Kölner Landgericht fällt aufsehenerregendes Urteil

vom 26.06.2012, 23:51 Uhr

Auf Wunsch der Eltern hatte Dr. K in Köln den vier Jahre alten Sohn beschnitten. Die Eltern sind Moslems. Es war kein medizinisch notwendiger Eingriff. Zwei Tage nach der Beschneidung kam es zur Nachblutung. Die Eltern brachten das Kind in die Notaufnahme. Die Blutungen wurden gestillt.

Die Staatsanwaltschaft bekam einen Hinweis und die Angelegenheit wurde zur Strafsache. Das Kölner Landgericht fällte jetzt ein aufsehenerregendes Urteil. Der Arzt, Dr. K, selbst Muslim, wurde frei gesprochen. Ferner lautete das Urteil: Minderjährige dürfen aus religiösen Gründen nicht beschnitten werden. Das ist verboten. Ein Eingriff kann nicht durch Religionsfreiheit noch durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt werden. Nach diesem Urteil des Landgerichtes machen sich Ärzte strafbar, wenn sie eine Beschneidung vornehmen. Die Beschneidung wurde am 4.11.2010 vorgenommen.

Obwohl Dr. K freigesprochen wurde, dürfen Kinder nach diesem Urteil in Zukunft nicht mehr aus religiösen Gründen beschnitten werden. Findet ihr das Urteil richtig? Wie seht ihr die Beschneidung von Schutzbefohlenen?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Meiner Meinung nach ist die Beschneidung ein ganz schöner Einschnitt in das Leben eines jungen Kindes. Das Kind kann das gar nicht einschätzen und hat wahrscheinlich sehr starke Schmerzen.

Ich finde aber auch, dass sich ein Richter keinesfalls in eine Religion oder in ein religiöses Verhalten einmischen darf. Es gibt in Deutschland Religionsfreiheit und ich bin mir fast sicher, dass er diesen Prozess gar nicht davon ausschließen kann. Immerhin ist sie Teil eines religiösen Verhalten.

Kann man eine Beschneidung nicht auch später machen? Ist das vorgeschrieben, das man das im Kindesalter machen muss? Ich denke zum Schutz der Kinderseele ist es besser dies erst später zu tun, jedoch will ich mich auch nicht gegen einen Glauben stellen. Wenn dem Kind dadurch ein Schaden entsteht, würde ich es auch nicht wollen. Es ist meiner Meinung nach ein schmaler Grad zwischen Respekt und gesundheitlichen Wohlbefinden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Es geht bei den Eltern in erster Linie um einen religiösen Hintergrund, der in erster Linie beachtet werden sollte. Auf der anderen Seite bedeutet eine Beschneidung ein medizinischer Eingriff. Es ist eine Operation mit einer Narkose, die nicht unterschätzt werden sollte. Ich finde das Urteil sehr gut, denn es schützt die kleinen Kinder. Diese können nicht wissen, was auf sie zukommt und vor allem können sie nicht selber entscheiden. Es ist im ersten Moment keine notwendige Operation und das Leben des Kindes wird auf´s Spiel gesetzt. Das hört sich hart an, aber es ist so. Es sind schon viele aus der Narkose nicht aufgewacht.

Ich finde persönlich, dass so eine Beschneidung erst dann statt finden sollte, wenn das Kind es selber bewusst selber entscheiden kann. Und das ist in meinen Augen erst ab 16 Jahren, frühstens. Kinder müssen geschützt werden, Religion hin oder her. Kinder werden einfach in Narkose gelegt und erhalten eine Operation, gegen die sie sich nicht wehren können. Das sollte immer beachtet werden. Wenn die Familie damit warten würde, bis das Kind selber entscheiden kann, dann ist es auch gerechtfertigt, dass die Beschneidung wegen der Religion durchgeführt werden kann.

» davinca » Beiträge: 2246 » Talkpoints: 1,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich finde es ehrlich gesagt auch nicht richtig. Irgendwo sollte man ja doch selbst entscheiden können, ob man beschnitten werden möchte oder nicht, zumindest als Mann, als Frau ist das ja ein absolutes Unding und selbstverständlich auch verboten. Selbst wenn eine Beschneidung für Männer noch lange nicht so schmerzhaft und folgenreich ist, wie für Frauen, so ist das doch ein Eingriff, der sich auf das spätere Leben auswirken kann und ich würde daher schon sagen, dass dies allein aus religiösen Gründe nicht gestattet werden sollte.

Ich kenne mich zu diesem Thema nicht sonderlich gut aus, meine allerdings gehört zu haben, dass es auch gesundheitliche Vorteile haben kann, wenn ein Baby beschnitten wird, es lassen sich so bestimmte Krankheiten vermeiden, soweit ich weiß. Insofern wäre es doch auch für eine muslimische Familie kein Problem das Kind beschneiden zu lassen, sie sagen eben nur nicht, dass es aus religiösen Gründen geschieht, sondern begründen es medizinisch. Ich sehe zumindest einen Schlupfwinkel in dieser Hinsicht.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ein Urteil, welches in der Theorie nur zu begrüßen ist. In der Praxis ist es aber so, dass wohl kaum eine Familie, die auf die Idee der Beschneidung kommt, nur auf Grund dieses "Verbots" dann auf das Beschneiden verzichtet. Statt dessen werden dann die Beschneidungen einfach nicht mehr durch ausgebildete Ärzte durchgeführt, sondern von medizinischen Laien. Dann wohl auch wie "früher" ohne eine Form der Betäubung. Ob dies dann letztlich wirklich besser ist, wage ich mal zu bezweifeln.

Natürlich ist die Religionsfreiheit ein hohes Gut. Aber diese Freiheit endet ja letztlich immer da, wo Belange Dritter betroffen sind. Und das ist ja hier gegeben. Die Religion des Sohnes hat keinen Einfluss auf den Glauben der Eltern. Diese dürfen sich hier ausleben und deren Religionsfreiheit wird nicht eingeschränkt, wenn das Kind nicht beschnitten wird. Von der Warte sollte also eher niemand auf die Idee kommen, das Urteil anzugreifen.

Nebenbei ist es ja nicht nur im Islam Sitte, Jungen zu bescheiden. Auch das Judentum hält an dem Ritus fest und - ohne Experte zu sein - ich denke, dass der Ursprung ja im jüdischen Glauben zu suchen ist. Wie das Christentum ist auch der Islam letztlich nur eine Abspaltung davon.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Und was bringt das Urteil anderen Kindern? Aus meiner Sicht gar nichts beziehungsweise nur Negatives. Denn dann wird man sie in das Heimatland der Eltern verbringen, um es dort machen zu lassen. Dabei kann man davon ausgehen, dass die hygienischen Bedingungen nicht so gut sind, wie man sie von Arztpraxen hier im Land kennt. Was am Ende bedeutet, dass man das Kind mit der Beschneidung noch größeren Gefahren aussetzt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


@Punktedieb: Hier würde ich von der Verallgemeinerung Abstand nehmen. Denn hier im ganzen Thread ist von niemandem erwähnt oder auch nur angedacht, dass es ein anderes Heimatland geben würde. Du aber unterstellst gleich, dass die Eltern dann in "ihr Heimatland" (was wohl auf keinen Fall Deutschland sein kann) gehen würden, um dort den Eingriff vorzunehmen. Mal davon abgesehen, dass alle Menschen immer in der Theorie ins Ausland gehen können, um dort medizinisch fragwürdige Dinge vornehmen zu lassen, die in Deutschland verboten oder teuer sind. Die Gleichsetzung "Moslem" = "Ausländer" stimmt so einfach nicht. Hinzu kommt, dass von dem Urteil ja auch Juden betroffen sind. Was wäre denn dann zwangsläufig deren "Heimatland"?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Wenn eine Beschneidung zum religiösen Ritus gehört, würde ich sie erlauben. Eine Beschneidung ist eine Routine-Operation, viele Kinder werden wegen Phimose beschnitten. Meine Söhne sind alle wegen Vorhautverengung beschnitten. Ich muss aber zugeben, dass es eine unangenehme Operation ist. Der wichtigste Grund für mich ist die anscheinend religiöse Pflicht, das zu tun. Die Eltern würden zu einem Kurpfuscher gehen, wenn es den Ärzten verboten wäre oder die Ärzte würden einfach eine angebliche Phimose erfinden.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Eine Beschneidung von Jungen gehört seit Jahrhunderten zum religiösen Ritus im Islam und im Judentum. Um hier mal ein paar Fakten in die Diskussion zu werfen, schreibe ich mal meinen Beitrag: Im Judentum ist es ein verpflichtender Bestandteil der Religionsausübung, dass das männliche Kind exakt am achten Tag nach der Geburt beschnitten wird. Dabei wird sogar nicht mal darauf Rücksicht genommen, ob nun Sabbat ist. Dieser Ritus ist laut den Glaubensgesetzen zwingend notwendig, damit der kleine Junge in die Religionsgemeinschaft aufgenommen wird. Ist er nicht beschnitten, dann wird er kein Mitglied der Gemeinde. Somit ist also die Religionsausübung der Familie erheblich behindert. Laut religöser Definition stellen sich Eltern, die ihren Sohn nicht beschneiden lassen gegen die Religionsgemeinschaft und sogar gegen Gott. Warum sollten wir sie dazu zwingen? Informationen gibt es hier aus erster Hand.

Wenn also eine Beschneidung aus religiösen Gründen in Deutschland dauerhaft nicht mehr erlaubt wäre würde das für die Familie neben dem religiösen Aspekt folgendes bedeuten: Die Eltern müssen kurz nach der Geburt mit einem neu geborenen Säugling eine Reise ins mehr oder weniger benachbarte Ausland unternehmen. Für eine Mutter die frisch im Wochenbett ist ist das schon belastend da mit zu kommen um das Kind zu stillen. Von dem Neugeborenen und die Belastungen die das bedeuten würde ganz zu schweigen. Die Folge ist, wie derpunkt schreibt ganz klar: Man muss den Ritus heimlich zu Hause durchführen und da kommen dann im Vergleich zum Krankenhaus erhebliche Risiken auf einen zu. Ich finde diesen Gerichtsentscheidung unerhört antisemitisch. Im Prinzip bedeutet das einen Rauswurf aller jüdischer Mitbürger, da ihre Lebensweise in Teilen als illegal bezeichnet wird. Ich fasse es echt nicht, dass es hier auch noch Leute gibt, die dieses Gerichtsurteil gut heißen und das in einem Land, das sich vor nicht allzu vielen Jahren schon mal auf unbeschreibliche Art und Weise an den Juden versündigt hat. Für mich ist dieses Gerichtsurteil absolut schreiendes Unrecht.

Für Muslime ist die Beschneidung meines Wissens keine religiöse Pflicht, aber eben auch sehr tief in der Tradition verankert, dass es zumindest nachvollziehbar ist, dass nicht nur die Juden sondern auch die Muslime in Deutschland über dieses Urteil aufgebracht sind.

Mal zu der Operation: Wenn man mit einem kleinen männlichen Baby eine Beschneidung im Krankenhaus durchführen lässt, sind die Schmerzen minimal. Natürlich wird dem Kind da eine örtliche Betäubung gegeben, damit es die Operation nicht merkt. In dem Alter ist meines Wissens noch keine Narkose nötig. Abgeschnitten wird lediglich ein kleines Stück Haut, es ist keine Totalbeschneidung der Vorhaut. Die Beschneidung der Männer ist von den Folgen her auch nicht mit der Beschneidung von Mädchen zu vergleichen.

Im übrigen belegen neuere Untersuchungen, dass es tatsächlich hygienischer ist, wenn ein Mann beschnitten ist. Eine Quelle dafür findet sich hier . Laut diesem Artikel sinkt die Wahrscheinlichkeit als beschnittener Mann sich mit HIV und HPV zu infizieren deutlich. Was HIV ist, sollte jeder wissen. HPV ist der Virus, der durch Geschlechtsverkehr an Frauen übertragen Gebärmutterhalskrebs auslösen kann. Ist so eine Präventionsmaßnahme wirklich so schlecht, dass man sie gerichtlich verbieten lassen muss? Ich würde sagen, dass dieses Verbot total fehl am Platz ist und kann die derzeitige Entrüstung gut nachvollziehen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Nun ja, mal ehrlich, Vorhaut dran oder nicht, vielleicht habe ich als Frau da einfach nicht den richtigen Bezug dazu :lol:, aber ich denke, dass es eigentlich keinen großen Unterschied macht. Der Penis wird dadurch in seiner Funktion nicht beeinträchtigt. Die Beschneidung von Mädchen, die in manchen Kulturen ja auch durchgeführt wird, ist da etwas ganz anderes, das ist definitiv Körperverletzung.

In vielen afrikanischen Ländern ist die Beschneidung von Jungen auch bei den Christen üblich. Nicht direkt als religiöses Gebot, sondern eher aus hygienischen Gründen und weil es einfach so üblich ist. Mein Lebensgefährte stammt aus Nigeria und damit wäre unser Sohn eigentlich auch ein "Beschneidungskandidat". Da es aber eben keine religiöse Pflicht ist, sieht er das nicht so eng und ich halte absolut nichts von Operationen ohne medizinische Notwendigkeit, deswegen habe ich von Anfang an gesagt, dass ich keine Beschneidung möchte. Wir haben aber mehrere, ebenfalls deutsch-afrikanische, Familien im Freundeskreis, deren Söhne beschnitten sind. Den Kindern macht das nichts aus und Komplikationen gab es bei keinem.

Religionsfreiheit ist und Grundrecht, welches auch beinhaltet, kultische Handlungen frei ausüben zu dürfen. Natürlich muss es hier Grenzen geben, nämlich dann, wenn man wirklich in den Bereich der Körperverletzung kommt, aber als solche sehe ich die Beschneidung eines Jungen, wie ich ja schon gesagt habe, einfach nicht.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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