Lasst ihr eure Kinder Behinderungen austesten?

vom 04.06.2012, 08:36 Uhr

Ich war gestern bei einem Pärchen zu Gast, deren Kinder beide im Grundschulalter sind. Die Kinder kennen mich schon ewig und sind somit auch ganz natürlich mit meiner Behinderung aufgewachsen, da bei der Jüngeren allerdings gerade das Thema „Blindheit“ im Sachunterricht durchgenommen wurde, kamen da einige neue Fragen auf und einige wurden auch erneut gestellt, das Interesse an den Unterschieden mit Behinderung flammte eben wieder auf. Anfänglich etwas irritiert, weil das so plötzlich kam, beantwortete ich aber geduldig verschiedene Fragen zu meinen Träumen, meiner Farbvorstellung oder meiner Mobilität und freute mich auch über das Interesse und vor allem die Auffassungsgabe der beiden Mädchen.

Sie kamen dann aber auf die Idee, auch unbedingt testen zu wollen, wie es sich denn anfühle, blind zu sein. Dazu führte ein Mädchen das Andere, das die Augen geschlossen hatte, durch den Garten, dann musste sie mit geschlossenen Augen alleine weitergehen. Auch verschiedene Geräusche sollten blind erkannt werden. Sehr unterhaltsam fand ich es dann, als die beiden versuchten, blind zu essen. Da es Reis mit Gemüse gab und dieser mit dem Messer auf die Gabel geschoben werden sollte, kann man sich die Sauerei ja vorstellen, die Mutter ließ das aber durchgehen und wollte den Kindern den Spaß und das Experiment nicht nehmen.

Nun würde mich mal interessieren, wie ihr das handhabt. Lasst ihr eure Kinder in verschiedene Behinderungen schlüpfen und in Ruhe ausprobieren? Oder gehört ihr eher zu der Fraktion, die derartige Aktionen geschmacklos finden und ihre Kinder lieber davon abhalten? Warum? Und wenn ihr eure Kinder austesten lassen: Gibt es da Einschränkungen? Lasst ihr das beispielsweise nicht in der Öffentlichkeit oder nicht im Umkreis behinderter Menschen zu? Warum trefft ihr diese Einschränkungen?

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Also, ich finde dieses Thema sehr interessant und eigentlich habe ich mir noch nie wirklich solche starken Gedanken darüber gemacht.Ich bin wirklich einige Zeit am Überlegen, was mein Standpunkt zu diesem Thema ist. Vorher möchte ich jedoch sagen, dass ich keine Kinder habe und 18 Jahre alt bin, jedoch hat mich dieses Verhalten an mich selbst als Kind erinnert. Als ich ein Kind war, habe ich auch mit Hilfe von geschlossenen Augen die Vorstellung gehabt, wie es wäre, wenn man blind ist. Ich habe auch einmal versucht, nicht meine rechte Hand zu benutzen als Rechtshänder. Ich denke, das das eigentlich ein normales Verhalten ist, da Kinder neugierig sind und gerne herumprobieren. Normalerweise mangelt es einem als Kind auch nicht an Fantasie und Kreativität, außerdem versetze ich mich heute noch in andere Menschen hinein, zwar mitlerweile "nur" theoretisch und nicht praktisch, aber das kommt einfach mit der Zeit.

Ich denke, dass es einfach wichtig ist, dass man seine eigenen Kinder solche Experimente ausprobieren lässt. Vielleicht würden die Kinder später ja verständnisvoller auf Behinderte reagieren und wissen, wie man mit Behinderten umgeht - und zwar eigentlich ganz normal, wie mit jedem anderen Menschen auch. Ich empfinde das eigentlich nicht als geschmackslos, der Mensch ist von Natur aus eigentlich ein intelligentes Lebewesen, hoffentlich auch emotional und es gehört einfach für mich dazu, dass man sich in andere Menschen hineinversetzt. Es muss ja nicht zwangsläufig eine Behinderung sein, aber wenn ich mit einer Situation konfrontiert werde, weil eine Freundin mich zum Beispiel um Rat fragt, versuche ich mich in dieser Situation wiederzufinden.

Ob ich als Mutter meine Kinder in der Öffentlichkeit ein solches Experiment machen lassen würde oder vor einem Behinderten, weiß ich nicht. Zuerst müsste ich die Person auch kennen, um zu wissen, dass sie sich nicht eventuell beleidigt oder verletzt fühlt. Aber ich denke, am besten ist es zu fragen, immerhin kann man den meisten Menschen nur vor, nicht in den Kopf schauen.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9232 » Talkpoints: 24,53 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Also ich bin selbst Mama und finde es klasse wenn man Kinder an ein solches Thema heran führt. Leider wissen ja heutzutage viel zu wenig Leute mit solchen sensiblen Themen umzugehen. Gerade eine Sehbehinderung können sich viele nicht vorstellen, weil es eben etwas ganz normales ist das man sehen kann. Ich finde es gut wenn Kinder dann mal ausprobieren wollen wie es sich an fühlt wenn man nichts mehr sieht. Denn so können sie sich eben doch besser in die Gefühlslage eines Menschen versetzen und können ihnen auch viel besser helfen, wenn sie Bescheid wissen was los ist.

Auch Menschen mit wirklich sichtbaren Behinderungen, zum Beispiel wenn sie im Rollstuhl sitzen, sollten von Kindern unterstützt werden. Ich finde es ganz wichtig das Kinder wissen das es einen auch anders treffen kann im Leben und das nicht jeder Mensch gleich ist. Ich selber habe es auch schon öfter mal probiert mit verbundenen Augen den Haushalt zu führen und muss sagen, ich wäre wohl elendig gescheitert. Ich habe einen riesen Respekt vor Menschen mit Behinderungen, die ihren Alltag so meistern, als wären sie ganz normal, wie alle anderen.

» Kokeilla » Beiträge: 180 » Talkpoints: 6,98 » Auszeichnung für 100 Beiträge



An sich finde ich es gut, wenn Kinder in andere Rollen schlüpfen, da sie nur so lernen wie sich behinderte Menschen eben fühlen und sowohl mitfühlen können, als sich auch in die Lage versetzten können. Ich hätte in der Situation wahrscheinlich etwas mit mir gehadert. Da du ja, so wie du schreibst blind bist, weiß ich nicht ob ich als Mutter direkt eingewilligt hätte. Ich hätte dich womöglich erst gefragt ob dir das Recht ist, da ich mir vorstellen kann, dass nicht jeder Mensch mit einer Behinderung bei einer solchen Situation gelassen reagiert.

Ich finde es toll, dass du die Fragen so beantwortet hast und den Kindern ein ganz anderes Leben näher bringen konntest. Ich finde es wirklich toll, wenn Kinder so früh lernen wie andere Menschen leben und einfach lernen können wie sich andere Menschen fühlen und wie eben das andere Leben abläuft. Auch glaube ich, dass Kinder dankbar sind, wenn sie wieder aus dem Experiment entlassen werden und wissen wie gut sie es doch haben mit ihrer Gesundheit.

» Lara2011 » Beiträge: 1466 » Talkpoints: 0,19 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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