Suizidopfer in der eigenen Familie - Meinungsänderung?
Ich selbst habe vor kurzem erst erfahren, dass wir in unserer Familie ein Suizidopfer hatten. Es handelte sich dabei um einen guten Onkel, ich hatte ihn zu der Zeit so angesprochen, aber es war der Bruder meines Opas. Als ich noch ein Kind war, habe ich viel Zeit bei meiner Großmutter auf dem Bauernhof verbracht, ich war dort eigentlich jede Ferien und ich hatte großen Spaß daran, mit den Tieren dort zu spielen oder im Obstgarten, ich hatte auch viele Freunde dort. Mein Opa war an sich immer ein sehr lebensfreudiger Mann, der viel unternahm und sich nie langweilte. Er hatte viel Spaß an der Arbeit auf dem Bauernhof und wenn dort nichts mehr zu verrichten war, dann wurden die Felder bearbeitet, seines und dass seines Bruders, man fuhr gemeinsam auf Märkte um neue Tiere zu erwerben und so weiter und so fort. Mein Opa und sein Bruder haben zu der Zeit immer sehr viel miteinander unternommen, beide waren sehr lustig und spaßig und ich habe beide in sehr guter Erinnerung.
Als ich etwa sieben Jahre alt war, starb dann mein Opa an einem Herzinfarkt und wir waren damals auch auf der Beerdigung. Es war natürlich eine sehr traurige Angelegenheit, aber als ich den Sommer darauf wieder zu meiner Oma kam, schien soweit alles in Ordnung zu sein, ich traf dann auch den Bruder meines Opas wieder und er machte Witze, scherzte mit mir wie immer und nahm mich zu unterschiedlichen Unternehmungen mit. Nach diesen Ferien bekam ich dann mit, dass er gestorben war, wir waren damals aber auch nicht auf der Beerdigung. Natürlich fand ich das traurig, aber in dem Alter grübelt man da nicht so drüber nach und ich besuchte den Bauernhof weiterhin.
Inzwischen bin ich eine junge Erwachsene und besuche meine Großmutter nur noch selten. Letztens dann hat mein Vater in Erinnerungen geschwelgt, er hatte bei uns im Garten einige Dinge erledigt und viel davon hatte sein Vater ihm damals gezeigt, er erinnerte sich an ihn als einen sehr weisen Mann, von dem man viel lernen konnte und der auch viel von der Welt gesehen hatte. Er kam dann auch auf seinen Tod zu sprechen und sagte dann, dass es kein Wunder sei, dass mein Onkel kurz darauf gestorben sei, ohne meinen Opa erschien ihm das Leben nicht mehr lebenswert und er hatte immer schon davon geredet, sich aufzuhängen, wenn seine Freunde einst nicht mehr wären.
So erfuhr ich also erst Jahre später, dass mein Onkel nicht eines natürlichen Todes gestorben war, er hatte sich an einem Obstbaum erhängt. Da ich diesen Mann immer als einen sehr gutgelaunten in Erinnerung hatte, der stets optimistisch gedacht hatte, immer positiv eingestellt war und dessen Laune nichts trüben konnte, war ich schon ein bisschen verwirrt, weil man von einem solchen Menschen nicht erwartet, dass er sich selbst umbringt. Ich musste dann auch ein bisschen zurückdenken und habe nach Indizien gesucht, die das irgendwie angekündigt hätten, aber mir viel nichts ein und ich muss sagen, dass ich seitdem ein verändertes Bild von meinem Onkel im Kopf habe, es ist eben doch nicht immer alles so, wie es scheint. Habt ihr ähnliches erlebt oder würdet ihr eure Meinung über eine Person ebenfalls ändern, wenn euch sowas zustoßen würde?
Ich denke nicht, dass du das Bild was du von ihm hattest, ändern solltest. Sicher war er ein fröhlicher netter Mensch, der nur eben einfach nicht mehr mit der Situation klarkam. Ich meine man kann glücklich sein und dann trotzdem an einer Situation scheitern, dann depressiv werden und sich umbringen.
Ich habe auch einen Suizidfall in der Familie gehabt. Man wusste bei ihm allerdings, dass das passieren wird, da er schon sehr viele Jahre Depressionen hatte. Man kann da nichts machen und man muss eben dann damit leben. Ich habe dadurch kein anderes Bild im Kopf, er war auch in meinem Fall ein netter Mann, den man das nicht angesehen hat, der aber immer wieder sehr sehr schlechte Phasen hatte. Man muss sich nicht vorwerfen, dass man das nicht gesehen hat.
Was ändert denn die Art des Todes an der Meinung, die du über den verstorbenen Verwandten hast? Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Mensch selber über sein Leben oder Ableben bestimmen sollte. Wenn ihm das Leben nicht mehr lebenswert erschien, warum hätte er es dann weiter führen sollen? Sicher trifft es die Angehörigen mehr, wie wenn er eines natürlichen Todes gestorben ist, trotzdem kann man doch nicht seine Meinung über einen Menschen ändern, nur weil er die Suizidmöglichkeit gewählt hat.
Ich selber würde ihn einfach so in Erinnerung behalten, wie du ihn kennst. Du scheinst ein sehr gutes, sympathisches Bild von ihm zu haben und tolle Erlebnisse, die ihr miteinander hattet, als er noch gelebt hat. Deshalb sollst du einfach nur über diese Dinge nachdenken und nicht über andere Dinge spekulieren.
Ich hatte bis jetzt noch keine Suizidfälle in der Familie. Ich denke schon, dass es meine Einstellung zu dem Menschen ändern würde, wenn ich erfahren würde, dass er sich selbst getötet hat. Auch wenn man den Menschen gut kannte und er immer fröhlich war, hatte er ja dann doch Probleme mit Situationen klar zu kommen oder hatte sogar selbst psychische Probleme. Das ändert so viel an dem Tod des Menschen, da man dachte ihn gekannt zu haben und ihn im Endeffekt dann doch nicht so gut kannte, denn sonst hätte man die Probleme ja mit bekommen.
Als ich den Threadtitel gelesen habe, rechnete ich mit einer anderen Fragestellung und bin gerade ein wenig verwundert. Ich habe damit gerechnet, dass nun eher Fragen kommen, die in die Richtung gehen, geht ihr nun anders mit dem Thema Suizid um? Hat sich eure Einstellung zu Suizidopfern geändert? So was in der Art. Deine Frage gehen ja aber eher in eine andere Richtung.
Du hast selbst geschrieben, du müsstest höchstens neun Jahre alt gewesen sein kannst. Noch dazu wart ihr nicht dauerhaft dort vor Ort. Gerade nach dem Tod deines Großvaters hast du dort ja scheinbar nur kurze Zeit mit deinem Onkel verbracht. Ich denke mal, du warst damals dann auch mit der ganzen Familie dort zu Besuch. Das ist oft für die Gastgeber eine andere Situation, als der normale Alltag. Man kann es auch als Art Urlaub vom Alltag bezeichnen. Man benimmt sich schon anders, wenn Gäste im Haus sind. Lässt sich auch einfacher aus trüben Gedanken heraus locken. Oder überspielt traurige Gedanken nach außen hin und überdeckt sie mit Fröhlichkeit.
Nicht jeder Mensch, der sich das Leben nimmt, wirkt auf dein Umfeld dauertraurig. Viele wirken normal. In vielen Fällen von Suizid sagen Menschen, die den Betroffenen nicht wirklich täglich sahen und so, dass sie den Betroffenen als fröhlich erlebt haben und die Tat nicht verstehen können. Noch dazu, warst du damals ein Kind. Vielleicht war der Onkel nur so fröhlich, weil er dich nicht traurig machen wollte? Oder generell deine Familie? Leute, die er nur selten gesehen hat?
Vielleicht hat ihm auch der Besuch zu schaffen gemacht. Nicht direkt als ihr da wart, sondern danach. Das Gefühl, dass nichts mehr wird wie es war. Zu seinem Bruder scheint er ja ein sehr inniges und enges Verhältnis gehabt zu haben. Die gelöste Urlaubsstimmung hat ihn eventuell später traurig gemacht. Also nicht das er traurig war, weil ihr da wart. Eher das Gefühl, die Situation wird er nie wieder gemeinsam mit seinem Bruder erleben können.
Ich denke, man hat noch dazu versucht dich damals zu schützen. Vielleicht auch, damit du den Onkel eben so in Erinnerung behältst, wie er für dich war. Ich denke an sich nicht, dass ich über einen Menschen, den ich positiv für mich erlebt habe, nach einem Tod durch Suizid wirklich schlecht denken würde. Ich fände es in dem Fall eventuell traurig, dass er seine Lebenslust nicht festhalten konnte. In dem von dir genannten Fall, würde ich den Onkel aber nicht als negativ sehen.
Ich muss nun trotzdem fragen. Hat sich deine Einstellung zum Thema Suizid nun dadurch geändert? Also nicht die eigenen Gedanken zu sich selbst. Ich meine eher die allgemeine Einstellung zu Menschen, die durch Suizid gestorben sind oder Menschen, die Suizidgedanken oder gar Suizidabsichten hatten.
Ich habe einen solchen Fall zwar noch nicht erlebt oder wüsste wenigstens nichts davon, dass einer meiner Verwandten, der verstorben ist, nicht eines natürlichen Todes verstorben ist. Aber ich denke grundsätzlich, dass es ganz normal sein dürfte, dass man seine Einstellung zum Thema Selbsttötung ändert, wenn man auf diese Weise persönlich betroffen ist und ich finde das auch in der Tat recht nachvollziehbar.
Die meisten Sachverhalte, die man rein rational bewerten kann, weil man eben nicht emotional betroffen ist, sieht man nicht in ihrer ganz eigenen Ausnahmepositionsstellung, eben, weil man keinerlei emotionale Sichtweise darauf hat. Rein sachlich betrachtet, sind die meisten Sachverhalte ohnehin scheinbar klar und einfach zu lösen, wenn man emotionale Belange außer Acht lässt, was eben bei einem Außenstehenden ziemlich üblich ist. Deshalb denke ich, dass meine Einstellung zur Selbsttötung sicherlich ebenfalls eine wäre, die ich als Einzelfallangelegenheit sehen würde und müsste, wenn ich jemanden kennen würde, dessen Gründe dafür ich nachvollziehen könnte, weil ich seinen Lebenslauf kannte.
Neulich bin ich auf eine andere Weise mit diesem Thema konfrontiert worden, das mir schon ein wenig dabei geholfen hat, meine Sichtweise zu verändern, weil sie plötzlich ganz von selbst zu einer emotionalen Betrachtung wurde. Ich habe nämlich über Tetanus nachgelesen, wie sich hier der Krankheitsverlauf entwickelt und musste mir urplötzlich vorstellen, wie grausam es sein muss, an dieser Erkrankung zu leiden. Augenblicklich habe ich mich gefragt, was ich tun würde oder könnte, wenn ich nun an Tetanus erkranken würde, und ehrlich gesagt kam mir, obwohl ich das so eigentlich komplett für mich ausschließen kann, nur die Selbsttötung in den Sinn, die mir, sofern ich denn betroffen wäre, wohl ein sicheres Leid auf dem Weg zum ebenso sicheren Tod ersparen sollte.
Manchmal „hilft“ es also schon, wenn man sich lediglich gut in eine ganz bestimmte Situation hineinversetzen kann, wie diese, in der man über eine Selbsttötung als letzten Ausweg nachdenkt, wenn man das einmal entsprechend nah an sich heranlässt. Aber diesem Moment fällt einem die Einschätzung deutlich leichter, wie weit man selbst denn gehen würde, und das gibt einem wiederum eine andere Beurteilungsgrundlage in Bezug auf all diejenigen, die die Selbsttötung als einzigen Weg für sich gesehen habe, in irgendeiner Art von Würde und selbstbestimmt aus dem Leben zu gehen, ohne sich dahinraffen zu lassen von etwas, das nichts weiter bedeutet als Qual, gleich, welcher Art.
Es muss also nicht zwingend durch einen Verwandten oder sonst eine einem selbst nahestehende Person passieren, dass man sich mit der Thematik emotional auseinandersetzen kann. Aber die persönliche Betroffenheit durch eine entsprechende Person ergibt sich vermutlich dennoch automatisch.
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