Nicht auf das Begräbnis eines Elternteils gehen

vom 15.06.2012, 13:43 Uhr

Gestern hatte ich ein Gespräch mit einer Arbeitskollegin, die ich allerdings noch nicht so genau kenne und deswegen wollte ich nicht allzu sehr nachhaken oder nachfragen. Jedenfalls kam in dem Gespräch heraus, dass ihre Mutter verstorben ist. Ich kenne nun nicht die Umstände, auch nicht wie alt sie war und woran sie gestorben ist, aber das ist denke ich zumindest in diesem Fall eher zweitrangig. Auf jeden Fall war besagte Arbeitskollegin nicht auf dem Begräbnis der Mutter.

Den genauen Grund kenne ich wie gesagt nicht. Sie hat nur gemeint, dass sie ein sehr schlechtes Verhältnis gehabt hätten und sie bewusst nicht hin gegangen ist. Zur Sprache kam es eher durch den Umstand, als dass sich nun andere Verwandte scheinbar darüber sehr empören, was der Arbeitskollegin aber mehr oder weniger auch egal ist, weil sie gemeint hat, dass das ihre Entscheidung sei und sie es nicht für richtig gehalten hätte, wenn sie gegangen wäre. Sie hat auch nicht das Gefühl, dass sie etwas versäumt hat und bereut ihre Entscheidung nicht.

Wie gesagt, ich kenne die genauen Hintergründe nicht. Aber ich denke, dass sie sicher ihre Gründe dafür hat. Natürlich bleibt jedem selber überlassen, was man macht und wie man sich entscheidet, aber ich frage mich schon auch irgendwo, was passieren muss, damit man nicht einmal auf das Begräbnis eines Elternteils geht. Gröbere Misshandlungen könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, aber selbst da hört man ja immer wieder, dass oft dennoch irgendwie ein "Draht" oder was auch immer vorhanden bleibt.

Jedenfalls würde mich interessieren, ob ihr selber auf das Begräbnis eurer Eltern verzichten würdet und welche Gründe ihr dafür habt. Falls das Begräbnis schon vorbei ist, würde mich interessieren, ob ihr eure Entscheidung bereut habt. Das kann natürlich in beide Richtungen gehen. Es kann ja auch sein, dass ihr auf dem Begräbnis wart und es im Nachhinein nun aus welchen Gründen auch immer bereut.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich habe erst nach der Beerdigung, bzw. am Tag der Beerdigung vom Tod meiner Mutter erfahren. Angeblich hat sie es so gewollt. Aber ich wäre auch nicht zur Beerdigung gegangen, wenn ich es vorher gewusst hätte. Ich muss sagen, dass meine Mutter sich in den letzten Jahren vor ihrem Tod sehr schäbig mir gegenüber verhalten hat und vieles kann ich ihr auch über ihren Tod hinweg nicht verzeihen. Deswegen hätte ich es für Heuchelei gehalten, wenn ich mich ans Grab gestellt hätte. Verabschiedet habe ich mich in Gedanken schon lange vor ihrem Tod von ihr.

Es gibt immer Situationen, wo ein Mensch anders handelt als andere Menschen handeln würden. Zumindest in der Theorie. Denn wenn man so etwas nicht mitgemacht hat, kann man es bestimmt nicht verstehen. Wenn mir jemand vor 30 Jahren gesagt hätte, dass ich nicht zur Beerdigung meiner Mutter gehe, dem hätte ich den Vogel gezeigt. Auch wenn wir nie ein sehr herzliches Verhältnis hatten, so hätte ich mir nicht vorstellen können, sie nicht zu beerdigen. Aber es passieren eben Dinge, da muss man für sich so handeln.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich finde es immer eine sehr persönliche Angelegenheit, warum jemand zu einem Begräbnis geht oder es lieber meidet, auch, wenn es sich um eine scheinbare nahe Person handelt. Es könnte durchaus sein, dass zwischen den beiden Personen etwas vorgefallen ist, es könnte aber auch sein, dass der, der nicht zur Beerdigung gegangen ist, einfach nicht in der Lage dazu war, dorthin zu gehen. Sicherlich heißt es, jemanden die letzte Ehre erweisen, aber gerade, wenn es sich um eine sehr nahestehende Person handelt, kann der Schmerz doch zu groß sein, oder etwa nicht?

Nun habe ich selbst an einigen Beerdigungen teilnehmen müssen und ich würde es mir heute nicht verzeihen, wenn ich dort nicht mitgegangen und hingegangen wäre. Auch, wenn man sich nicht unbedingt verstanden hat oder es vielleicht Dinge gab, die rational eine Erklärung dafür sein könnten, nicht hinzugehen, so wäre es für mich absolut unverzeihbar gewesen, auch, wenn ich mich vor solchen Gängen immer fürchte.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Wer in solchen "Extremsituationen" so handelt, der macht dies ja nicht ohne einen Grund. Dabei spielt ja letztlich gar keine Rolle, ob der Grund berechtigt ist oder nicht. Denn für denjenigen ist der Grund in dem Moment real und rechtfertigt es, eben auch die Beerdigung zu "verpassen" bzw. bewusst nicht zu kommen. Das mag für Außenstehende wirklich schwer zu verstehen sein. Und ich selbst würde meinen, dass dieser letzte Dienst schon immer möglich sein sollte. Wobei ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen möchte und noch mal wiederhole, dass es durchaus Ereignisse oder Lebenssituationen geben kann, die einen dazu bringen, eben auch nicht auf die Beerdigung zu gehen. Dann ist die Person nämlich schon vorher "verstorben" und alle Bindungen sind gekappt!

Das jetzt Bekannte oder Verwandte hier wettern oder ihr Unverständnis äußern, ist sicher zu erwarten. Aber auch hier kann man die Frage stellen, wieso diese sich jetzt entsprechend einbringen. Schließlich muss das Verhältnis des Elternteils zum Kind ja vorher schon (vermutlich über Jahre) nicht besonders gut gewesen sein. Meckern dürfen eigentlich nur die Leute (wenn man von dürfen sprechen mag), die aktiv versucht haben, das Verhältnis Eltern/Kind zu verstehen oder gar vermitteln wollten und beide Parteien zu Lebzeiten gesprochen haben. Jetzt im Nachhinein aus der Entfernung über das Verhalten der Tochter zu wettern, ist nicht hilfreich und irgendwie heuchlerisch.

Das jemand übrigens bereut auf einer Beerdigung zu sein, kann ich mir nicht vorstellen. Denn danach ist das Kapitel ja eigentlich abgeschlossen. Man mag sich nach der Verlesung des Testaments (wenn man nicht genügend gewürdigt wurde) vielleicht ärgern und die Beerdigung als Zeitverschwendung einstufen. Aber wirklich bereuen wäre das nicht.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich verurteile in keinster Weise Leute, die nicht auf die Beerdigung ihrer Eltern gehen. Ich denke mir da auch, dass es dafür sicherlich Gründe geben wird, die eben jeder für sich selber entscheiden muss. Mich würde aber eben interessieren, was solche Gründe sein können. An die Variante, dass es einem einfach zu schwer fällt, weil der Abschied zu schmerzhaft ist oder dergleichen habe ich noch gar nicht gedacht. Auch das ist natürlich ein Grund, den jeder für sich selber entscheiden muss, auch wenn ich diesen Grund nicht wirklich nachvollziehen kann. Wer findet Begräbnisse schon lustig und nicht zu erscheinen, weil es zu schmerzhaft ist, ist wohl durchaus auch heftig. Aber natürlich muss wie gesagt auch hier jeder für sich selber entscheiden und auch in so einem Fall würde ich die Entscheidung nicht verurteilen oder so.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Für mich wäre das komplett unvorstellbar. Meine Eltern sind glücklicherweise bei bester Gesundheit, und ich habe ein gutes Verhältnis zu ihnen. Ich würde deine Arbeitskollegin aber nicht verurteilen - wer weiß, was in der Familie vorgefallen ist, dass das Verhältnis derartig zerrüttet ist? Es gibt ja Fälle von Misshandlung in Familien, oder Kinder, die verstoßen werden, weil ihr Lebensentwurf nicht zu den Moralvorstellungen der Familie passt. Und ich denke, in so einem Fall könnte ich sehr gut verstehen, dass man dann auch nicht zu der Beerdigung geht, vermutlich würde ich das unter den entsprechenden Umständen auch nicht.

» arril » Beiträge: 739 » Talkpoints: 10,78 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht auf die Beerdigungen meiner Eltern gehen würde. Alleine aus dem Grund, dass ich sie so in Erinnerung behalten möchte, wie sie denn waren und nicht als einen Holzkasten, der in die Erde eingelassen wird. Deswegen halte ich es auch nicht für so schlimm, wenn man nicht zu der Beerdigung der Eltern geht und ich verurteile niemanden dafür. Jeder soll meines Erachtens nach nach seiner Gefühlswelt handeln und selbst entscheiden, ob man es überhaupt aushält.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12595 » Talkpoints: 13,30 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich halte es nicht für so wichtig, dass man einem Menschen das letzte Geleit gibt, das ist nur wichtig für die Angehörigen und diejenigen, die hingehen. Böse Zungen können dann im Nachhinein schön lästern, wie unverfroren es von X war, nicht auf der Beerdigung von Y zu erscheinen, denn schließlich stand er oder sie in diesem und jenen Verwandschaftsverhältnis zu ihm oder ihr.

Eine Beerdigung ist zudem ein schwerer Gang, wenn einem der Verstorbene sehr nahe gestanden hat. Ich war nach der Beerdigung meiner Großmutter drei Jahre nicht an ihrem Grab, bis zur Beisetzung meines Vaters. Dessen Grab habe ich dann wiederum etwa 4 Jahre lang nicht besucht. Das liegt nicht daran, dass mich das nicht schert sondern daran, dass es mich zu sehr schmerzt. Ein Gang zum Friedhof und der Anblick der letzten Ruhestätte lässt in mir alte Wunden aufreißen, und wer schneidet sich schon gern selbst mit Absicht ins eigene Fleisch. Ich habe meine Großmutter und meinen Vater zu Lebzeiten geehrt und besucht, das zählt meines Erachtens mehr als die Anwesenheit bei der Beerdigung oder Gänge zum Grab.

Ein anderer Grund ist natürlich das schlechte Verhältnis, aus dem heraus man vielleicht nicht zur Beerdigung eines Elternteils oder eines anderen Verwandten gehen möchte. Es ist dabei eigentlich egal, ob man ein Statement setzen möchte und quasi in aller Öffentlichkeit zu dem Bruch und dessen Endgültigkeit zu stehen, oder ob man die Trauer lieber mit sich allein im Stillen austrägt. Ist ein Verhältnis völlig zerrüttet und haben die Beteiligten nichts mehr miteinander zu tun haben wollen, kittet auch der Gang mit dem Sarg nichts mehr.

Jeder kann das halten wie er will, und ich würde auch niemanden moralisch dazu zwingen wollen, an meiner Beerdigung eines Tages teil zu nehmen, wenn er das aus irgendwelchen Gründen nicht will. Vielleicht würde ich mich auch im Grabe umdrehen, wenn jemand den ich absolut nicht mehr sehen will, sich auf meiner Beerdigung sehen lässt.

» Thaddäus » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 22,78 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Die Beerdigung eines Elternteils ist ein schlimmer seelischer Schmerz. Aber trotzdem sollte man versuchen, der Beerdigung nicht fernzubleiben. Es ist das Letzte, was man für die Eltern tun kann, die Begleitung bis zur letzten Ruhestätte.

Natürlich gibt es Begebenheiten, die es unmöglich machen, den Sarg auf seinem letzten Weg zu begleiten, weil eben Dinge vorgefallen sind, die das einfach ausschließen. Das muss auch jeder selbst wissen und für sich entscheiden. Ein Außenstehender kann darüber kein Urteil fällen und muss das so hinnehmen.

Ich habe vor kurzen im engeren Verwandtenkreis einen solchen Fall erlebt, wo die Tochter nicht mit zur Beerdigung gegangen ist, was für mich nicht verständlich war, weil es fadenscheinige Gründe waren, die vorgeschoben wurden. Aber wie gesagt, muss das jeder für sich entscheiden.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Wenn man von der Beerdigung der Eltern oder auch von einer anderen nahe stehenden Person weg bleibt, weil man den Schmerz zu groß empfindet, dann frage ich mich, ob es nicht trotz des Schmerzes wichtig wäre, dennoch an der Beerdigung teil zu nehmen. Und zwar sogar auch aus eigennützigen Gründen. Ist eine Beerdigung nicht auch ein wichtiges Abschiedsritual? Man sagt doch immer wieder, dass eine Beerdigung bei der Bewältigung von Trauer und Co sehr wichtig ist. Wenn man natürlich ein anderes Abschiedsritual für sich gefunden hat, ist das sicher in Ordnung, aber wenn man die Beerdigung einfach mehr oder weniger "ignoriert", dann kann das bei der Verarbeitung der Trauer in manchen Fällen doch auch durchaus hinderlich sein, oder?

Wenn man nicht zur Beerdigung geht, weil man mit der Person mehr oder weniger abgeschlossen hat, aus welchen Gründen auch immer, dann ist das denke ich wieder etwas anderes. Da muss man dann ja nicht wirklich durch einen großen Trauerprozess durch und somit fehlt dann denke ich das Abschiedsritual nicht so. Dennoch kann ich mir auch hier eine Teilnahme an einer Beerdigung durchaus sinnvoll vorstellen. Gar nicht unbedingt, um der verstorbenen Person einen Gefallen zu tun oder dergleichen, sondern einfach für sich selber. Da könnte man eine Beerdigung doch auch durchaus insofern nutzen, als dass man es selber als Schlussstrich oder was auch immer sieht. Ist natürlich wohl alles leichter gesagt als getan.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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