen Masse definiert und keinen Mut zur eigenen Individualität hat. Schließlich steht der Mensch am Ende nicht als Italiener, Deutscher, Engländer oder sonst was da, sondern als einzelner Mensch. Was zu oft zu schnell vergessen wird und dann eben instrumentalisiert wird.

[Gio]

Stolz ist kein Gefühl, das nur auf die eigene Person bezogen ist. Man kann ja auch stolz auf seine Eltern sein, ohne etwas Besonderes geleistet zu haben. Man kann stolz auf eine Gemeinschaft sein, der man sich zugehörig fühlt, auch wenn man persönlich (noch) nichts dazu geleistet hat, aber bereit wäre, etwas dafür zu leisten. Man kann stolz auf seine Schule sein, auf seinen Sportverein, auch wenn man selber am Turnier nicht teilgenommen hat.

Man ist auch stolz auf seine Vorfahren, wenn diese etwas geleistet haben, weil man sich als Teil davon fühlt, auch wenn man zur Leistung nichts beigetragen haben. Zum Beispiel können die Nachfahren der Widerstandsbewegung gegen Hitler stolz auf diese sein. Also kann man auch durchaus stolz auf Deutschland sein, wenn unsere Fußballspieler gut spielen. ich sehe darin nichts Verwerfliches, wenn man auch den Mitgliedern anderer Nationen zugesteht, stolz auf ihr Land zu sein. Man kann ja stolz auf sein Land sein, ohne andere Nationen zu verachten.

[ten points]

Ich bin froh darüber, dass ich in einer Demokratie lebe. Allerdings bin ich nicht stolz darauf, deutscher Staatsbürger zu sein.

Ich glaube, dass genau dies auch mit „stolz auf sein Land sein“ gemeint ist. Da wird der Begriff „Stolz“ wohl synonym damit verwendet, dass man sich, freut, in einem doch ganz gut entwickeltem Land zu leben usw. Genauso wie sich die Fußball-Fans darüber freuen, wenn die Spieler als Repräsentanten Ihres Landes etwas erreichen, was allgemein positiv empfunden wird. Das ist ähnlich wie bei der Heimatverbundenheit mit dem Ort, wo man geboren wurde.