Bauen Autoren stilistische Mittel wirklich bewusst ein?

vom 15.05.2012, 19:51 Uhr

Ich denke mal, der Begriff "stilistische Mittel" dürfte aus dem Deutschunterricht eigentlich jedem hier bekannt sein: Mussten wir nicht alle in der Schule Oxymorons, Metaphern, Synekdochen, Synästhesien, Hyperbeln etc. aus irgendwelchen Texten heraussuchen, um diese Analyseergebnisse dann in einer ausführlichen Interpretation des Textes zu verarbeiten.

Eine Frage, die ich mir aber schon immer gestellt habe ist es, ob die Autoren beim Schreiben eines Textes wirklich immer darauf achten, hier noch ein Oxymoron einzubauen, dort eine Synästhesie unterzubringen und an jener Stelle ja keinen metaphorischen Vergleich zu vergessen. Oder geschieht dies wohl eher einfach nach literarischem Gefühl, ohne sich groß darüber Gedanken zu machen, was für ein stilistisches Mittel man denn gerade in den Text einbaut?

Schreibt jemand hier vielleicht selber Texte und kann mich etwas über das Thema aufklären? Werden solche stilistischen, sprachlichen Mittel wirklich ganz bewusst eingebaut?

Benutzeravatar

» delpiero224 » Beiträge: 1378 » Talkpoints: 4,49 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Also ich bin selbst ein Hobbyautor, ich habe bisher 11 Bücher geschrieben, und warte derzeit auf eine private Lektorin, die mein erstes Werk soweit fertig macht, das ich in den Handel gehen kann. Stilistische Mittel, ganz ehrlich, ich weiß was eine Metapher ist, aber da endet es absolut bei mir. Meine besondere Schwierigkeit ist ein Satz von einem T-Shirt, der am besten auf mich passt:

"Grammatik gelernt bei Yoda du hast, junger Padawan!"

Ich selbst habe Metaphern bei meiner ersten Trilogie genutzt, aber da musste ich unbedingt Metaphern nutzen, ansonsten wäre meine Erotik-Thriller Trilogie "Club ohne Namen" wohl nicht wirklich gut geworden. Aus Erfahrung kann ich aber sagen das stilistische Mittel nicht bewusst eingebaut werden. Ich persönlich, ok ich bin ein absoluter Sonderfall, ich schreibe anders als alle anderen, aber ich benötige stilistische Mittel eher dazu, um nicht zuviel zu wiederholen. Ich leide unter dem Wiederholungswahn, den ich halbwegs erfolgreich zu unterdrücken suche.

Früher waren gerade bei mir Wörter wie Also, nunja, und garnicht, an der Tagesordnung wenn ich geschrieben habe. Seitdem ich aber Blogs schreibe, in Foren schreibe, und mich nicht mehr auf meine Geschichten konzentriere, weil ich erst einmal mehr aus meiner Schreibwut machen möchte, als nichts. Denn das ist genau das, was meine Bücher mir bisher eingebracht haben. Mein Blog Frankies Testwelt, hingegen hat bereits innerhalb von 2 Wochen etwas abgeworfen. Zwar kein Bargeld, aber dafür jede Menge Produkte.

» Frank The Tank » Beiträge: 350 » Talkpoints: 44,33 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Über diese Frage, haben wir uns bei unserer letzten Deutschklausur auch unterhalten und kamen auch zu einem Entschluss. Man muss es so sehen, dass es sich bei den Autoren nicht einfach um Menschen handelte, die einfach mal drauf los schieben. Die Autoren haben sich meistens starke Gedanken darüber gemacht, wie sie einen Text formulieren, ansonsten könnte ja jeder X-Beliebige einen Bericht schreiben und er wird berühmt und so geht das ja nicht, weil Texte ob nun fiktional oder nicht, etwas Besonderes haben.

Autoren haben also meistens eine Ewigkeit gebraucht, um einen Text zu formulieren, sei es nun ein einfacher Informationstext oder ein Gedicht. Man darf sich nicht vorstellen, dass die Autoren einfach drauf los geschrieben haben und innerhalb von 5 Minuten fertig waren und diese die Texte eingeschickt haben bzw. man sie gefunden haben und es hieß "Wow. Er ist ein Künstler". So ist dies noch lange nicht der Fall, sondern man muss sich diese Arbeit wirklich schwer vorstellen.

Normalerweise, macht sich jeder Autor darüber Gedanken, wie er etwas formuliert, ich mache ja gerade mir auch Gedanken darüber, wie ich meine Meinung hier gut erklären kann, damit mir andere nachfolgen können. Natürlich ist dieser Text schnell geschrieben und ich denke nicht darüber nach, hier jetzt Alliterationen einzubauen oder Metaphern, damit es einfacher klappt.

Autoren wollen, dass sich viele Menschen aus ihren Gedichten etwas interpretieren können und interpretieren tut schließlich jeder Mensch verschieden, dies ist ja das Besondere. Beim Analysieren gibt es natürlich eigentlich nur wenige Lösungen, wenn sogar nicht nur eine. Dabei fällt auf, dass die Autoren sich Gedanken darüber gemacht haben, stilistische Mittel einzubauen. Ein Autor benutzt unbedingt Metaphern, damit sich die Menschen es bildlich leichter vorstellen können. Dies macht es eigentlich auch einfacher, etwas zu analysieren, als wenn dort nur ein Text stehen würde. Alliterationen haben ja auch einen Blickfang und lassen sich leichter merken. Jedes stilistische Mittel hat schließlich eine Wirkung und dies macht ein Autor selbstverständlich bewusst, um irgendwie auf etwas aufmerksam zu machen. Teilweise benutzt man aber auch stilistische Mittel unbewusst, sondern baut sie einfach ein, weil man sich somit auch leichter formulieren bzw. ausdrücken kann. Dies benutzen wir im alltäglichen Sprachgebrauch schließlich oft auch. Schreiben tun wir auch oft bildlich, damit es einfach den Lesern einfacher fällt, jemanden nachzuvollziehen, was er schreibt. Nicht immer tut man es bewusst!

Natürlich haben Autoren wie Goethe bestimmt damals nicht gedacht, dass wir heutzutage noch ihre Gedichte analysieren, sondern sie wollten einfach ihre Gedanken in Worte verfassen und dies mit Menschen zu teilen. Hätten sie bestimmt gewusst, dass wir uns so darüber einen Kopf machen, wären sie um so stolzer auf sich selbst, vielleicht würden sie sich auch entschuldigen, weil wir dank dieser harten Arbeit der Autoren, ständig analysieren müssen. :lol:

Benutzeravatar

» Dennus » Beiträge: 1263 » Talkpoints: 0,61 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich denke, man kann hier nie alle Autoren über einen Kamm scheren. Es macht durchaus unterschied, ob es gut oder schlechte Autoren sind oder sogar brillante Textkünstler. Und auch wann der Autor gelebt hat, ist da ganz wichtig. Es gibt in den sechzigern und siebzigern des letzten Jahrhunderts einige Autoren, deren erklärtes Ziel es war, zu provozieren so gut es geht und zwar mit allen Mitteln. Dazu gehört auch, sich von den traditionellen Modellen in der Literatur so weit es geht abzugrenzen. Da nach Alliterationen und so weiter zu suchen ist vermutlich eher nicht im Sinne der Autoren.

Wenn man einen Klassischen Autor wie Goethe nimmt, sehe ich das schon anders. Klar hat der nicht extra für die heutigen Schulkinder die Stilmittel im Text versteckt. Da hat Dennus schon recht. Ein Autor schreibt ja nicht, damit künftige Schülergenerationen geplagt werden, sonder weil er aktuell etwas sagen will, Leute unterhalten will oder einfach nur sich dazu berufen fühlt, Wortkunst zu schaffen. Ich klammere jetzt einfach mal Texte aus, die einfach so geschrieben wurden und denke bei dem, was ich jetzt schreibe nur an Texte, die von den Autoren bewusst als Literatur verfasst wurden.

Sofern der Autor so schreibt, dass er literarisches schreiben will und sich einigermaßen an die klassischen Literaturtheorien und Gattungen anlehnt, würde ich sagen, das etwa 80% der literarischen Stilmittel bewusst gesetzt sind. In Prosa-Texten eher weniger und in Lyrik dafür umso mehr. Klar, nicht jede Alliteration ist gewollt. Wenn der Autor über die alte Anna schreibt, dann sind die zwei A´s nicht unbedingt stilistisch bedingt, denn wenn die Frau Gerda heißen würde, stünde an der selben Stelle wohl die alte Gerda und nicht die greise Gerda. Aber eine Metapher ist denke ich schon wohl überlegt, denn der Autor sucht schon bewusst nach einem Weg, im Kopf des Lesers ein Bild zu produzieren, das seine Vorstellungen möglichst genau ausdrückt.

Ich denke nicht, dass sich ein Goethe oder Schiller oder Brecht hingesetzt haben und überlegt haben, Oh je, da habe ich in meiner Erzählung erst ein Oxymoron und drei Hyperbeln. Wo kann ich denn noch zwei bis drei von der Sorte unterbringen? Aber wenn man etwas ganz absurd erscheinen lassen will, bietet sich eben ein Oxymoron an, und wenn man dem Leser die Übertreibung zeigen will, dann ist eben eine Hyperbel Mittel der Wahl.

Bei politischen Reden wird auch gerne in der Schule analysiert. Aber da finde ich das eher zweifelhaft und es hängt stark davon ab, wer die Rede geschrieben hat. Klar, es tauchen immer wieder redentypische Stilmittel auf, die Wiederholung, die Rhetorische Frage und Bezüge auf die Geschichte. Aber inwiefern das bewusst gesetzt wird, um einen literarischen Anspruch zu genügen, weiß ich nicht. Ich nehme da eher an, dass der Autor danach sucht, wie er möglichst effektiv seine Botschaft in den Kopf des Hörers hämmern kann. Ob das dann auf dem Papier für die Literaturwissenschaft wertvoll und interessant ist, dürfte in dem Fall eher zweitrangig sein.

In der Schule lernt man das ja auch nicht zur Qual der Schüler. Ziel und Zweck der Auseinandersetzung mit Stilmitteln ist ja, dass man lernt, die Texte nicht ohne kritisches Hinterfragen zu konsumieren und dabei auch zu überlegen, warum der Text so wirkt, wie er wirkt. Wenn ein Autor ein Stilmittel einsetzt, dann ist das, als wenn ein Maler in einem schwarz weißen Bild einen einzigen roten Farbklecks an eine Stelle setzt, wo er möchte, dass der Betrachter besonders genau hin sieht. Stilmittel sind sozusagen Markierungen an wichtigen Stellen. Auch wenn der Autor vielleicht nicht im Einzelnen überlegt hat, ob er da lieber dieses oder jenes Stilmittel einsetzen will, hat er mit hoher Wahrscheinlichkeit an dieser Stelle genau überlegt, wie er es anstellen kann, dass diese Stelle Aufmerksamkeit erheischt.

Zu früheren Zeiten, zum Beispiel im 17. und 18. Jahrhundert waren die Leute da auch noch etwas aufmerksamer und wissender, so sie sich mit Literatur etwas auskannten. Wenn wir heute einen Film sehen und sofort sehen, aha, das ist jetzt eine Anspielung auf den und den Film von dem und dem berühmten Hollywood-Regisseur, so wussten die gebildeten Leute damals genau, was ein Autor eben meint, wenn er ein bestimmtes Stilmittel nutzt oder wenn er ein Symbol wie zum Beispiel einen Gott aus der Antike erwähnt. Das hat heute etwas abgenommen, weshalb es vielen anstrengend und umständlich scheint, Literatur so zu betrachten.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Wenn das der liebe Goethe lesen könnte. Wie kommt Ihr darauf, dass sich Goethe darüber keine Gedanken gemacht hat? Gerade Goethe war es, der ewig über einem Text hing, damit jedes stilistische Mittel passte und perfekt war. Zu stilistischen Mitteln gehört beispielsweise auch die Verslehre. Wenn man die Gedichte von Goethe, Schiller, Kleist usw. durchgeht, dann erkennt man, dass dort alles stimmt. Und es geht auch nicht darum, dass sie sich nicht bewusst Gedanken gemacht haben, dass Schülerinnen und Schüler es Jahrhunderte später analysieren müssen. Nein, vielmehr ging es darum, ein Gedicht zu einem Gedicht zu machen und wenn bestimmte Dinge nicht vorhanden sind, dann zählt es nicht zu einem Gedicht. Das ist die Basis jeder Literaturwissenschaft.

Wenn man sich beispielsweise Kleist anschaut, zugegeben, so wie Kleist hat zu seiner Zeit niemand geschrieben, aber beispielsweise erkennt man hier einen stetigen Jambus wieder. Das über so viele Zeilen durch zuziehen, dafür braucht man Zeit und macht sich enorme Gedanken. Genau so bei Goethe. Da stimmt jedes Wort. Flaubert ist noch ein gutes Beispiel. Er saß beispielsweise tagelang bei einem Satz fest und hat Stunden gebraucht um ein Komma zu setzen. Nur ein Komma? Ist das nicht beeindruckend?

Ergo: Ein ganz klares ja! Alle großen Literaten machen sich darüber Gedanken. Stilistische Mittel sind deren Kunst, das ist es, was sie zu Literaten und Nobelpreisträgern macht. Metaphern, Allegorien usw. benutzt jeder Hans und Franz, darauf kommt es gar nicht an. Metra und ähnliches, da sind Stilmittel, die bewusst verwendet werden und verwendet werden müssen.

Das Problem ist, dass durch die heutigen Medien jeder etwas von sich veröffentlichen können, es dann Gedicht nennt, aber keines der Mittel anwendet, das es erst zu einem Gedicht machen. Möchtegernprosa ist in Zeiten des Internets Gang und Gebe. Aber Goethe, Schiller und co waren Genies, die hart gearbeitet haben, um uns an ihren Werken teilhaben zu lassen. Ein gutes Beispiel aus der Gegenwartsliteratur ist Siegfrid Lenz. Einfach mal dahingeklatscht? Oder auch Günter Grass. Es hat seinen Grund, dass Günter Grass Literaturnobelpreisträger ist.

» Minerva » Beiträge: 242 » Talkpoints: 47,90 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Minerva hat geschrieben:Wenn das der liebe Goethe lesen könnte. Wie kommt Ihr darauf, dass sich Goethe darüber keine Gedanken gemacht hat? Gerade Goethe war es, der ewig über einem Text hing, damit jedes stilistische Mittel passte und perfekt war.


Da hast du mich aber gründlich falsch verstanden und deshalb will ich das mal richtig stellen. Es sollte nicht bedeuten, dass Goethe sich keine Gedanken gemacht hat. Vielmehr war das Unterstellung meinerseits, von welcher Richtung Goethe her das Pferd gezäumt hat. Es gibt da ja zwei Möglichkeiten. Entweder ich überlege zuerst, welche Botschaft ich im Text vermitteln möchte, zum Beispiel eine Liebeserklärung an die angebetete. Dann überlege ich, mit welchen Mitteln ich diese Botschaft an den Leser bringe. Man entwickelt einen Entwurf, der gegebenenfalls so lange überarbeitet wird, bis alles den Ansprüchen des Autors genügt. Dabei werden zum Beispiel zu farblose Wörter durch ausdrucksstärkere ausgetauscht und das eine oder andere Stilmittel verwendet. Das wäre Variante A.

Für Variante B wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Ein Beispiel wäre das Gedicht Ottos Mops. Da unterstelle ich Ernst Jandl einfach mal, dass es ihn nur in zweiter Linie um die Fabel im Gedicht ging, sondern in erster Linie darum, nur Worte zu verwenden, die ausschließlich den Vokal O enthalten. Dadurch entstand ein lustiges Spaßgedicht, das durch die äußere Form gefällt. Ein anderes Beispiel ist das Gedicht, in dem es gleichzeitig finster ist, während der Mond schien. Manchmal wird dieses Gedicht, das ungewöhnlich oft das Stilmittel Oxymoron verwenden sogar Goethe zugeschrieben. Aber da das Gedicht so gekünstelt absurd ist, wird das oft als Kindergedicht verwendet. Es hebt sich deutlich von dem ab, was Goethe sonst als beachtenswerte Texte produziert hat. Selbst wenn es Goethe war, zeigt so ein Gedicht doch, was passiert, wenn man die Wirkung total auf das Stilmittel stützt.

Deshalb habe ich in meinem obigen Beitrag eben geschrieben, dass ich denke, dass sie ein Dichter, der ernst zu nehmen ist und der einen künstlerisch hochwertigen Text schreiben will, im Normalfall eher nach Variante A vorgeht. Das sollte niemals heißen, dass ein Dichter wie Goethe nicht bewusst Stilmittel einbaut. Die Frage ist eigentlich wann er das tut und warum.

Und Versmaße sind meiner Meinung nach keine Stilmittel. Erst wenn das Versmaß an einer Stelle auffällig unterbrochen ist, würde ich das als Stilmittel sehen. Versmaße und Bauvorschriften von Gedichten waren in den früheren Zeiten der Lyrik teilweise noch quasi-verbindliche Bauvorschriften. Es war eher ein Stilmittel und Statement, wenn man als Dichter da Stilbruch beging und sich bewusst über die traditionelle Form hinweg setzte.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^