Ich habe nichts gegen ..., aber ...

vom 17.06.2012, 12:49 Uhr

Oh ja, von solchen Sätzen kann ich auch ein Lied singen. In meinem Freundeskreis gibt es solche Äußerungen eher weniger, aber in meiner Familie gibt es reichlich Vorurteile, die dann durch solche Äußerungen scheinbar überdeckt werden sollen, dadurch aber gerade ans Tageslicht kommen. Ich finde das immer sehr beschämend und peinlich für die jeweiligen Personen und frage mich in vielen Fällen, in welcher Welt diese Leute eigentlich leben. Meine beiden Omas waren immer ganz vorne dabei, wenn es darum ging zu signalisieren, dass man ja nichts gegen Ausländer habe - aber dass diese sich gefälligst so unauffällig wie möglich verhalten sollten. Gegen Schwule wurde weniger gewettert, aber gegen Lesben hatte man da angeblich auch nichts, wenn diese doch bloß nicht so männlich erscheinen und so böse gucken würden. Meistens folgte dieser einen Einschränkung dann noch eine zweite, eine dritte und dann ein ganzer Katalog von gängigen Vorurteilen. Eine Bekannte von mir ist transsexuell und sieht auch recht männlich aus. Sie trägt aber immer sehr knappe Frauenkleidung, wodurch sich dann letztens jemand aus meinem Umfeld zu der Bemerkung hinreißen ließ, dass er ja nichts gegen Transsexuelle habe, solange diese sich nicht so anziehen würden. Das sollten sie doch bitte zu hause machen. Auch das war wieder so ein Klassiker.

Ich finde solche Äußerungen immer so erbärmlich. Die Leute, die so etwas nötig haben, wollen sich scheinbar so umfassend tolerant präsentieren, indem sie erst einmal sagen, dass sie nichts gegen bestimmte Gruppen von Menschen haben. Ich habe aber den Eindruck, dass gerade diejenigen, die ihre Schein-Toleranz so deutlich herausstellen, gerade diejenigen sind, die in Wirklichkeit nur wenig tolerant gegenüber anderen sind, die scheinbar anders sind als man selbst. Da mag ich schon lieber Leute, die sich gar nicht erst als so wahnsinnig tolerant präsentieren. Das ist alles so eine Scheintoleranz, die für mich einfach verlogen und damit direkt lächerlich ist.

Anders sieht es für mich übrigens aus, wenn man eine solche Argumentation an den Stellen verwendet, wo man mit logischen Begründungen arbeiten kann. Moin hat ja bereits etwas dazu geschrieben. Wenn ich zum Beispiel sage, dass ich nichts gegen das Leben auf dem Land oder in einer Kleinstadt habe, mich aber dort absolut unwohl fühlen würde, so ist das für mich keine falsche Aussage. Ich versuche da auch nicht, Toleranz zu heucheln, die in einem solchen Fall ohnehin unsinnig wäre. Aber bei solchen Dingen kann man schon sagen, dass eine solche Lebensform nicht grundsätzlich nur negativ ist, dass sie für einen selbst aber nicht denkbar ist. So etwas ist aber nicht in Bezug auf Menschen möglich, weil man da nicht so logisch argumentieren kann.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Cologneboy2009 hat geschrieben:So etwas ist aber nicht in Bezug auf Menschen möglich, weil man da nicht so logisch argumentieren kann.


Das sehe ich ein wenig anders, ehrlich gesagt. Ich kann die Bevölkerung eines Landes generell sehr schätzen, weil kulturell bedingt in diesem Land vielleicht einiges viel lockerer genommen wird als ich das kenne und als es mich in meiner eigenen Umgebung stört. Dennoch kann es, ebenfalls häufig kulturell bedingt, allerdings aber auch grobe Störfaktoren geben, die ich so nicht akzeptieren kann. Ein hartes Beispiel, das mir spontan in den Sinn kommt, sind Frauenbeschneidungen in bestimmten Ländern. Ich kann ein solches Land bereisen und aussagen, dass ich die Menschen dort sehr schätze, weil sie vielleicht besonders warmherzig oder besonders ehrlich, liebevoll oder großmütig sind. Ich kann auch diverse andere Eigenschaften an ihnen schätzen und mich ihnen sehr verbunden fühlen.

Bin ich aber von solchen Einstellungen wie der zur Frauenbeschneidung absolut schockiert worden und erzähle ich vorwiegend eben davon, weil mich das am meisten bewegt, auch im Nachhinein noch, so kann es durchaus zu einer Aussage kommen wie: "Ich habe nichts gegen Westafrikaner (weil ich sie als unglaublich liebenswerte Menschen kennengelernt habe), aber die Frauenbeschneidungen finde ich einfach nur grausam."

Logisch argumentieren kann man so gut wie mmer, und ich denke, dass ein nachteiliger Aspekt, den man aufwirft und über den man nun näher ausführen will, wie hier im Fall der Frauenbeschneidung, reduziert auf eben ausschließlich dieses Thema schnell den Eindruck beim Gesprächspartner erwecken kann, dass man etwas gegen das jeweilige Volk, über das man nun näher ausführt, hat. Der Eindruck ergibt sich eben aus dem Augenmerk, das man nun auf etwas Nachteiliges richtet und wozu man auch entsprechend deutliche Worte findet. Um im Vorfeld also gleich den Eindruck beim Gegenüber zu vermeiden, dass man generell etwas gegen dieses jeweilige Volk hat, leitet man eben damit ein, dass man nichts dagegen hat, "aber" und richtet dann die Konzentration aller Beteiligten an diesem Gespräch auf das schwierige Thema.

Ich sage so etwas tatsächlich nur dann, wenn ich weiß, dass ich nun deutliche Worte finden werde, die ausschließlich negativ sind und möglicherweise den Eindruck erwecken könnten, dass ich nichts gegen diese Menschen, die kulturell oder mentalitätsbedingt irgendwelche Beseonderheiten an den Tag legen oder Einstellungen vertreten, einzuwenden habe, mit Ausnahme eben von dieser einen Einstellung, die ich so gar nicht nachvollziehen oder gar akzeptieren kann. Sage ich diesen Einleitungssatz nicht, so kommt es übrigens auch tatsächlich einmal vor, dass mein Gesprächspartner dann in seiner Zustimmung noch mit anderen negativen Aspekten zu diesem jeweiligen Volk in das Gespräch eintritt, aber darauf möchte ich mich in der Regel gar nicht einlassen, weil es mir eben nur um diesen einen von mir angesprochenen Punkt geht. Mit meinem Einleitungssatz deute ich dann meistens, jedenfalls meinem Empfinden nach, also auch noch an, dass ich ansonsten nichts einzuwenden habe, außer eben diesem einen Punkt, den ich nun näher ausführe.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich empfinde es schon als unangenehm, dass diese Sätze "Ich habe ja nichts gegen... aber..." überhaupt fallen. :twisted: Man sollte jeden so sein lassen, wie er gern sein möchte und ist, sofern er jemand anderem oder anderen damit nicht schadet. Ob nun dick, dünn, homo- oder bisexuell, christlich oder religiös anderwärtig orientiert, hip oder hot, das ist alles unwichtig. Es sind Menschen. Und jemand der sich in dieser Art darüber äußert, nimmt sich selbst viel zu wichtig.

» dtw21212 » Beiträge: 3 » Talkpoints: 0,65 »



Ich muss zugeben, dass ich selbst diesen Satz hin und wieder benutze, allerdings denke ich, dass allein dessen Nutzung nicht sofort zeigen muss, dass jemand mit Vorurteilen behaftet ist, beispielsweise allgemein etwas gegen homosexuelle Menschen einzuwenden hat, aber den eigenen homosexuellen Bruder trotzdem mag, weswegen er das mit eben jenem Satz verdeutlichen muss; das halte ich für den schlechtesten Anwendungsbereich einer solchen Gegenüberstellung. Wenn eine Gegenüberstellung dieser Art aber argumentativ belegbar ist und nicht eine ganze Menschengruppe mit Vorurteilen belegt und ungerechtfertigterweise diskriminiert, dann denke ich durchaus, dass man diesen Satz aussprechen dürfen sollte, ohne sofort Intoleranz vorgeworfen zu bekommen und dann kann er sich meiner Meinung nach nicht gegen Gegenstände oder Marken, sondern durchaus auch gegen Personen oder Personengruppen richten.

Um ein Beispiel zu geben: Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Menschen, die extrem schlechtes Deutsch sprechen, womit ich einige ausländische Mitbürger, aber bestimmt auch Menschen mit einer Sprachbehinderung einschließe, aber ich sehe es ungern, wenn diese Menschen im Kundenkontakt stehen und beratend tätig werden sollen. An dieser Aussage kann ich nichts Verwerfliches finden, immerhin spricht sie nicht dafür, dass ich Menschen, die nur sehr gebrochen und schlecht Deutsch sprechen, nicht schätze, sie können einen wunderbaren Charakter haben, offenherzig und gastfreundlich sein und ihr Talent bestimmt auch in anderen Bereichen viel besser präsentieren, aber wenn ich eine Frau mit Sprachbehinderung am Telefon habe und sie kaum verstehe oder einem ausländischen Taxifahrer ohne Deutschkenntnisse nicht verdeutlichen kann, wohin ich möchte oder dass er mich zur Haustür bringen soll, weil er das nicht versteht, dann darf ich das doch mit Fug und Recht nervig finden und mich sogar ein wenig ärgern, auch wenn ich diese Menschen ansonsten völlig wertfrei betrachte.

Dasselbe gilt auch für die anderen, hier genannten Personengruppen, die gern mit derartigen Sätzen belegt werden, all diese Sätze kann ich so formulieren, dass ich mich keinerlei Vorurteilen bediene und die Personengruppe nicht diskriminiere. Ich kann sagen, dass ich nichts gegen vegetarische Ernährung habe, es aber selbst nicht durchhalten würde, weil ich Fleisch viel zu gerne mag, oder, dass ich es trotzdem nervig finde, wenn Vegetarier mich krampfhaft bekehren wollen, wobei das sicherlich nicht auf alle Vegetarier zutrifft. Ebenso kann ich verlauten lassen, dass ich nichts gegen homosexuelle Menschen habe, es mich aber stört, wenn sie es im Stile eines Coming-Outs an jedermann herantragen, ich teile ja auch nicht jedem mit, dass ich heterosexuell bin und meinen Freund liebe, das sehen alle Freunde und Bekannten ganz von selbst. Ich finde jedenfalls, dass man diesen Satz in vielen Lebensbereichen gut und gerne anwenden kann, ohne gleich mit Vorurteilen und vorbehalten um sich zu schleudern, somit sollte man sich das Argument erst einmal durch den Kopf gehen lassen, bevor man wegen der Anwendung dieses Satzes kritisiert.

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Moin!, ich kann Deine Ausführungen nur voll und ganz unterschreiben. Ich habe im Laufe dieses Threads hier auch die Aussage über das Schubladendenken gelesen und muss sagen, dass ich mich, weil ich auch ab und an diesen Einleitungssatz verwende, durchaus in eine solche gesteckt fühle. Und das von Menschen, die eigentlich von sich sagen, dass sie das nicht tun und dass Schubladendenken intolerant ist. Nur, weil ich einen Aspekt eines Gegenstandes, einer Lebensform oder von irgendetwas anderem auf mich bezogen nicht gut finde oder für mich nicht infrage kommt, heißt das noch lange nicht, dass ich es oder sie oder was auch immer rundweg ablehne.

Bemühen wir das Beispiel der Homosexualität. Ich habe nichts gegen Menschen, die ihr Glück in der gleichgeschlechtlichen Liebe gefunden haben, aber ich selbst bin es eben nicht. Insofern ist das nichts für mich. Ich finde öffentliche Liebesbezeugen der intensiveren Art sowohl bei heterosexuellen als bei homosexuellen Paaren unangebracht. Es spielt keine Rolle, ob sich da öffentlich zwei Frauen, zwei Männer oder Mann und Frau an die Wäsche gehen, das gehört da nicht hin.

Oder das bereits bemühte "Dicksein". Ich kenne reichlich Leute, deren BMI jenseits des propagierten Idealwertes liegt. Das müssen sie aber mit sich ausmachen. Ich habe nichts gegen dicke Menschen, ich selber möchte aber nicht dick sein. Die Ausführung mit dem Porsche gibt das eigentlich am besten wieder. Ich habe nichts gegen Porsche. Das sind sicherlich tolle Autos. Ich möchte aber keinen. Ich habe zwei Kinder, die könnte ich mir schlecht auf's Dach schnallen, mal ganz abgesehen vom Anschaffungspreis und dem Unterhalt.

Bin ich ein schubladendenkender Mensch, weil manche Dinge für mich persönlich nicht infrage kommen? Das Zauberwort heißt "Zuhören". Man sollte seinem Gegenüber zuhören, bis er oder sie ausgesprochen hat, nicht nach dem "Aber" weghören, weil man denkt, dass man sowieso weiß, was man gleich hören wird. Wir wollen doch immer individuelle sein. Gerade die Unterschiede machen die Menschen doch interessant. Man lasse mir meine Meinung, ich lasse jedem anderen die Seine.

» Thaddäus » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 22,78 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Seit Jahren ist es bereits so, dass Menschen immer wieder sagen "ich habe nichts gegen, aber ". Das liegt viel an der Unwissenheit, der Angst vor etwas neuem und die Intoleranz vieler Menschen. Alles, was anders ist, wird vorerst erst ein Mal kategorisch ablehnt, weil es ja anders ist. Erst später wird eventuell Mal genauer hingeschaut.

Ich bin ein relativ toleranter Mensch, wobei auch meine Toleranz einfache Grenzen besitzt. Diese liegt momentan eher am Sozialstaat als wo anders. Ich habe kein Verständnis, dass jeder hier in das Land darf und sogar ohne Qualifikationen, Deutschkenntnissen und somit direkt Hartz IV haben, kann. Ich arbeite mich krumm und zahle dafür und da habe ich sicherlich etwas gegen. Dies gilt aber auch für Deutsche die ständig und nur die Hand aufhalten und nichts wirklich tun, um die Situation zu verändern.

Ansonsten bin ich Menschen gegenüber sehr tolerant und habe keine Vorurteile gegenüber dicken Menschen, wie z.B das sie nach ein paar Meter voller Schweiß sind. Dieses Vorurteil kenne ich von vielen Menschen. Schwulen und lesbischen Menschen habe ich auch keine Vorurteile gegenüber.

» paddelfisch » Beiträge: 655 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich finde solche Aussagen jetzt nicht unbedingt schlimm. Ich habe auch nichts gegen Hunde, aber sie sind mir zu wild. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage sei einmal dahin gestellt, aber daran sieht man doch, dass solche Sätze nicht unbedingt einander ausschließen oder nur ein Vorwand sind um seine eigentliche Abneigung zu kaschieren. Und wenn es ein solch harmloses Beispiel gibt, dann kann man das doch auch in empfindlicheren Kontexten finden.

Ich denke nicht, dass man wegen eines solchen Satzes gleich Schubladen bildet. Meiner Meinung nach kann man auch ganz ohne Vorwände und ohne Vorurteile gewisse Dinge an einer Personengruppe nicht mögen. Zum Beispiel könnte man meiner Meinung nach total wertungsneutral sagen "Ich habe nichts gegen Homosexuelle, aber ich kann ihre Vorlieben nicht nachvollziehen." Oder ähnliches.

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» olisykes91 » Beiträge: 5370 » Talkpoints: 24,75 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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